Die Welt, hat sich schlagartig fundamental verändert. Die Wirtschaft steht ebenso unter Druck wie praktisch jeder Beschäftigte. Wie können Führungskräfte in dieser Zeit angemessen reagieren? Holger Winzer, Leiter des Leadership Development von Korn Ferry, gibt dazu sechs Denkanstöße:
So führen Sie in Corona-Zeiten
Unabhängig davon, wie stark sich die Krise individuell bereits bemerkbar macht: Wer als Führungskraft seinen Optimismus verliert, der wird jetzt nur schwerlich führen können. Das hört sich leichter an, als es ist. Denn auch Führungskräfte sind nur Menschen, die den gleichen Emotionen wie alle anderen erliegen. Unsicherheit und Zweifel gehören dazu. Um sich selbst zu beruhigen, gilt es jedoch in kühler Abwägung einzuordnen: Wo stehen wir gerade? Welche Szenarien werden sich ergeben? Wie können wir mit diesen Szenarien umgehen? Allein die Pläne, die sich in diesen Gedanken ergeben, führen oft zu dem inneren Gefühl: Es gibt Möglichkeiten, diese Situation zu handeln. Das stimmt zuversichtlicher. Und selbst wenn man diesen Optimismus nicht direkt kommuniziert: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können das spüren. Ganz von selbst.
Kommunikation in der Krise muss glaubwürdig, persönlich und dialog-orientiert sein. Glaubwürdigkeit bedeutet: Kein aufgetragener Optimismus, keine Versprechen, die man nicht halten kann. Vielmehr ist klar zu benennen, wo das Unternehmen steht. Welche Szenarien im Raum stehen. Und welche Risiken und Chancen sich daraus ergeben. Persönliche Kommunikation wird selten mehr geschätzt als in Krisenzeiten. Eine E-Mail an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat nie das gleiche Gewicht wie eine persönliche Nachricht des Vorgesetzten oder die Möglichkeit, direkt mit Führungskräften und Top-Management zu sprechen. Wobei wir schon bei dem dritten Kriterium wären: Dialog ermöglichen. Oder einfacher ausgedrückt: darüber reden. Dieses gemeinsame Reden baut Ängste ab, lässt Gemeinsamkeiten erkennen und führt zu emotionaler Bindung.
Die Corona-Krise führt gleichzeitig zu existenziellen Ängsten in medizinischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Dimension. Für Führungskräfte ist es damit umso wichtiger, Gefühle ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu antizipieren und zu verstehen. Führen Sie dazu den Perspektivwechsel durch und versetzen Sie sich direkt in die andere Person: Was könnten die anderen fühlen, zu welcher Handlung könnte sie diese Emotion verleiten? Dabei sollten Führungskräfte zunächst immer erst von den möglichen negativen Reaktionen ausgehen und erst dann zu den positiven vorarbeiten. Letztere spiegeln auch in Nicht-Krisenzeiten häufiger die Erwartungen seitens des Managements wider, als dass Aussagen und Entscheidungen von einem großen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich so positiv aufgenommen werden. In einer Ad-hoc-Umfrage von Korn Ferry in einem aktuellen Web-Seminar zum Thema ‚Führung in der Krise‘ haben mit einer deutlichen Mehrheit von über 41 Prozent der Teilnehmer übrigens gesagt, dass in der jetzigen Zeit vor allem Empathie den Unterschied macht.
Die Unsicherheit für Unternehmen war nie so groß wie jetzt. Und noch niemand kann sagen, wie die Welt in drei oder sechs Monaten aussieht. Vielmehr gibt es verschiedene Szenarien, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten es jetzt abzuschätzen gilt. Und für die strategische wie operative Antworten gefunden werden müssen. Führungskräfte können so Klarheit schaffen, indem sie verschiedene Wege beschreiben – auch wenn wir heute noch nicht wissen, welchen dieser Wege man künftig beschreiten wird.
Das Top-Management sollte jetzt sehr wenige Prioritäten sehr klar benennen. Alle nachgeordneten Führungsebenen sollten angewiesen werden, diese Priorisierung abseits von vorhandenen KPIs oder Leistungsmessungen vollständig zu übernehmen. Und die zu treffenden Entscheidungen in den Bereichen sind ausschließlich anhand dieser Priorisierung zu treffen. Nichts wäre jetzt kontraproduktiver, als dass Bereiche und Abteilungen nach wie vor im Wettbewerb stehen und aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in der Krise eher gegen- als miteinander arbeiten. Wer jetzt mit zu vielen Vor- und Aufgaben überlastet, könnte dazu beitragen, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst Priorisierungen vornehmen. Und diese sind oft nicht kongruent mit dem, was eigentlich notwendig ist.
Nichts bringt so viel Innovation hervor wie Krisen. Aktuelle Beispiele: Modehersteller nähen Atemschutzmasken, ein Automobilzulieferer entwickelt Virus-Schnelltests, Parfüm-Hersteller stellen Desinfektionsmittel her und eine Eisdiele verkauft Nudeln. Was bisher funktioniert hat, funktioniert jetzt nicht mehr. Darum haben diese und viele andere Unternehmen pragmatisch ihren Unternehmenszweck, heute oft als ‚Purpose‘ bezeichnet, verändert. Bei wem die Purpose-Diskussion bisher noch gar nicht eingesetzt hatte, weil Absatz und Auslastung ohnehin stets gesichert waren: Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um mit ernsthaften Überlegungen über Sinn und Zweck der eigenen Unternehmung zu beginnen als jetzt. Was können Sie, was kann Ihr Unternehmen in der Krise und in der darauffolgenden Zeit dazu beitragen, um seinen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten?
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