Zetsche: "Besser miteinander reden als übereinander"

Es ist eine illustre Runde, die Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Neuen Schloss in Stuttgart zusammengetrommelt hat. Daimler-Chef Dieter Zetsche, Bosch-Chef Volkmar Denner, Porsche-Finanzchef Lutz Meschke und Audi-Produktionschef Hubert Waltl stehen am Mikrofon. Hinter den zahlreichen Kameras tummeln sich weitere prominente Vertreter der südwestdeutschen Automobilregion wie ZF-Chef Stefan Sommer, ElringKlinger-Chef Stefan Wolf oder Will Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft der Hochschule Nürtingen-Geislingen, sowie IG-Metall Bezirkschef Roman Zitzelsberger, Betriebsräte und Wissenschaftler.

Drei Stunden lang haben sich die Protagonisten hinter verschlossenen Türen darüber ausgetauscht, wie das Land, in dem 230.000 Arbeitsplätze direkt von der Autoindustrie abhängen, sich auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen kann. "Wir haben heute eine strategische Partnerschaft geschlossen, um die Zeitenwende beim Automobil zu einem Erfolg zu machen", sagt Winfried Kretschmann. "Unser Ziel ist es, dass Mobilität auch in Zukunft in Deutschland und Baden-Württemberg gemacht sein soll."

Dafür werden nun möglichst schnell die passenden Strukturen geschaffen. Denn allen Beteiligten ist klar: Mit der üblichen Bürokratie wird der Wettbewerb mit den agilen Softwareunternehmen aus dem Silicon Valley oder aus China kaum zu gewinnen sein. "Ich habe in der Runde deutlich gemacht, dass wir schnell eigene digitale Mobilitätsplattformen aufbauen und für deren Verbreitung sorgen müssen, damit die Kundenschnittstellen nicht durch andere Anbieter besetzt werden", mahnt etwa IFA-Chef Willi Diez im Anschluss an die Veranstaltung.

Als ersten Schritt will das Land den Strategiedialog zur Automobilwirtschaft, wie Kretschmann ihn nennt, institutionalisieren. "Wir müssen schneller werden bei den Entscheidungsprozessen", sagt Kretschmann. Dies könnte nach dem Vorbild der Autohersteller funktionieren, die zum Teil eigene Einheiten für die vier wesentlichen Zukunftselder wie Elektrifizierung, autonomes Fahren, Vernetzung und Mobilitätsdienste gegründet haben. Kretschmann deutet an, dass dabei die Landesagentur e-mobil BW eine tragende Rolle übernehmen könnte. Sie begleitet bisher den Wandel zur Elektromobilität im Südwesten, könnte in Zukunft aber mit den Themen des Strategiedialogs deutlich aufgewertet werden.

Debattiert wird derzeit in Baden-Württemberg aber an vielen Ecken und Enden. So bittet das Verkehrsministerium unter Führung von Winfried Hermann (Grüne) regelmäßig zum Dialog, wenn es um die Frage der Vermeidung von Fahrverboten durch die Nachrüstung von Euro-5-Dieselfahrzeuge geht. Und das vom Koalitionspartner CDU geführte Wirtschaftsministerium hat auf Initiative der IG Metall soeben die Einrichtung eines Transformationsbeirats beschlossen, der sich ebenfalls mit den Auswirkungen des Branchenwandels beschäftigen soll. "Klar ist, dass wir hier keine Doppelstrukturen schaffen dürfen", sagte ein Sprecher des Staatsministeriums der Automobilwoche.

Wie zu hören war, soll die Stimmung in der etwa 40-köpfigen Auftaktrunde gelöst gewesen sein. "Es ist immer besser, miteinander als übereinander zu reden", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Wir alle haben ein großes Interesse an einer erfolgreichen Autoindustrie". Er betonte mit Blick auf die Antriebstechnologien der Zukunft: "Der Verbrenner liefert einen wesentlichen Beitrag dazu." Sowohl Diesel als auch Benziner der neuesten Generation seien in der Lage, die von der EU geforderten Grenzwerte auch auf der Straße einzuhalten.

Von der Politik erwartet sich Zetsche die Rahmenbedingungen, um den Wandel zu gestalten. Dabei gehe es um die Infrastruktur etwa in Form von Ladesäulen, aber auch um Bildung und Forschung. Insgesamt sieht Zetsche beim aber deutlich mehr Chancen als Risiken. "Ich sehe in erster Linie zusätzliche Möglichkeiten für unsere Kunden – und das schafft zusätzliche Chancen für uns als Hersteller." Die sieht auch Bosch-Chef Volkmar Denner: "Unser Anspruch muss es sein, auch Vorreiter bei der Mobilität der Zukunft zu sein." Technologieoffenheit sei dabei aber eine der Grundvoraussetzungen für Innovationen.

Nicht erwähnt blieb beim Auftakt zum Strategiedialog die Rolle des Bundes. "Als Autoland sehen wir die Dringlichkeit, aber wir müssen auch andere einbeziehen", sagte ein Sprecher des Staatsministeriums. So hatte Winfried Kretschmann bereits vor dem Strategiedialog Briefe an seine Amtskollegen in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen geschickt. Porsche-Finanzchef Lutz Meschke berichtet am Rand der Veranstaltung, wie schwierig der Aufbau des von den Herstellern angekündigten Schnellladenetzes für Elektrofahrzeuge ist. "Bei jeder Stromtankstelle sind eine Vielzahl an Ebenen beteiligt." Meschke fordert daher "verlässliche Rahmenbedingen". Nur über den Schulterschluss von Politik, Verbänden und Industrie sei die Planungssicherheit zu erhalten, die den dringend erforderlichen Wandel in Sachen Mobilität und Digitalisierung herbeiführen könne.

Zum Diesel musste Kretschmann dann auf Frage eines Journalisten doch noch Stellung beziehen. Hier sei man sich zumindest einig gewesen, möglichst schnell Klarheit um mögliche Nachrüstungen für Euro-5-Diesel schaffen zu wollen. Damit will das Land die für Stuttgart angedrohten Fahrverbote unter Umständen doch noch abwenden. "Die negativen Diskussionen um die Stadt und den Standort müssen bald beendet werden", forderte Kretschmann.

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