Telekom rangiert Diesel-Dienstwagen aus

Kommt die Verkehrswende am Ende nicht durch den privaten Nutzer, sondern durch die großen Flottenbetreiber? Wer mit Olga Nevska spricht, wird unweigerlich zu dieser Einschätzung gelangen.

Die 44-Jährige ist seit 2019 Chefin von Telekom MobilitySolutions und damit der zweitgrößten Unternehmensflotte in Deutschland. 23.000 Fahrzeuge umfasst die Telekom-Flotte in Deutschland insgesamt, davon sind rund 6000 Dienstwagen für Mitarbeiter, die ein so genanntes „user-chooser“-Fahrzeug fahren können.

Diese Mitarbeiter müssen seit dem 1. Januar „umparken im Kopf“ – denn seit Jahresbeginn kauft Nevska nur noch rein elektrische Dienstwagen ein, wenn ein Bestandsfahrzeug abgelöst wird. Die drastische Maßnahme ist ein Paukenschlag im Flottenmangement. Bislang hat sich noch kein großes Unternehmen getraut, ihren Dienstwagenfahrern den geliebten Diesel wegzunehmen.

„Es hat noch keiner unserer neuen E-Fahrer den alten Diesel zurückgefordert“, fasst Nevska das Stimmungsbild zusammen. Immerhin hätten sich bislang schon 40 Prozent der berechtigten Dienstwagenfahrer bei einer Neubestellung freiwillig für einen Stromer entschieden – auch getrieben durch die steuerliche Bevorzugung des elektrischen Dienstwagens.

Die Telekom-Managerin sieht die Entscheidung zur rein elektrischen Dienstwagenflotte aber nur als ersten Schritt auf dem Weg zu einer „Zero Emission“-Flottenpolitik: „Wir wollen mittelfristig unsere gesamte Flotte elektrifizieren und wo möglich rein elektrisch umstellen.“

Angefangen wird mit dieser Strategie in Deutschland, doch am Ende dieser Reise werde die Umstellung der gesamten Fahrzeugflotte weltweit stehen, betont sie. „Wir werden nach und nach auch alle unsere Servicefahrzeuge rein elektrisch betreiben können.“ Bislang sei es aber unumgänglich, für den Großteil der rund 14.000 Servicefahrzeuge im Unternehmen auf Dieselmodelle zurückzugreifen.
 

Plug-in-Hybride haben dabei für Nevska und die Telekom keine Zukunft mehr. „Diese Fahrzeuge sind zwar bei vielen Dienstwagenfahrern beliebt, aber wir haben in einem Pilotverfahren ermittelt, dass Benzin-Hybridfahrzeuge fast immer deutlich mehr im real life verbrauchen als im in den Angaben der Hersteller. Auf der Autobahn verbrauchen etliche Benzin-Hybride mehr als 16 Liter Sprit auf 100 Kilometer und das ist nicht mehr zeitgemäß.“

Diesel-Hybride böten zwar bessere Verbrauchswerte, doch es gebe aktuell nur noch einen Hersteller, der diese Technologie anbiete.

Auch Wasserstoff-Fahrzeuge kämen für die Telekom im Prinzip in Frage, wegen der hohen Preise, der geringen Modellauswahl und dem unzureichenden Tankstellennetz habe man bislang aber lediglich ein einziges Fahrzeug im Bestand. „Brennstoffzellenfahrzeuge sind für uns die richtige Technologie, aber sie sind preislich noch nicht reif für einen größeren Markt.“
 

Damit die umweltfreundliche Wende in diesem in Deutschland so wichtigen Segment der Gewerbeflotte gelinge, müsse die Autoindustrie ihr Angebot noch gehörig verbessern, meint Nevska. „Ich vermisse elektrische Pkw mit einem ordentlichen Kofferraum, der für die Ausrüstung im Service reicht. Und ich vermisse elektrische Lieferwagen im 1-Tonnen-Segment und darüber, die eine Mindestreichweite von 350 Kilometern haben.“

Nicht zufrieden ist Nevska auch mit der Lieferfähigkeit zahlreicher Marken, insbesondere der bei Dienstwagenfahrern beliebten deutschen Premiummarken. „Wir nehmen inzwischen alle Modelle aus dem Angebot raus, die mehr als zwölf Monate Lieferzeit haben. Das würde sonst unsere gesamte Planung zunichte machen.“
 

