Hamburg. Der Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns, Martin Winterkorn, hat auch die diesjährige IAA für ausgiebige Konkurrenzstudien genutzt. Am zweiten Pressetag (11. 9.) der Branchenschau in Frankfurt am Main eilte der Topmanager mit einer vielköpfigen Entourage aus hochrangigen Führungskräften und Sicherheitsbeauftragten mit niedriger Reizschwelle durch die wichtigsten Ausstellungshallen. Im Schlepp des betont dynamisch mit schwarzweißen Sportschuhen ausstaffierten VW-Teamleiters befanden sich zudem einige Schreiberlinge in zwar zwiegenähten Budapestern – Obermaterial zum Teil echt Leder – , deren vergleichsweise breite und gerade Leisten jedoch für die stark beschleunigte Fortbewegung ŕ la Winterkorn einfach nicht geschaffen sind.
Zu den ersten Stationen des VW-Lenkers gehörte der Stand der Daimler-Premiummarke Mercedes-Benz. Hier traf Winterkorn im Beisein von Audi-Chefentwickler Ulrich Hackenberg und Porsche-Markenchef Matthias Müller auf Daimler-Forschungsvorstand Thomas Weber. Nach dessen Impulsreferat zu den IAA-Highlights der Schwaben nahm der VW-Vormann mit sichtlichem Interesse unter anderem den aus technischen Gründen recht kleinen Kofferraum eines S-Klasse-Exponats mit Plug-in-Hybridantrieb und entsprechendem Batterie-Ballast in Augenschein. "Das eingeschränkte Platzangebot im Heck ist ein Haken an der Sache", tuschelte direkt neben Winterkorn der Vorstandschef einer VW-Marke, der den Autoren dieser Zeilen – einen buchstäblich verständnisvollen Ohrenzeugen – sogleich ausdrücklich um strikte Anonymität bat.VW-Konzernchef gibt Korea-Tipps
Im Anschluss an die knappe Stern-Viertelstunde machte sich der VW-Tross schnellen Schrittes auf den Weg an die frische Luft. Vor der Frankfurter Daimler-Festhalle traf zeitgleich eine Wagenkolonne aus luxuriösen T-5-Kleinbussen und gediegenen Phaeton-Limousinen mit norddeutschen Kennzeichen ein, die ob der tiefschwarzen Lackierungen der Shuttle-Fahrzeuge und der angespannten Mienen ihrer Chauffeure entfernt an einen Protestzug des Bundesverbands Deutscher Bestatter e. V. gemahnte. Nach seinem kurzen Pkw-Transfer zur Halle 6 steuerte Winterkorn nebst Gefolge zielstrebig das Präsentationsareal von Hyundai an. Dem "Großen Vorsitzenden" dicht auf den Fersen, in einer Sparversion des VW Golf VII aus der Nachhut – so mancher Medienmensch mit schmerzenden Füßen in allzu klobigem Schuhwerk.
Auf dem Messebau des südkoreanischen VW-Rivalen hieß Markus Schrick, deutscher Landesfürst der Asiaten, die Überraschungsgäste aus Wolfsburg willkommen. Und zwar wirklich von ganzem Herzen, wie man vermuten darf. Denn schon auf der IAA vor zwei Jahren hatte Winterkorn dem Wettbewerber aus Fernost beim Probesitzen im Kompaktauto i30 mit seinem konzisen Kult-Kommentar "Da scheppert nix" in der Art eines versierten Werbetexters weltweit beträchtliche Aufmerksamkeit beschert. Der damals vom VW-Kapitän mit ruppigem Kommando herbeizitierte VW-Designer Klaus Bischoff fürchtete nun schon augenzwinkernd ein "Geschepper 2.0" – kam 2013 allerdings allem Anschein nach glimpflich davon.Umso dringenderen Gesprächsbedarf verspürte der VW-Vorstandsvorsitzende diesmal gegenüber Hubert Waltl: Ein knappes Kopfnicken von Martin Winterkorn – und schon strich der Produktionsvorstand der Marke Volkswagen Pkw mit den Fingern so ausgiebig wie akribisch über Schweißnähte und Fügepunkte des neuen Hyundai-Kleinwagens i10. Um den Befund der beiden Rohbau-Analysten mitzuhören, rückten ihnen einige Journalisten von Berufs wegen dicht auf die dunklen Maßanzüge – wurden von den gestrengen VW-Security-Agents allerdings umgehend zurückgepfiffen.
So leider auch bei Winterkorns "Sondersitzung" auf der engen Rückbank des i10. Mithin müssen deren erste Ergebnisse, die er noch vor Ort Winfried Vahland anvertraute – dem Markenchef der tschechischen VW-Volumenmarke Skoda, die heftig mit dem Hyundai-Label Kia konkurriert – , wie die sagenumwobenen Qumran-Rollen fortan als allenfalls in Fragmenten überliefert gelten. Brandaktuelle Korea-Tipps, die Winterkorn den Führungskräften des europäischen Marktführers VW erteilt, sind eben nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt. Komplett sicher – da mit dem Verfasser-eigenen Augenpaar ausgemacht – ist, dass mindestens einem der gestrengen VW-Granden am IAA-i10 ein überaus nachlässig lackierter Fensterrahmen an der hinteren linken Tür keinesfalls entging. Und das an einem der Messe-Mobile, die Hersteller üblicherweise intern doppelt und dreifach checken, bevor sie ins rechte Licht gerückt werden. "Wie mag dies wohl dann erst in der Großserie werden?", murmelte einer der externen Prüfer. Fazit: Da scheppert zwar noch immer nix. Doch hier nun ist wohl der Lack bald ab.PS: Liebe Dienstleister aus der Hyundai-Nachsorge, auch von den Gestaden der Elbe ein Korea-Tipp – besagtes "Fahrzeug mit geringen Mängeln" ist der bronzeorangefarbene i10; Lackstifte und Arbeitshandschuhe sind mitzubringen.