Hamburg. Der heutige Dienstag wird in die Chronik der VW-Dekade eingehen. Als jener Tag, an dem Martin Winterkorn, der Vorstandsvorsitzende, die Suche nach (s)einem Nachfolger für das höchste Führungsamt des Wolfsburger Zwölfmarkenkonzerns auch offiziell eröffnet hat. Gewiss, der Noch-BMW-Manager Herbert Diess wird, zunächst zumindest, "nur" Chef der Kernmarke Volkswagen Pkw, und bis zu seinem Einstieg bei dem Volumen-Label geht auch noch immerhin ein dreiviertel Jahr ins Land. Doch Diess wird ab Oktober 2015 eben auch dem VW-Konzernvorstand angehören, dem operativ mächtigsten Gremium der Niedersachsen. Und von dort aus ist es – auch wenn Winterkorn bei seinem perspektivisch absehbaren Um- und Aufstieg an die Spitze des VW-Aufsichtsrats eines Tages sehr große Fußstapfen hinterlassen wird – eben nur noch ein kleiner Schritt zum Primus inter Pares.
Dies weiß nicht nur Diess. Auch Andreas Renschler, der designierte Nutzfahrzeugvorstand des VW-Konzerns, darf Hoffnungen hegen, als großer Vorsitzender auf Winterkorn zu folgen. Der ganz große Vorsitzende, VW-Aufsichtsratspräsident Ferdinand Piech, wird daran seine helle Freude haben. Immer schon hat sich der VW-Patriarch gern dazu bekannt, gezielt, bewusst, mit klarem Kalkül mehrere gute Pferde gegeneinander ins Rennen zu schicken. Diess und Renschler, beide Vollblut-Techniker und somit Männer nach dem Herzen von Piech wie Winterkorn, haben jeweils schwieriges Geläuf vor sich. Der eine muss die Hauptmarke auf höhere Renditen trimmen, Werks- und Vertriebsstrukturen entschlacken, und die Präsenz auf Wachstumsmärkten wie den ASEAN-Staaten endlich nachhaltig stärken. Der andere hat durable Ressortmauern zwischen Scania und MAN zu schleifen, ein Baukastensystem nicht nur bei der Marke VW Nutzfahrzeuge zu forcieren und dringlichst bezahlbare "Brummis" für Schwellenländer anzuschieben – Volkslastkraftwagen, sozusagen.Dass mit Diess und Renschler zwei Top-Kräfte von jenseits der VW-Werkszäune eingekauft wurden, erinnert zum einen an die bewährte Transferkonzeption des Fußball-Bundesligisten Bayern München. Der serielle Spitzenreiter verstärkt sich seit jeher mit diebischem Vergnügen durch Leistungsträger der Konkurrenz, die dadurch nebenbei geschwächt wird. Zum anderen zeigt es, dass selbst in einem Unternehmen – wie VW – mit weit mehr als einer halben Million Beschäftigten die eigenen "High potentials" nicht für alle Aufgaben in Betracht kommen; der Goldfischteich des Nachbarn ist bisweilen attraktiver als das Zierbecken im eigenen Garten.