Ein weiteres Problem stelle die Preispolitik dar. „Wir haben schon mehrfach Fälle gesehen, bei denen ein Fahrzeug zunächst bei einem Preis unterhalb des förderfähigen Bruttobetrages von 60.000 Euro bestellt wurde, dann kamen Lieferverzögerungen und Preissteigerungen, die das Fahrzeug über diese Schwelle gebracht haben. Auch das ist im Flottenmanagement sehr ärgerlich.“ Sie rate deshalb inzwischen allen Dienstwagen-Berechtigten, bei der Bestellung eines Modells deutlich unterhalb von 60.000 Euro zu bleiben, um bei Preissteigerungen noch Puffer nach oben zu haben.

Unnötig komplex und unübersichtlich seien auch viele Konfiguratoren. „Wir denken, der Trend sollte zu kompletten Paketen gehen. Die Chinesen zeigen jetzt, dass das gut funktionieren kann und das Leben bei allen Beteiligten erleichtert.“
 

Zum Thema China-Autos hatte Nevska bislang eine klare Meinung: Kommen nicht in Frage, weil sie kein vernünftiges Service-Netz aufweisen. „Wir nehmen keine Exoten mit einem dürftigen Werkstatt-Netz in die Flotte auf, weil das zahlreiche Probleme im Servicemanagement nach sich zieht. Zuverlässigkeit steht hier für uns an erster Stelle.“

Dies ändere sich aber gegenwärtig bei einigen chinesischen Marken, gibt sie zu bedenken. Zunächst erklärte die Managerin dazu gegenüber der Automobilwoche, 20223 werde die Telekom als erste chinesische Marke auch MG in die user-chooser-Auswahl einbeziehen. Nach Erscheinen des Beitrages präzisierte sie, mögliche Optionen würden zurzeit geprüft.

Trotz des klaren Bekenntnisses zum E-Auto kann auch die Telekom ein Problem nicht lösen, das in den nächsten Jahren noch drängender werden dürfte: Die mangelnde Lade-Infrastruktur und ein häufig kompliziertes Lade- und Bezahl-Management sorgen bei E-Fahrern für häufigen Frust. „Ohne eine deutschlandweite Ladeinfrastruktr, transparente Preispolitik und digitale Lösungen, die das Finden von freien und funktionierenden Ladepunkten erleichtere, wird die Wende zum E-Auto im Flottenbereich nicht gelingen“, mahnt Nevska.

Zwar hätten die meisten Hersteller inzwischen eigene Navigations-Lösungen für ihre E-Modelle im Angebot, doch das sei für einen Flottenbetreiber mit dutzenden Marken im Bestand nicht optimal. „Smart Routing ist ein sehr großer Hebel für effizientes Fahren mit dem E-Auto. Dabei zählt in Zeiten mit stark steigenden Strompreisen auch die Transparenz bei den Preisen an den Ladepunkten.“

An größeren Standorten baue die Telekom auch eigene Ladeparks auf, um den wachsenden Bestand an Stromern versorgen zu können.
 

Neben den individuellen Fahrzeugen für einzelne Fahrer setzt die frühere Beraterin bei Roland Berger im Bereich Mitarbeitermobilität auch immer stärker auf vernetzte und geteilte Mobilitätslösungen. Dazu gehören ein unternehmensinternes Carsharing-Angebot, Shuttle-on-demand, Elektro-Autoabo, 10.000 Fahrräder als Teil eines Angebots der Gehaltsumwandlung und sogar eine Flotte von E-Scootern, die von Servicetechnikern in ihren Diesel-Kombis mitgeführt werden können, um am Einsatzort die letzte Meile zum Kunden in der Innenstadt zurücklegen zu können.

Im nächsten Schritt geht eine Mobility-as-a-Service-Plattform an den Start, welche allen Mitarbeitenden und deren Familien digitalen Zugang zu unterschiedlichen geteilten Transportmitteln bietet. Damit werden Suchen, Buchen und Bezahlen über eine einzige App möglich.

„Wir sehen, dass auch bei unseren Mitarbeitenden die Bereitschaft steigt, sich vom eigenen Auto zu verabschieden – wenn die alternativen Angebote attraktiv sind,“ ist Nevska optimistisch.