Autonomes Fahren bei Daimler Sindelfingen

S-Klasse rollt autonom vom Band auf den Verladeplatz

Es sind nur 1,5 Kilometer für den Autopiloten - aber ein großer Schritt für Daimler. Als Teil eines Pilotprojekts macht sich das Mercedes-Luxusmodell S-Klasse künftig selbständig auf den Weg aus der Endmontage. Das soll aber nur der Anfang sein.

Montag, 3. Juli 2017, 17.58 Uhr

Der Fahrer führt dauerhaft die Längs- oder Querführung aus, Assistenten unterstützen ihn.Audi: Im A8, der 2003 auf den Markt kam, setzte Audi erstmals den Abstandsregeltempomaten ein. Heute wird er in Kombination mit Sensorik verbaut (Level 2) und sorgt so für den richtigen Abstand zum Vorderfahrzeug. BMW: Im April 2000 kam mit dem Facelift des Siebener der Abstandsregeltempomat.Daimler: Mercedes hat erstmals 1962 Technik verbaut, die die Geschwindigkeit geregelt hat. Ab 1975 gab es den Tempomaten serienmäßig, seit 2003 ist der Name „Tempomat“ durch Daimler geschützt.

Das System übernimmt eine spezifische Anwendung, wird aber dauerhaft überwacht.Audi: Der „Audi active lane assist“ erkennt die Fahrspurbegrenzung, steuert leicht gegen und warnt durch Lenkrad-Vibration. Seit 2010 im A7.BMW: Mit dem Stauassistenten kann man im dichten Verkehr bei bis zu 60 km/h „mitschwimmen“. Der BMW Fünfer bekam ihn 2013.Daimler: Der Lenk-Assistent sowie der Stop&Go-Pilot unterstützen den Fahrer in der S-Klasse seit 2013. Zum Drive-Pilot weiterentwickelt, gibt es ihn in der E-Klasse seit 2016 und ab Sommer 2017 in der überarbeiteten S-Klasse.

Foto: Audi

Der Fahrer muss das Steuer übernehmen, falls das System an seine Grenzen kommt. Audi: Der Staupilot im neuen A8 (ab Herbst 2017) fährt auf der Autobahn bis zu 60 km/h. Der Fahrer muss nach Aufforder-ung innerhalb von sechs bis acht Sekunden übernehmen können.BMW: Im gleichgerichteten, abgegrenzten Verkehr, also auf Autobahnen, fährt das Auto selbstständig. Level 3 kommt mit dem BMW iNext 2021. Daimler: Der Fahrer ist innerhalb einer bestimmten Zeit auf der Autobahn übernahmebereit. Daimler hat noch nicht angekündigt, wann Level 3 kommt.

In spezifischen Szenarien und in vorgegebenen Grenzen fährt das Auto schon selbstständig. Audi: Der erweiterte Autobahnpilot fährt von Auffahrt bis Ausfahrt selbstständig und erkennt Baustellen. Ein anderes Szenario ist der Parkhauspilot. BMW: Die Münchner verstehen unter Level 4 ein Auto, das bis auf extreme Wetterverhältnisse oder komplexe Situationen wie Alpenpässe allein fährt. Daimler: Als Einsatzbereiche für Level 4 sieht man etwa bei Car2go Fahrzeuge, die den Nutzer zu Hause abholen – innerhalb bestimmter Grenzen des Systems. Außerhalb muss weiter selbst gefahren werden.

Das Auto fährt komplett selbst, es ist von Start bis Ziel kein Fahrer mehr erforderlich.Audi/Volkswagen: Es ist schwer abzuschätzen, wann autonome Fahrzeuge auf den Markt kommen. Robotaxis oder Minibusse wie der VW Sedric, die nur in definierten Räumen wie der Stadt fahren, wird es wohl eher geben als Fahrzeuge, die jedes Szenario beherrschen.BMW: Zwischen 2020 und 2030 wird es erste Pilotprojekte zu autonomen Fahrzeugen geben – erst auf der Autobahn, dann in Innenstädten. Daimler: Das Auto beherrscht alle Geschwindigkeitsbereiche, Szenarien und Straßentypen.

