München. Prüfungsangst hat viele Gesichter. Sie kann sich in verschiedensten Gefühlen zeigen wie Angst, Wut, Verzweiflung oder Niedergeschlagenheit. Sie triggert bestimmte Gedanken und Verhaltensweisen oder äußert sich körperlich durch typische Stresssymptome wie Ruhelosigkeit und überhöhte Aktivität. „Es gibt verschiedene Methoden, die man anwenden kann, um seine Angst und Nervosität in den Griff zu bekommen“, erläutert Katja Mierke. Die Psychologieprofessorin an der Hochschule Fresenius in Köln gibt fünf Tipps:
So meistern Sie Ihre Präsentation trotz Lampenfieber
Eine sehr bewährte und effektive Methode ist die kognitive Umstrukturierung aus der Verhaltenstherapie. Hier wird auf der Ebene der Gedanken angesetzt. Die Gedanken kreisen bei den Betroffenen häufig um Katastrophenfantasien und Schreckensszenarien, was alles schiefgehen kann. Ebenfalls typisch sind Gedanken, die die eigene Person pauschal abwerten, nach dem Motto: „Ich werde mich total blamieren, ich bin einfach nicht geeignet für den Job“. Derartige Gedanken nähren nicht nur die Angst weiter, sondern ziehen auch dringend benötigte Zeit und Energie von der Vorbereitung und der Konzentration auf die Präsentation ab. Manchmal gelingt es, hier entgegen zu wirken, indem man sich an konkrete vergangene Erfolge erinnert, auf deren Basis man sich glaubhaft immer wieder selbst sagen kann „Ich schaffe das“, oder auch „Bleib‘ ruhig, mach‘ eines nach dem anderen“. Bei schwerwiegenderem Lampenfieber empfiehlt es sich, professionelle Unterstützung zu suchen, idealerweise bei einem Psychologen. Gemeinsam können in einem solchen Coaching Strategien erarbeitet werden, um negative Gedankenschleifen in den Griff zu kriegen.
Sowohl die Präsentation selbst als auch mögliche Fragen und geeignete Antworten kann man gut mit Freunden oder Kollegen vorab durchspielen. Das vermittelt Sicherheit im souveränen Umgang mit kritischen Anmerkungen, indem man beispielsweise freundlich eine Gegenfrage zur Präzisierung der Kritik stellt oder für die Lösungssuche das Publikum einbezieht. Je realistischer das Setting, desto besser. Man sollte also ruhig schon überlegen, welche Kleidung man bei der Präsentation tragen wird, und diese auch für das Rollenspiel anziehen.
Wer sein fachliches Handwerkszeug an sich gut beherrscht und sich letztlich auch gut konzentrieren kann, aber als Preis dafür unter starken körperlichen Symptomen leidet, sollte Entspannungsverfahren und regelmäßigen Sport praktizieren. Oft sind es Menschen mit einem sehr hohen Anspruch an sich selbst, die sich diesen Ausgleich versagen, weil sie sofort ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn sie etwa in der Phase vor einer wichtigen Präsentation etwas Anderes tun, als sich damit zu befassen. Sie unterschätzen, dass das Erarbeitete sich auch setzen muss und Gehirn wie Körper dringend Ruhe- und Ausgleichsphasen brauchen, um mittel- und langfristig leistungsfähig zu bleiben. Weniger ist hier dann manchmal mehr.
Wer unter starkem Lampenfieber vor beruflichen Meilensteinen wie einer wichtigen Projektpräsentation leidet, dem kommt der Vorbereitungsaufwand oft wie ein unüberwindbarer, riesiger Berg vor. Das lähmt, verleitet zum Aufschieben, und nährt die unter 1. beschriebenen Katastrophenfantasien. Hier hilft es, den langen weiten Weg, der vor einem liegt, in handhabbare Etappen zu zerlegen. Man sollte sich also einen möglichst konkreten Zeitplan erstellen, der die Teilaufgaben zugleich strukturiert und sichtbar macht, welche schon erledigt sind.
Ein guter Plan lautet also nicht, „Morgen fange ich mit der Präsentation an“, sondern „Morgen erstelle ich die Diagramme zu den Quartalszahlen und fordere gegebenenfalls noch fehlende Daten an. Nach der Mittagspause lese ich das Handout zum neuen Marketingkonzept nochmal Korrektur und formatiere es.“ Ein bisschen wie Beppo Straßenkehrer in Michael Endes Buch Momo sagt: Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken. Immer nur an den nächsten Schritt, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und auf einmal merkt man dann irgendwann, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Und man ist gar nicht außer Puste.
Viele haben Angst vor einem Blackout. Hier helfen schnell wirkende Entspannungsstrategien, die man am besten im Vorfeld immer wieder übt. Wenn man weiß, dass man für einen Blackout anfällig ist, ist auch dabei Unterstützung durch einen Experten sinnvoll. Denn im Grunde ist ein Blackout die Folge einer akuten Stressreaktion. Unter dem Gefühl elementarer Bedrohung schüttet der Körper Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol aus. Eine „Überdosis“ Kortisol führt tatsächlich vorübergehend zu einer vollständigen Blockade der Nervenzellen im Hippocampus, der für die Speicherung von Informationen und den Abruf aus dem Gedächtnis zuständig ist. Was gegen einen echten Blackout hilft, ist also dem Organismus Entwarnung zu signalisieren. Das kann durch eine Atemtechnik gelingen oder durch ein inneres Bild von einem schönen Ort, einen Song oder auch einen Duft, die Sicherheit und Ruhe vermitteln.
Weiterhin gibt es einige sinnvolle Strategien „bedrohliche“ Nachfragen zu handhaben und so einer akuten Stressreaktion vorzubeugen. Hierzu gehört, zuerst auf all jene Aspekte einzugehen, zu denen man zügig und sicher Aussagen treffen kann. Bei Zwischenfragen kann man darauf verweisen, dass man diesen interessanten Punkt gern später oder in der Diskussion aufgreifen wird. Auch die oben schon angedeuteten Optionen der Gegenfrage oder der Weiterleitung ins Publikum nehmen den unmittelbaren Druck und verschaffen einem oft ausreichend Zeit, gute Argumente zu finden All das kann man gut vorher im Rollenspiel üben. Und je häufiger man eine kritische Situation erfolgreich gemeistert hat, desto ruhiger wird man in aller Regel dann beim nächsten Mal auch schon im Vorfeld sein.
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