Als er vor 50 Jahren kam, hat er die Mittelklasse im Sturm erobert. Doch die Konkurrenz der Konzernschwester Skoda und aus Korea, die scheinbar ewige Welle der SUV und jetzt auch noch die elektrische Revolution - mittlerweile bläst dem VW Passat eine steife Brise ins Gesicht. Doch VW lässt sich davon nicht entmutigen und gönnt seinem Flaggschiff zum runden Geburtstag noch einen Generationswechsel. Zwar läuft sich mit dem ID7 bereits der elektrische Cousin und mögliche Nachfolger warm, doch feiert auf der IAA in München in diesen Tagen der Passat Nummer 9 seine Premiere und geht im Frühjahr 2024 nicht nur runderneuert, sondern von Grund auf neu konstruiert in ein Rennen, in dem er künftig immer weniger Wettbewerber hat. Denn weder baut Ford noch einen Mondeo, noch hat Opel weiterhin einen Insignia im Programm.
Weil der Passat unter allen Dauerbrennern aus Wolfsburg der beständigste ist und seine Kunden wahrscheinlich am wenigsten Experimentierfreude haben, bemühen die Niedersachsen beim Generationswechsel die alten Tugenden und setzen lieber auf Bewährtes als bemüht Modernes: „Ja, wir haben verstanden“, lautet die Botschaft an all die verärgerten Golf- und ID.3-Fahrer der letzten Jahre und mit Blick auf den neuen Passat schicken sie trotzig ein „und jetzt glaubt uns bitte, dass wir es noch immer können“ hinterher.
Beständige Brise
Die neunte Generation des altehrwürdigen VW Passat kombiniert bewährte Tugenden mit neuer Technik - und sie zeigt, dass man manchmal auch mit einem Schritt zurück einen Fortschritt erzielen kann.

Von vorn wirkt der Passat sehr vertraut. Das dürfte Absicht sein, VW will die Kunden nicht verschrecken.
Wobei das mit dem „Wir“ so eine Sache ist. Denn diesmal hat Skoda die Entwicklungshoheit für das brave VW Flaggschiff und gibt mit dem Superb den Ton vor. Und das ist nicht die einzige Neuerung. Sondern statt aus Emden kommt der Passat jetzt aus Bratislava und die Limousine bleibt mit ihrem in der Regel nur einstelligen Verkaufsanteil beim Generationswechsel auf der Strecke – doch an seinem Wesen als geräumiger Dauerläufer für Familien und für Firmenkunden ändert sich nichts.
Im Gegenteil: Um seine Stellung als Raumwunder an der Grenze zur Oberliga zu behaupten, geht der Passat sogar noch einmal ein wenig aus dem Leim. Mit dem Umzug auf die Bodengruppe des Superb strecken sich der Radstand um fünf und die Länge um 14 Zentimeter, so dass im Fahrzeugschein nun stolze 4,92 Meter stehen. Davon profitieren die Hinterbänkler mit ein wenig mehr Kniefreiheit und vor allem die Lademeister mit deutlich mehr Kofferraum: Um 40 auf 690 Liter wächst der Stauraum hinter der Rückbank und wer die Sitze flach macht, kann hinter der elektrischen Klappe bis zu 1920 Liter laden.

Beim Bedienkonzept hat VW absichtlich einen Schritt zurück gemacht. Fahrer von VW-Elektroautos dürften neidisch sein.
Der Passat ist aber nicht nur größer geworden und entsprechend geräumiger. Sondern er ist auch reifer und ruhiger geworden: Das adaptive Fahrwerk regelt jetzt noch feinfühliger und schmatzt deshalb schadhaften Straßenbelag einfach weg, ohne deshalb gleich lustlos und entkoppelt zu wirken. Und weil die Designer kräftig am Luftwiderstand gefeilt haben und es jetzt erstmals Dämmglas reihum gibt, herrscht neuerdings eine himmlische Ruhe beim Reisen. Das hört sich der neue Passat dann fast schon nach einem Elektroauto an. Bis man im digitalen Display die Tankuhr findet und die Restreichweite: Mehr als 1100 Kilometer zeigt das Display und lässt ID-Fahrer vor Neid erblassen.
Und das ist nicht der einzige Grund, weshalb ID-Fahrer sehnsüchtig in den neuen Passat schauen werden. Sondern es ist auch das Bedienkonzept, bei dem VW bewusst einen Schritt zurück macht und damit endlich vorankommt. Selbstverständlich gibt es digitale Instrumente und über der Mittelkonsole thront der große Bildschirm aus dem ID.7. Doch darunter gibt es nun endlich eine beleuchtete Slider-Leiste und im Lenkrad wieder klassische Tasten. Da kann man den erst durch den Verzicht alle Handschalter möglichen Umzug des Getriebewählhebels neben den Blinker gut verkraften – zumal es dafür ja mehr Ablagen und eine große Ladeschale fürs Handy auf dem Mitteltunnel gibt.
Zwar ist der Passat eine Bastion für Bestandsfahrer, die sich der elektrischen Revolution verweigern. Doch so ganz ohne Fortschritt bei der Elektrifizierung geht es natürlich heute nicht mehr. Deshalb hat VW noch einmal an den Plug-In-Hybriden gearbeitet und auf Basis des 1,5-Liter-TSI-Motors gleich zwei Varianten mit 204 oder 272 PS konfiguriert, die beide zum Teil deutlich über 100 Kilometer nur mit Strom fahren. Dafür wurde der Akku von 12 auf 26 kWh vergrößert und zugleich das Laden optimiert: An der Wallbox zieht der Passat den Strom jetzt mit 11 kW und Schnellladen kann er ebenfalls - wenn auch nur mit 50 kW. Weiter muss sich der Bestseller nicht in die neue Welt wagen - schließlich hat er ja einen elektrischen Cousin. Denn wer voll unter Strom steht, dem verkauft VW den ID.7, der im Herbst als Limousine startet und im nächsten Jahr dann als Tourer zur elektrischen Passat-Alternative wird.

Für Fans des Plug-in-Hybridantriebs stehen zwei Antriebe mit 204 und 272 PS zur Wahl.
Deshalb verweisen die Entwickler um so stolzer auf ihre Verbrenner, die jetzt alle mild hybridisiert und optimiert sind und so zum Teil deutlich sparsamer werden. Und weil der Passat schließlich ein Auto für Vielfahrer ist, darf der Diesel hier noch einmal die Hauptrolle spielen: In gleich drei Varianten mit 150 bis 193 PS und natürlich auch mit Allrad. Daneben gibt es noch Benziner mit 150 bis 265 PS, von denen ebenfalls der stärkste als 4Motion angeboten wird.
Die Rückbesinnung auf die alten Werte machen sogar die Buchhalter mit. Ja, natürlich wird der Passat schon allein durch den Wegfall der Limousine etwas teurer. Doch abgesehen davon, vom besseren Inflationsausgleich und der üppigeren Ausstattung wollen sich die Niedersachsen selbst bei den Preisen am Vorgänger orientieren. Viel mehr als 42.000 Euro sollte der Passat Variant zum Markteinführung im ersten Quartal 2024 in der Einstiegsversion deshalb nicht kosten.
Aus dem Datencenter: