Wo Assessment Center noch sinnvoll sind

Der VW-Konzern ändert und vereinheitlicht sein internes Auswahlverfahren für Manager. Statt wie bisher Talentkreise und Assessmentcenter (AC) wird es künftig konzernweit einen Auswahlprozess über zwei bis vier Jahre geben. Die Premium-Tochter Audi wird das neue Verfahren als Erster einführen. „Wir sind Teil einer konzernweiten Initiative für Personalentwicklung im Management“, sagte Thomas Sigi, Personalvorstand von Audi der Automobilwoche. „Mit dem neuen Konzept wollen wir den Kulturwandel im Unternehmen unterstützen“, fügte der Personalchef hinzu.

„Bei Audi legen wir viel Wert darauf, den Arbeitskontext zu bewerten. Es geht uns darum, zu wissen, wie Mitarbeiter „On the Job“ agieren. Das neue, konzernweite Auswahlverfahren für das Management öffnet dafür einen besonderen Fokus“, erläutert eine Audi-Sprecherin den Grund für den neuen Ansatz.

Geht es um externe Einstellungen, gibt es natürlich keine Möglichkeit, die Entwicklung des Mitarbeiter über längere Zeiträume mitverfolgen zu können. „Deswegen stellt ein Assessment Center in diesem Bereich nach wie vor eine gute Möglichkeit dar, Führungskräfte in verschiedenen Situationen erleben zu können“, so die Sprecherin.

Dabei wähle man – auch bei Einstellung im Tarifbereich – je nach Lage das passende Verfahren: „Sind sich Fachbereich und Referat einig, einen ausreichenden und guten Eindruck vom Bewerber gewonnen zu haben, ist zwingend kein Assessment Center vor der Einstellung nötig.“

Diese Flexibilität bei den Auswahlverfahren gilt auch beim Konkurrenten in München: „Das Assessment Center ist für BMW eine Auswahlmethode, aber nicht die einzige“, sagt BMW-Recruiterin Martina Malec. Allerdings eine, von der man bei BMW überzeugt ist. Ein Assessment Center sei „aus wissenschaftlicher Sicht das valideste Auswahlinstrument – sofern es gut konstruiert ist und die Beobachter gut geschult sind. Kollegen aus den Fachbereichen berichten, dass Assessment Center zu deutlich besseren Einstellungsentscheidungen führen, als normale Interviews“, betont Malec.

Geht es um viele Stellen, etwa beim BMW-Nachwuchsprogramm oder bei der Einstellung von Auszubildenden, setzt der Premiumhersteller stets auf Assessment Center. Aber „wenn ein Fachbereich eine einzelne Stelle zu besetzen hat, stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, den Aufwand für ein Assessment Center zu betreiben. Erforderlich sind beispielsweise Übungen, die zum Fachbereich passen und das Anforderungsprofil abbilden und es müssen geschulte Beobachter anwesend sein. Das erfordert viel höheren Aufwand, als ein klassisches Interview“, erläutert Malec.

Auch bei Daimler sind Assessment Center ein bewährtes Instrument. „Bei der Kandidatensuche nutzen wir teilweise auch Assessment Center, beispielsweise wenn es um die Auswahl der dualen Hochschulstudenten geht“, erklärt Anna-Maria Karl. Die Leiterin Global Talent Sourcing bei Daimler fügt hinzu: „Es ist uns wichtig, dass wir einen Eindruck von der Persönlichkeit jedes Bewerbers bekommen und den Menschen hinter der Bewerbung kennenlernen. Bei einem Assessment Center können die Kandidaten ihre Stärken auf verschiedene Art und Weise unter Beweis stellen.“

Insgesamt sehe man im Assessment Center „ein valides Auswahlverfahren, das wir erfolgreich nutzen“. Daneben setze man aber auch auf weitere Formate, „bei denen wir uns bei der Zielgruppe vorstellen. Unsere Recruitingevents zum Beispiel haben immer einen speziellen Fokus“, in dessen Rahmen sich auch Daimler den Bewerbern vorstelle.

Dass Assessment Center auch nach jahrzehntelangem Einsatz nicht überholt sind, bestätigt Nils Benit. Er ist als Senior Scientist und Dozent am Institut für Psychologie der Universität Hildesheim tätig und verweist auf eine Metaanalyse, die gezeigt habe, dass „dass Intelligenztests gefolgt von strukturierten Interviews am besten Berufserfolg vorherzusagen vermögen. ACs lagen dort im guten Mittelfeld.“ Insbesondere bei komplexen Berufsbildern sieht Benit Intelligenztests im Vorteil.

Benit, der auch Geschäftsführer der personalpsychologischen Unternehmensberatung Benefit for Business ist, nennt als einen Vorteil der Assessment Center, dass sich damit verschiedenste Fähigkeiten der Bewerber beleuchten lassen und sie damit für Fachkräfte ohne Führungsaufgaben ebenso geeignet seien wie für die Führungskräfteauswahl: „Führungsverantwortung ist nur eine Kompetenz, die im Assessment Center erfasst werden kann. Fachkräfte ohne Führungsverantwortung benötigen beispielsweise Organisationsvermögen, Kommunikationsfähigkeit und andere Fähigkeiten. Auch diese Kompetenzen lassen sich gut im Assessment Center erfassen.“

Diese Flexibilität bedeutet allerdings auch, dass der Erfolg von Assessment Centern von Vorbereitung und Durchführung abhängt. „Grundvoraussetzung ist eine adäquate Anforderungsanalyse, um herauszustellen, welche Kompetenzen für eine zu besetzende Stelle notwendig sind“, betont Benit. Dann müssen diese Kompetenzen operationalisiert werden; also in Verhaltensbegriffe übersetzt werden. Außerdem, so erläutert der Psychologe, „müssen die Beobachter professionell geschult werden. Dank der DIN 33430 existiert ein Anforderungskatalog über notwendige Qualifikationen für Personen, die ein AC verantworten. Das AC ist ein personalpsychologisches Arbeitsfeld. Daher sind viele notwendige Kompetenzen psychologisch-diagnostischer Art.“

Die Bedeutung der Vorbereitungsarbeit unterstreicht auch BMW-Recruiterin Malec: „Die Ausbildung der am AC Beteiligten bedeutet einen nicht unerheblichen Aufwand. Allein im vergangenen Jahr habe ich beispielsweise in ganz Deutschland 42 Beobachterschulungen durchgeführt.“ Beispielsweise müssten die Beteiligten „lernen, Voreingenommenheiten abzulegen und sich nicht von Wahrnehmungsverzerrungen beeinflussen zu lassen“.

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