Im Abgas-Skandal hatte sich Daimler lange Zeit in Sicherheit gewähnt. "Wir halten uns grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und haben keinerlei Manipulationen an unseren Fahrzeugen vorgenommen", sagte KonzernchefDieter Zetscheim September 2015 –kurz nach dem Bekanntwerden des Abgas-Betrugs bei Volkswagen. Doch jetzt wird es auch für die Stuttgarter immer ungemütlicher. In dieser Woche berichteten "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR, dass der Autobauer viel stärker in die Diesel-Affäre verstrickt sein soll als bislang bekannt. Daimler wehrt sich gegen den Vorwurf und droht sogar mit rechtlichen Schritten.
Die Daimler-Aktie geriet in Folge des Berichts unter Druck. Schon am Mittwochabend verlor sie 2,5 Prozent nachbörslich. Der Konzern hatte in seinem jüngsten Quartalsbericht bereits vor möglichen Konsequenzen der Ermittlungen gewarnt: Im Falle eines "nachteiligen Ausgangs dieser Ermittlungen" würden demnach empfindliche Geldstrafen drohen, auch sonstige Sanktionen oder Rückrufaktionen könnten folgen. In den USA liegen gegen den Autobauer bereits Schadenersatz-Klagen von Käufern betroffener Diesel-Modelle vor.
Bereits im April 2016 forderte das US-Justizministerium (Departement of Justice) von Daimler alle Unterlagen über den Zertifizierungsprozess von Dieselmotoren an. Außerdem hat die Behörde bereits zahlreiche Daimler-Mitarbeiter vernommen.
Wie das "Handelsblatt" berichtet, sollen sich die Amerikaner zudem auf die Aussagen des Zulieferers Bosch stützen, der angeblich seinen E-Mail-Verkehr mit seinen Kunden offengelegt hat. Bosch ist der Lieferant der Software EDC-17 (Electronic Diesel Control), die für die Programmierung der fraglichen Dieselmotoren verwendet wird. "Auf alle Informationen, die an das US-Justizministerium gehen, habe wiederum die Staatsanwaltschaft Stuttgart Zugriff, wird das Procedere in der Daimler-Zentrale beschrieben", schreibt das Blatt.
Konkret soll es um Autos und Kleintransporter mit den Sechs- und VierzylindermotorenOM642und OM651gehen. Bei Modellen mit diesen Motoren habe sich die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand der Behörden eingeschaltet, wohingegen sie im realen Straßenbetrieb weitgehend ausgeschaltet gewesen sein soll.
Verbaut wurde der OM 642 laut "Süddeutscher Zeitung" unter anderem ab 2005 in der C- und E-Klasse, später in verschiedenen Leistungsstufen aber auch in SUV der M-, R-, GLK- und GL-Klasse, der S-Klasse, der G-Klasse-Offroader sowie in den Coupés CLK und CLS, in den Vans Vito und Viano und im Transporter "Sprinter". Heute ist OM 642 in Modellreihen verbaut, die "350 d" im Namen tragen - also fast alle oberhalb der C-Klasse.
Der Vierzylinder-Turbodiesel OM 651 wurde in nahezu allen Baureihen zumindest zeitweise angeboten: A-, B-, CLA- und GLA-Klasse, SLK-Roadster, die C-, E- und S-Klasse sowie Vito, V-Klasse und Sprinter. Aktuell ist er noch in kleineren Modellen als 220 d, ab der C-Klasse als 250 d. Außerdem kombiniert ihn die Marke in manchen Reihen mit E-Maschinen zu Hybridantrieben, etwa im C 300 h.