Das bundesweit erste Streckenradar ist laut Verwaltungsgericht Hannover unrechtmäßig in Betrieb und muss sofort abgeschaltet werden. Als Reaktion auf die Gerichtsentscheidung kündigt das Innenministerium an, die Anlage an der Bundesstraße 6 bei Laatzen unverzüglich außer Betrieb zu nehmen. Der Testbetrieb hatte vor zwei Monaten begonnen.
Wie funktioniert das Streckenradar?
Die auch als Section Control bezeichnete Radaranlage erfasst die Geschwindigkeit nicht an einer Stelle. Stattdessen ermittelt sie das Durchschnittstempo auf einem längeren zumeist unfallträchtigen Abschnitt, wo Autofahrer vom Gas gehen sollen. Die erfassten Daten von Fahrzeugen, die sich an das Tempolimit halten, werden sofort gelöscht. In Nachbarländern wie Belgien, Österreich und den Niederlanden wird Section Control bereits seit Jahren erfolgreich verwendet.
Wo sah der Kläger das Problem?
Auch wenn die Daten der regeltreuen Fahrer sofort gelöscht werden, sah der Kläger bereits in dem verschlüsselten Zwischenspeichern der Kennzeichen aller passierenden Wagen einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Bürger.
Er verwies auf das Karlsruher Urteil zum automatischen Abgleich von Nummernschildern sämtlicher vorbeifahrender Wagen mit Fahndungsdaten durch die Polizei. Dieser sei zum Teil verfassungswidrig, so das Gericht. Im Großen und Ganzen können die Vorschriften trotzdem erst einmal in Kraft bleiben – sie müssen allerdings bis spätestens Ende 2019 nachgebessert werden.
Was meint das Innenministerium?
Das Innenministerium in Hannover hält den Probebetrieb der Radaranlage für rechtmäßig. Das neue Niedersächsische Polizei- und Ordnungsgesetz (NPOG), das im Mai beschlossen werden soll, werde eine Rechtsgrundlage für einen dauerhaften Betrieb des Radars nach der Erprobungsphase liefern.
Wie viele "Raser" wurden eigentlich bereits vom Streckenradar ertappt?
Überwacht wird ein 2,2 Kilometer langer Abschnitt, den 15.500 Autos täglich passieren und auf dem es in der Vergangenheit schwere Unfälle gab. Seit dem Start des Probebetriebs wurden 141 Raser erwischt. Erlaubt sind Tempo 100, der Schnellste rauschte mit Tempo 189 durch den Kontrollabschnitt.
Erhalten ertappte Autofahrer jetzt ihr Bußgeld zurückerstattet?
Nein. Wenn Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid keine Beschwerde eingelegt haben und die Strafe überwiesen haben, ist der Vorgang abgeschlossen.
Was sind die Erfahrungen in Belgien, wo das Streckenradar bereits seit langem genutzt wird?
Im flämischen Teil Belgiens haben Untersuchungen ergeben, dass auf Abschnitten mit Streckenradar die Zahl der Temposünder sinkt. Die Zahl der Unfälle sinke auch vor und nach dem überwachten Bereich. Neben fest installierten Abschnittskontrollen gibt es in Belgien auch mobile Abschnittskontrollen, etwa an Baustellen. (dpa)