München. Bei Teile- und Reifenhandel kommt der Koalitionsvertrag schlecht an. Er drohe durch die beschlossenen Belastungen und ihre Folgen die Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung zu lähmen, sagte Peter Hülzer, der geschäftsführende Vorsitzende des Reifenhandelsverbands BRV auf Anfrage der Automobilwoche. Die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns und das Zurückdrehen der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt gefährdeten Arbeitsplätze. Zudem seien zentrale Fragen der Rentenversicherung wie die Kombirente oder eine Vorsorgepflicht für Selbstständige gar nicht angepackt worden. Bei der Energiepolitik sei die Chance versäumt worden, mit einem Einstieg in steuerliche Abschreibung der energetischen Gebäudesanierung die Energieeffizienz stärker zu fördern, kritisierte er. Positiv bewertete Hülzer allerdings das Bekenntnis zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und das Festhalten am Erbschaftssteuerrecht, das Unternehmensübergaben im Mittelstand nicht gefährde.
Hartmut Röhl, der Präsident des Gesamtverbands Autoteile-Handel (GVA), kritisierte, die Parteien hätten sich nur auf "kosmetische Anpassungen" geeinigt, statt mit ihrer breiten Mehrheit wirklich große Themen wie eine Reform der Steuer- und Sozialsysteme anzugehen, den Bürokratieabbau voranzutreiben oder Antworten auf den demographischen Wandel und die Krise Europas zu geben. Bürgern und Unternehmen drohten "in Ermangelung zukunftsweisender Konzepte vier weitere Jahre des Regierens auf Sicht." Ein solcher Stillstand könne sich noch bitter rächen. Zudem gebe es statt Entlastungen für den Mittelstand milliardenschwere Mehrausgaben und beim Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung drohe durch die geplanten Mehrausgaben mittel- und langfristig ein Anstieg, der den Faktor Arbeit in Deutschland verteuern werde.Politik
Reifen- und Teilehändler sehen Koalitionsvertrag kritisch
Die politischen Pläne von Union und SPD haben bei den Branchenverbänden BRV und GVA keine Begeisterungsstürme ausgelöst - ganz im Gegenteil.
Hoffnung auf Ablehnung
"Man reibt sich die Augen und muss sich fragen: Haben CDU/CSU wirklich einen überragenden Wahlsieg errungen? Eine wirtschaftspolitische, gestaltende Vision nach den Grundsätzen der freien sozialen Marktwirtschaft ist nicht erkenntlich", sagte Röhl. "Es fehlt eine deutliche Strategie vor allem zur Festigung der mittelständischen Unternehmen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft in der Krise waren."
Er hoffe, dass die SPD-Parteibasis den Vertrag ablehnt, sagte Röhl. Bei den Grünen seien "weit mehr Ansätze mittelstandsfreundlicher Politik" zu erkennen. Bei ihnen sieht er zudem Bereitschaft zur Liberalisierung des Ersatzteilemarkts, einer der zentralen Forderungen des GVA.
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