München. Die Nachbeben durch den heftigen Aufprall von Volkswagen lassen bis heute nicht nach. Im Zuge des Abgas-Skandals musste VW-Chef Martin Winterkorn seinen Hut nehmen, das EU-Parlament ging mit dem Konzern zuletzt hart ins Gericht, Experten sprechen von einem Schaden für die gesamte deutsche Automobilindustrie sowie von einem Bärendienst für die Vermarktung des Diesels in den USA. Die Betrügereien bei Abgas-Werten: Sie werden VW wohl einige Milliarden Euro kosten – daran scheint niemand mehr ernsthaft zu zweifeln.
So will die Konkurrenz aus dem VW-Skandal Profit schlagen
Und die Konkurrenz? Die reagierte auf den Skandal bislang, indem sie gebetsmühlenartig beteuerte, dass es derlei Schummelei im eigenen Hause nicht gebe. Doch am Mittwoch wurden erste Versuche in den Blick der Öffentlichkeit gespült, aus dem Schaden bei Volkswagen Kapital zu schlagen: Fiat Chrysler bietet offenbar italienischen VW-Fahrern bis zu 1500 Euro Prämie an, wenn sie bis Ende Oktober ihr Auto gegen ein Modell des italo-amerikanischen Herstellers eintauschen. Das Angebot gilt Medienberichten zufolge auch für Fahrzeuge, die gar nicht von Abgas-Manipulationen betroffen sind. Die Zeitung "Il Giornale" und die Nachrichtenagentur Bloomberg berichten übereinstimmend, dass der Konzern Anfang des Monats ein entsprechendes Schreiben an seine Händler herausgegeben habe.
Rabatte beim Eintausch alter Fahrzeuge sind bei Autohändlern weder neu noch selten, Stichwort: Abwrackprämie. Auch Boni beim Wechsel von einem Hersteller zum anderen gehören in der Branche zur üblichen Klaviatur der Werbetechniken. Doch dass sich eine solche Aktion gezielt gegen eine bestimmte Marke richtet, gab es so wohl noch nie. Fiat Chrysler – obwohl in seinem Heimmarkt Italien der größte VW-Konkurrent – scheint derweil nicht der einzige Autobauer zu sein, der auf die Idee gekommen ist. Einem Bericht von "Automotive News Europe" zufolge habe Ford in Italien eine ähnliche Rabattaktion eingeleitet, jedoch liege die Prämie hier nur bei höchstens 750 Euro.
In dem Bericht der Website werden ohne Angabe von Namen je ein Fiat- und ein Ford-Händler zitiert; beide bezweifeln, dass die Kampagne zu signifikanten Verkaufssteigerungen führen wird. Der Fiat-Händler wird zudem mit einer kritischen Äußerung zitiert: "Das ist kein normaler Wettbewerb mehr, sondern Plünderung eines in Schwierigkeiten geratenen Rivalen."
Europas größter Autokonzern VW hatte Ende September zugegeben, mit einem Computerprogramm die Abgaswerte bei Dieselwagen manipuliert zu haben. Weltweit sind nach Konzernangaben rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen, davon rund 2,8 Millionen in Deutschland. In Italien ist die Rede von insgesamt rund 650.000 Fahrzeugen der Marken VW, Audi, Seat, Skoda sowie VW-Nutzfahrzeugen. Die umfassende Rückrufaktion zur Wartung soll Anfang des kommenden Jahres beginnen und kann sich lange Zeit hinziehen. "Bis Ende 2016 sollen dann alle Autos in Ordnung sein", sagte der neue VW-Chef Matthias Müller am Mittwoch der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".