Der Streit zwischen den Familien Piech und Porsche, die über die Porsche Holding SE die Mehrheit am VW-Konzern halten, reicht schon Jahrzehnte zurück. Das ZDF hat in einer Dokumentation nochmals die Hintergründe des Streits erklärt. Ferdinand Porsche hat sein Erbe zu gleichen Teilen zwischen seinen Kindern Ferry Porsche und Louise Piech aufgeteilt, die seit ihrer Kindheit in einem starken Konkurrenzverhältnis zueinander standen. Diese Rivalität setzte sich auch in der Generation der Enkel Ferdinand Porsches fort, deren wichtigste Vertreter Ferdinand Piech und Wolfgang Porsche sind.
"Piech hat Sand ins Getriebe gestreut"
Wolfgang Porsche äußert sich in dem Film ausführlich, er berichtet zum Beispiel, dass ein Berater vor Jahren vorgeschlagen habe, Ferry Porsche solle Ferdinand Piech adoptieren, damit dieser ebenfalls den Namen Porsche tragen könne. Schon früh galt "Nicht-Namensträger" offenbar als beliebtes Schimpfwort für Piech, von dem schon früh klar war, dass er als einziger Enkel in der Lage war, in die Fußstapfen des Großvaters zu treten. Er war es, der die Firma Porsche mit dem Porsche 917 berühmt machte.
Ähnlich wie Ferdinand Porsche ist er ein Tüftler, der ohne Rücksicht auf die Kosten das bestmögliche Ergebnis erzielen will. Von den übrigen Familienmitgliedern hält er wenig. "Ich bin ein Wildschwein, ihr seid Hausschweine", soll er ihnen auf einem Familientreffen 1970 an den Kopf geworfen haben, um klar zu machen, dass er kämpfe, während die anderen sich bedienen ließen.
Ferry Porsche hatte das Treffen einberufen, um eine Einigung der Familienstämme herbeiführen. Als das scheiterte, bestimmte er, dass die Familienmitglieder alle operativen Posten bei Porsche aufgeben müssten. Während Ferdinand Alexander Porsche, der Designer des 911, das Porsche Design Studio gründete, ging Ferdinand Piech zu Audi, wo er die verstaubte Marke mit Innovationen wie dem TDI-Motor, der Alu-Karosserie und dem Allradantrieb zum Technologieführer und Premiumhersteller machte.
Er machte schnell Karriere, stieg zum Audi-Chef auf und übernahm schließlich den Konzernvorsitz in Wolfsburg in einer Zeit, als sowohl Porsche als auch VW in der Krise steckten. Während Wendelin Wiedeking Porsche sanierte, trimmte Piech VW auf Erfolg. Es ist zu einem großen Teil sein Verdienst, dass VW heutzutage der größte Autobauer der Welt ist. Seine strenger Führungsstil, der von seinem Nachfolger Martin Winterkorn übernommen wurde, hat nach übereinstimmender Meinung vieler Experten jedoch die Unternehmenskultur geschaffen, die den Abgas-Skandal möglich gemacht hat. "VW hat keine Führungskräfte, VW hat Ausführungskräfte", sagte ein ehemaliger Manager.
Erst nach Piechs Zeit als Vorstandschef, als er dem Vorsitz im Aufsichtsrat innehatte, entwickelte Wiedeking zunächst mit dessen Einverständnis einen kühnen Plan: Porsche sollte den viel größeren VW-Konzern übernehmen. Der Plan scheiterte zwar, die Marke Porsche wurde in den Konzern integriert, aber die Familien profitierten dennoch stark: Statt einem kleinen Sportwagenhersteller gehörte ihnen nun die Mehrheit am größten Autokonzern Europas.
Wolfgang Porsche wirft seinem Cousin nun jedoch vor, dieser habe die geplante Übernahme bewusst sabotiert, wörtlich sagte er, Piech habe "Sand ins Getriebe gestreut". "Das ist unnötig. Das ist unmöglich", sagte Porsche. Diese Aktion habe zur weiteren Entfremdung der Familien beigetragen. Der Grund für Piechs Sinneswandel sei gewesen, dass er im Fall des Erfolgs nicht mehr der mächtigste Mann im Konzern gewesen wäre, sondern unter seinem Cousin Wolfgang Porsche, dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Porsche, gestanden hätte. Piech selbst hat sich dem ZDF gegenüber nicht geäußert.
Piech verließ VW im April 2015, nachdem sein Angriff auf VW-Chef Martin Winterkorn ("Ich bin auf Distanz zu Winterkorn") gescheitert war, weil sich der Rest des Aufsichtsrats, unter anderem Wolfgang Porsche, auf Winterkorns Seite stellten. Nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals, der den Konzern in eine tiefe Krise stürzte, soll Piech im Rahmen einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Aufsichtsrat und seinen Cousin schwer belastet haben. Er habe den Aufsichtsrat schon Monate vor dem offiziellen Bekanntwerden des Skandals über die Manipulationen der Diesel-Abgaswerte informiert. Die Mitglieder des Aufsichtsrats und der VW-Konzern wiesen diese Darstellung scharf zurück. "Seine Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen", kommentierte Wolfgang Porsche mit Blick auf seinen Cousin. Piech verkaufte seine Anteile am VW-Konzern im April 2017 an seinen Bruder Hans Michel Piech. "Ferdinand Piech hat sein Lebenswerk zerstört", sagte Porsche.
Nach und nach bringen sich die Mitglieder der nächsten Generation in die Aufsichtsräte ein. Ein weitere Ferdinand Piech, der im Stile eines Elon Musk mutig neue Wege geht und geniale Ingenieurskunst mit Unternehmertum verbindet, ist bisher jedoch nicht in Sicht. Ob der Streit zwischen den Familienstämmen noch einmal gelöst werden kann, ist offen. Angesichts der Herausforderungen, vor denen der Konzern steht, wäre es sicher hilfreich. "Wenn wir zusammenhalten", resümiert Wolfgang Porsche am Schluss des Films, "dann sind wir auch unheimlich stark".
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