Hamburg. Es ist vollbracht: Volkswagen hat die nicht nur markenintern mit größter (An-)Spannung erwartete "Management Konferenz 2014" (MMK) absolviert. Das streng abgeriegelte Top-Event für die Führungskräfte des Wolfsburger Volumenlabels fand wie in den Vorjahren auf dem Messegelände der sächsischen Elbe-Stadt Dresden statt und stand unter der Leitlinie "Future Tracks: Mit Effizienz und Innovation in die Zukunft". Vor dem Hintergrund des ambitionierten Effizienzprogramms, das VW-Lenker Martin Winterkorn im Sommer dieses Jahres in groben Zügen annonciert hatte, erhofften die rund 2200 Teilnehmer vor allem Aufschluss über konkrete Maßnahmen in modellpolitischer, geostrategischer und informationstechnologischer Hinsicht. Völlig zu recht, wie sich zeigen sollte.
Die laut Ohrenzeugen meistbeachteten Beiträge waren neben Winterkorns einleitender "Standortbestimmung" sowie "Abschlussrede und Fahrzeugpräsentation" das Impulsreferat "Wie wir Innovations- und Effizienzweltmeister werden" von VW-Chefingenieur Heinz-Jakob Neußer und die Vortragsreihe "Nachhaltige Arealstrategien für starke Regionen", moderiert von VW-Vertriebsvorstand Christian Klingler, Amerika-Statthalter Michael Horn und China-Kenner Weiming Soh. Alle anderen VW-Konzernmarken von Audi bis Porsche waren jeweils durch Abgesandte vertreten; die designierten VW-Topmanager Andreas Renschler (von Daimler, ab Februar Konzernvorstand für Nutzfahrzeuge bei VW) und Herbert Diess (von BMW; ab Oktober Pkw-Chef bei Volkswagen und Mitglied des VW-Vorstands) hingegen durften in Dresden (noch) nicht aufscheinen.
Das gesamte Setting der Veranstaltung beschreiben Augenzeugen als "angemessen" und "frei von Firlefanz". So verzichteten die VW-Zeremonienmeister im "Elbflorenz" angesichts des alle Ressorts betreffenden Effizienzprogramms kostenhygienisch mustergültig auf eine so spektakuläre wie teure Fahrzeugausstellung, wie sie etwa von den Hauptversammlungen des Unternehmens in der norddeutschen Metropole Hamburg und der niedersächsischen Landeshaupstadt Hannover bekannt war respektive ist. "Auch der sonstige Messebau war keineswegs überkandidelt", so ein "MMK"-Gast. Bewusste Bescheidenheit überdies bei der (mehr oder weniger) festen Nahrung: Außer (dem Vernehmen nach leckerer) Linsensuppe mit Spätzle und Würstchen gab es schlichten Gemüseeintopf.
Stanze mit mir in den Morgen
In seiner Eingangsrede rüttelte VW-Vormann Winterkorn die Zuhörer mit einer Analogie zum Energieversorger Eon auf, der seine Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke und damit das langjährige Kerngeschäft abspalten will. VW sei zwar besser dran als dieser Konzern, der vom Markt zum Handeln gezwungen werde, jedoch gleichfalls mitnichten vor politischen und wirtschaftlichen Imponderabilien geschützt. Beispielhaft nannte Winterkorn die aktuellen Währungsprobleme wichtiger Staaten Südamerikas und in Russland. Doch der VW-Obere hatte auch Lob zu verteilen – und Erfolgsmeldungen parat: Der Konzern habe seit seiner Amtsübernahme 2007 von acht auf zwölf Marken zugelegt, von 330.000 auf nunmehr fast 590.000 Beschäftigte, von knapp 150 Modellen auf über 300, von 109 Milliarden Euro Jahresumsatz auf 197, und von weltweit 48 Werken auf deren 107. Allein die Marke VW steigerte die Auslieferungen in diesem Zeitraum von 3,7 Millionen auf sechs Millionen Autos, die Kopfzahl der Belegschaft von 196.000 auf 285.000 – und die Modellpalette von 48 auf 71 Typen.
Die "Kehrseite des Wachstums" (Winterkorn) sei aber inzwischen ebenso sichtbar geworden: "Wir haben an der einen oder anderen Stelle Speck angesetzt". Um nun wieder "schlanker und schneller" zu werden, solle das Dachprogramm "Future Tracks" quasi als Fitnessplan wirken. VW werde bei möglichen Einsparungen aber nicht nach der "Methode Rasenmäher" vorgehen, sondern "sachorientiert" agieren. Handlungsbedarf stehe dabei außer Frage. Zwar sei VW auf vielen Feldern der klare Technologieführer, doch habe selbst diese exponierte Position einstige Industrie-Ikonen wie Nokia, Kodak, Blackberry und Sony nicht vor einem dramatischen Bedeutungsverlust bewahren können.
Um VW ein ähnlich trübes Schicksal zu ersparen, müsse das Unternehmen unter anderem im indirekten Bereich entschlacken, hob VW-Chefkameralist Arno Antlitz hervor, der nach Winterkorn zu den Kollegen sprach. Einprägsamer und das Gemeinschaftsgefühl beschwörender Titel des Vortrags: "Unser Weg zu mehr Effizienz". Ausdrückliche Zustimmung erfuhr Finanzexperte Antlitz vom VW-Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh, der im Rahmen seines Auftritts Hunderte konkreter Verbesserungsvorschläge seitens der Arbeitnehmer in Erinnerung rief. Auch VW-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer bekannte sich im Rahmen seiner Ausführungen in Dresden zu einer Reduzierung der Komplexität in seinem Beritt mitsamt einer nachhaltigen Steigerung der Effizienz. Produktionschef Thomas Ulbrich wiederum räumte ein, dass VW in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe äußerst anspruchsvoller Produktanläufe zu bewältigen gehabt habe, mit komplizierten Einzelaufgaben vom Stanzen bis zum Schweißen. Und Ulbrich mahnte, bestehende Teamstrukturen inskünftig nicht zu stark zu verwirbeln, etwa beim Einsatz von Leiharbeitern oder der Abstellung von Facharbeitern für Spezialaufgaben.
Ein Chip wird kommen
Zu effektiverem Wirtschaften gehört auch die bessere Durchdringung etablierter Märkte, legte VW-Vertriebsvorstand Christian Klingler dar, oder die Erschließung neuer Absatzregionen. Ein Power-Player sei VW in Europa und China, und diese starke Stellung gelte es nach Kräften zu halten. Erhebliche Potenziale seien darüber hinaus aber noch in Südamerika, den USA und im ASEAN-Raum zu heben. Dort könne VW insbesondere mit überlegenen Produkten, einer strahlenden Marke und ausgeklügeltem Händlerservice punkten. Auf dem strukturell gesunden US-Markt gebe etwa das geplante B-SUV von Volkswagen Anlass zu den schönsten Hoffnungen.
Mit einer eindrucksvollen Demonstration innovativer Technologien aus dem Konzepte-Cluster "Industrie 4.0" lenkte der scheidende Komponenten-Vorstand Werner Neubauer das Interesse der Führungskräfte auf modernste Mensch-Maschine-Schnittstellen. Nachdem der große Manager einen kleinen Roboter gewissermaßen kurz an die Hand genommen hatte, war der Papp-, Plastik- und Edelstahlkamerad ob seiner künstlichen Intelligenz schnell in der Lage, eigenhändig die eben erst angelernten Schriftzeichen in sinnvoller Anordnung auf Schreibpapier zu hinterlassen. In diesem Kontext appellierte Neubauer an VW, mögliche Sorgen von Mitarbeitern aus Fleisch und Blut vor der Zusammenarbeit mit derlei "Chip-Schichtarbeitern" ernstzunehmen und behutsam argumentativ zu zerstreuen. Denn absehbar werde auch im Wolfsburger Mehrmarkenreich der Bedarf an Beschäftigten steigen, die sich rundum auf den Umgang mit Human-Machine-Interfaces ("HMI") verstehen.
Als Defilee der Dresdner Darbietungen gab es einen Debütantinnenball auf vier Rädern: Die Modelle des nächsten Jahrgangs rollten VW-intern ins Rampenlicht, darunter die kommenden Auflagen des Bestsellers Tiguan, von Touran, CC und Phaeton sowie des leichten Nutzfahrzeugs Crafter. Auch besagtes B-SUV für die Neue Welt war im Serientrimm zu sehen. Fazit eines Anwesenden: "Gefahr erkannt, Gefahr hoffentlich bald gebannt". Die VW-Spitze um Martin Winterkorn habe anstehende Herausforderungen unmissverständlich benannt und entsprechende Handlungsoptionen aufgezeigt. "Wir warten nicht, bis wir verändert werden", bringt es ein VW-Mensch auf den Punkt. "Wir verändern selbst".
Es ist soweit, "Twitter-Welt", auch Kroghs Henning tut nun mit. Dies ist der erste #Tweet meines Lebens. Was sagt Ihr jetzt, liebe Leute?
— Henning Krogh (@Henning_Krogh) 16. Dezember 2014