Wie viel Kunden für digitale Dienste zahlen würden

München. Die Investitionen der deutschen Autohersteller in Connectivity-Lösungen scheinen sich zu lohnen: 73 Prozent der Kunden in Deutschland kennen heute Angebote für digitale Dienste wie BMW Connect, Mercedes me connect oder myAudi. Dies ist ein Anstieg von 16 Prozent gegenüber 2015.

Diese positive Entwicklung zeigt der aktuelle „Car Connectivity Compass“, der regelmäßig von den Münchner Strategieberatungen Berylls Strategy Advisors und mm customer strategy ermittelt wird und auf einer umfassenden Onlinebefragung von mehr als 2000 Neuwageninteressenten mit Kaufabsicht in Deutschland und China basiert.Im Vergleich mit dem deutschen Markt sind Connectivity-Angebote in China sogar 85 Prozent der Befragten bekannt – ein Plus von neun Prozent gegenüber 2014. Dabei sprechen die Kunden beider Länder den deutschen OEMs mit Abstand die höchste Kompetenz zu.

Abgefragt wurden bei der Untersuchung insgesamt acht Connectivity-Dienstbündel in den Kategorien

• Sicherheit (Notfallmeldung, Diebstahl-Ortung, Geo Fencing)
• Navigation (Echtzeit-Verkehrsmeldungen, Kartenaktualisierung, Parkplatzsuche)
• Wartung/Reparatur (Ferndiagnose, Reparaturprognose, Terminerinnerung)
• Routen/Reisen (Routenplanung, Ortsinfos, Autofinder)
• Komfort (Fahrzeugeinstellungen, Datenübermittlung auf Smartphone oder PC)
• Kommunikation (Sprachsteuerung, Diktier-/Vorlesefunktion, Zugriff auf E-Mails, Kalender, SMS)
• Unterhaltung (Mediensynchronisation, Zugriff auf Soziale Netzwerke, Webradio)
• Fahrtenbuch (Zeitbedarfsauswertung, Softwaresynchronisation, Unterscheidung geschäftlich und privat)

Wie schon in den Vorjahren sind weitaus die meisten Kunden sowohl in Deutschland (80 Prozent) als auch in China (97 Prozent) grundsätzlich bereit, für die Nutzung digitaler Dienste zu bezahlen. Weitere 19 Prozent in Deutschland und drei Prozent in China haben Interesse an solchen Angeboten, möchten dafür aber nicht in die Tasche greifen.

„Dabei ist die Zahlungsbereitschaft bei Einmalzahlung für eine dreijährige Verfügbarkeit in China mit 270 Euro pro Jahr deutlich geringer als in Deutschland mit 400 Euro“, erläutern Markus Müller-Martini von mm customer Strategy und Jan Burgard von Berylls. „Bei monatlicher Zahlung liegt die Zahlungsbereitschaft deutlich höher ohne wesentliche Unterschiede in beiden Ländern.“

Kunden haben sich anscheinend an flexible Bezahlmodelle gewöhnt, die sie von anderen digitalen Angeboten (z.B. Spotify, Netflix) kennen. Hier wie dort ist eine Zahlungsbereitschaft insbesondere für fahrzeugnahe Dienste in den Bereichen Sicherheit, Navigation oder Wartung/Reparatur vorhanden. Für Dienste ohne konkreten Fahrzeug-Bezug wie etwa Unterhaltung und Kommunikation besteht dagegen eine geringe Zahlungsbereitschaft.

Dieses Ergebnis dürfte niemanden sonderlich verwundern. Fahrzeugnahe Dienste benötigen in der Regel auch Daten, die unmittelbar im Auto erhoben werden, externe Anbieter können hier also kaum in Konkurrenz zu OEM-Angeboten treten. Bei den anderen Diensten wie zum Beispiel Musik-Streaming haben sich viele Kunden bereits für Smartphone-Applikationen entschieden. Damit besteht kaum noch ein Anreiz, für zusätzliche Angebote ihres Autoherstellers zu bezahlen.

Der Kaufbereitschaft entsprechend messen die Kunden den einzelnen Kategorien auch unterschiedliche Bedeutung bei: Sicherheits- und Navigationsdienste stehen in beiden Ländern in Sachen Relevanz ganz hoch im Kurs, Unterhaltungs- und Fahrtenbuchangebote relativ niedrig.

Dabei halten in Deutschland 63 Prozent der Befragten ihren Kenntnisstand über die einzelnen Angebote für „gut“ oder zumindest „okay“– in China sind es 86 Prozent. Doch kennen heißt noch längst nicht gebrauchen: 70 Prozent der deutschen Kunden geben an, keine Connectivity-Angebote im Fahrzeug zu nutzen. Wenn Dienste genutzt werden, dann in erster Linie Navigations- und Routen-Dienste, gefolgt von Sicherheits- und Komfortangeboten. Anders in China: Hier greifen immerhin fast 75 Prozent der Kunden auf Connectivity-Angebote – meist auf Navigations- und Sicherheitsdienste – zurück.

Das Thema Datenschutz hatte bereits in den Befragungen der letzten Jahre große Relevanz und hat in Deutschland weiter an Bedeutung gewonnen. „Nur noch 31 Prozent der Kunden würden auf jeden Fall zustimmen, dass OEMs ihre Daten anonymisiert weiterverarbeiten“ so Dr. Müller-Martini. „Dass über Smartphones ein Großteil der Daten wahrscheinlich sowieso über Dritte genutzt wird, scheint dabei keine Rolle zu spielen.“

Überraschend ist der starke Anstieg der Bedeutung des Datenschutzes in China. In den letzten Jahren waren die Befragten in China jeweils deutlich vertrauensvoller hinsichtlich der Datennutzung durch OEMs: mehr als die Hälfte der Befragten waren 2015 mit der Datennutzung durch Hersteller „auf jeden Fall einverstanden“. In 2016 hat sich dieser Wert auf 40 Prozent reduziert.

Wenn Kunden im Gegenzug für Daten vergünstigte Dienste angeboten werden, hat dies allerdings einen Einfluss auf die Nutzerbereitschaft: 56 Prozent der deutschen und 91 Prozent der chinesischen Befragten, die kein generelles Einverständnis zur Verarbeitung persönlicher Daten geben, würden ihre Meinung ändern und der Datenverarbeitung doch zustimmen, sollte es passende Vergünstigungen wie etwa Rabatte bei Werkstattbesuchen geben. „Für OEMs bietet sich hier die Gelegenheit, zusätzliche Umsätze mit Fahrzeug-Daten zu generieren, solange sie ihre Kunden an den Vorteilen teilhaben lassen. Das vom Smartphone bekannte Modell des ‚Zahlens mit Daten‘ kann sich auch im Auto durchsetzen“, sagt Jan Burgard von Berylls.

Zusammenfassend folgern die Studienautoren, dass Car Connectivity für OEMs viele Chancen bietet, zusätzliche Umsatz- und Erlöspotenziale zu heben. Den Herstellern fehle es aber noch an Fantasie und Geschwindigkeit, um wirklich mehrwertige Dienste zu entwickeln und in kurzer Zeit und hoher Qualität auf den Markt zu bringen. Laut Dr. Burgard „unterscheiden sich die Dienste-Portfolios der wesentlichen OEMs heute kaum, echte Differenzierung findet nicht statt“. Auch Umsatzpotenziale durch den Einbezug externer Partner werden heute kaum adressiert, etwa durch den Verkauf von anonymisierten Fahrzeug-Daten in Zeiten immer bedeutsamer „Data Assets“. Es seien Angebote dieser Art, die erhebliches Potenzial für die Zukunft bergen. Denn Endkunden müssten hier zwar die notwendige Technologie im Fahrzeug installiert haben, es seit jedoch nicht zwingend erforderlich vom Kauf eines „Dienstes“ überzeugt zu werden.