Zum offiziellen Anlauf der Luxuslimousine S-Klasse im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen fuhr ein S 560 4MATIC eigenständig und ohne Fahrer am Lenkrad in der Endmontage vom Band. Anschließend steuerte das Fahrzeug automatisiert den etwa 1,5 Kilometer entfernten Verladeparkplatz innerhalb des Werksgeländes an.

Um das Ziel zuverlässig zu erreichen, kommt eine neu entwickelte und patentierte Technologie zum Einsatz, wie Mercedes mitteilte. Kameras, Radar- sowie Ultraschallsensoren und eine Software beschleunigen und bremsen die S-Klasse selbstständig und halten zuverlässig die Spur.

„Mit der eigenständigen Fahrt der S-Klasse vom Band im Finishbereich bis zum Verladeplatz im Werk wird deutlich, wie wir Fahrerassistenzsysteme künftig schon in der Produktion einsetzen können", erklärteMarkus Schäfer, Mitglied des Bereichsvorstands Mercedes-Benz Cars, Produktion und Supply Chain. Damit gehe man den nächsten Schritt in der Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette.

Die Fahrt vom Band zum Verladeplatz soll aber nur der Anfang sein: In einem Pilotversuch testet das Werk Sindelfingen eine mögliche Serienanwendung und die damit verbundenen Potenziale. Derzeit fahren Mitarbeiter die fertigen Fahrzeuge manuell von den Montagehallen zu den Verladeparkplätzen. Ein Shuttle-Verkehr bringt die Mitarbeiter wieder zum Ausgangspunkt zurück. Daimler will mit dem Projekt Erfahrungen beim autonomen Fahren und den späteren Einsatz im öffentlichen Straßenverkehr sammeln. "Vielleicht", warf Schäfer einen Blick in die Glaskugel", findet in einer nicht allzu fernen Zukunft ein Mercedes-Benz allein den Weg vom Band zu seinem neuen Besitzer.“

Schon vier Millionen S-Klasse-Modelle ausgeliefert

Die neue S-Klasse wird ab Mitte Juli in den europäischen Märkten eingeführt wird. Seit der weltweiten Markteinführung wurden rund vier Millionen S-Klasse Limousinen ausgeliefert. Für das aktuelle Modell sind mehrere neue Motoren geplant: Reihen-Sechszylinder als Diesel und Benziner sowie ein neuer V8-Biturbo-Benzinmotor. Außerdem plant Mercedes-Benz einen Plug-in-Hybrid mit rund 50 Kilometer elektrischer Reichweite.

Das Mercedes-Benz Werk Sindelfingen ist das Kompetenzzentrum für Fahrzeuge der Ober- und Luxusklasse sowie das Lead-Werk für die Produktion der künftigen S- und E-Klasse Baureihe. Am Standort werden künftig Elektrofahrzeuge der neuen Produktmarke EQ produziert. Gemeinsam mit der zentralen Produktionsorganisation von Mercedes-Benz Cars beschäftigt das Werk mehr als 25.000 Mitarbeiter. Mercedes-Benz fertigt dort die E-Klasse (Limousine und T-Modell), den CLS und den CLS Shooting Brake, die S-Klasse (Limousine, Coupé und Cabriolet), den Mercedes-Maybach sowie den Mercedes-AMG GT. Im Sindelfinger Mercedes-Benz Kundencenter werden täglich rund 200 Fahrzeuge ausgeliefert.

Lesen Sie auch:

Verhandlungen in Untertürkheim: Erneuter Produktionsausfall droht

Kängurus überfordern autonom fahrende Volvos

Kein iCar, kein Google-Car: Apple und Waymo begraben Autopläne

Gastkommentar: "Herr Zetsche hat seine Lektion bereits gelernt"

Im Datencenter:

Wer mit wem? Die internationalen Kooperationen beim Autonomen Fahren

Serie Autonomes Fahren:

Teil 1: Es gibt noch etliche Hürden bis Level fünf

Teil 2: Welche Folgen autonomes Fahren für Werkstätten hat

Teil 3: Die wichtigsten Kooperationen beim pilotierten Fahren

Teil 4: Unfälle mit autonomen Fahrzeugen - was ändert sich rechtlich?