Mercedes-Benz Cars baut mit der "Factory 56" die Autofabrik der Zukunft und gibt nun erstmals Einblicke in deren Funktionsweise.
Donnerstag, 15. November 2018, 18.17 Uhr
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In der ‚Factory 56‘ setzt Mercedes nach eigener Aussage k2onsequent und flächendeckend" auf innovative Technologien und Produktionspozesse: Mit 220.000 m2 entspricht die Grundfläche der neuen Montagehalle zirka 30 Fußballfeldern. Die Grundsteinlegung fand am 20. Februar 2018 statt, Anfang der nächsten Dekade wird die „Factory 56“ in Betrieb genommen. „Die ‚Factory 56‘ in Sindelfingen ist die Blaupause für all unsere künftigen Fahrzeugmontagen rund um den Globus – das betrifft unsere bestehenden Werke genauso wie neue Standorte“, stellt Schäfer in Aussicht.
Produziert werden dort Mercedes-Modelle mit Verbrennungsmotor, Hybridantrieb, rein batterieelektrischem Antrieb und autonome Fahrzeuge. Dazu gehören unter anderem die neue S-Klasse sowie das erste E-Auto der Marke "EQ". Ziel der neuen Produktionsweise: "Wir schaffen eine moderne Arbeitswelt, die individuelle Bedürfnisse stärker berücksichtigt. Letztlich steigern wir in der ‚Factory 56‘ die Flexibilität und Effizienz im Vergleich zu unseren aktuellen Fahrzeugmontagen nochmals deutlich", erklärt Mercedes-Produktionsvorstand Markus Schäfer.
Video zum Aufbau und zur Funktionsweise der „Factory 56“:
In der „Factory 56“ wird in ausgewählten Fertigungsbereichen – den so genannten „TecLines“ - das klassische Fließband durch Fahrerlose Transportsysteme (FTS) abgelöst, zum Beispiel zu Beginn des Inneneinbaus. Indem lediglich der Fahrweg der FTS neu definiert wird, ist ein Wechsel vom Fließ- in den Taktbetrieb möglich, bei welchem das Fahrzeug steht und nicht kontinuierlich weiterbefördert wird.
Dies macht unter anderem für automatisierte Tätigkeiten Sinn, beispielsweise beim Einbau des Glasschiebedachs. Zudem können mit dem Einsatz der FTS einzelne Montagebereiche ohne Eingreifen in die Gebäudestruktur erweitert werden.
Maschinen und Anlagen sind miteinander vernetzt. Ausgewählte Montageanlagen und die Fördertechnik werden Internet of Things-fähig. Die Basis dafür bildet ein WLAN- und Mobilfunknetz. Erstmals soll in Pilotanwendungen der Einsatz der leistungsstarken 5G-Mobilfunktechnologie in der Montage getestet werden. Die Montagehalle wird komplett papierlos gestaltet.
Die Mitarbeiter arbeiten mit Monitoren und Personal Digital Assistants (PDA). Zur Belieferung der Montagestationen werden flächendeckend Warenkörbe eingesetzt, die in einer sogenannten Pickzone mit Hilfe von intelligenten Picksystemen mit den benötigten Materialien bestückt werden.
Insgesamt sind 300 Fahrerlose Transportsysteme im Einsatz. „Entstehende Daten werden gesammelt und mittels ‚Big Data‘-Technologie ausgewertet. Die Erkenntnisse fließen direkt wieder zurück in die Produktion. Wir können damit bestehende Prozesse verbessern und zum Beispiel per ‚Predictive Maintenance‘ Anlagenstörungen vermeiden. Damit erhöhen wir unsere Betriebsnutzungszeiten und verbessern den Reifegrad von Anfang an“, betont Schäfer.
360-Grad-Vernetzung der Lieferkette
Ein wesentliches Merkmal der „Factory 56“, so Mercedes, ist die 360 Grad-Vernetzung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Im Austausch mit Lieferanten werden beispielsweise die Vorteile von Tracking und Tracing genutzt, wodurch Ladungsträger weltweit digital nachverfolgt werden können. "Das Tracking und Tracing ermöglicht ein frühzeitiges Erkennen von Abweichungen in der Lieferkette und damit eine schnellere Reaktion", erklärt der Hersteller.
Für die Forschung und Entwicklung sowie die Produktion ermögliche die 360 Grad-Vernetzung "eine schnelle und transparente Kommunikation über einzelne Bereiche hinweg", teilt Mercedes mit. Digitale Tools würden zur Entwicklung, Planung und Produktion genutzt.
"Beispielsweise werden die Produktionsprozesse digital abgebildet und mittels „Virtual Reality“ (VR) optimiert, bevor die reale Produktionshalle entsteht. So können beispielsweise die Arbeitsplätze und -prozesse virtuell erprobt und ergonomisch gestaltet werden", nennt der Hersteller Beispiele.
Neue Arbeitszeitmodelle halten Einzug
"In der ‚Factory 56‘ fahren wir deshalb den Automatisierungsgrad zurück und schaffen Rahmenbedingungen, sodass die Arbeit in der Produktion weiterhin Spaß macht“, stellt Schäfer klar. Zur zukunftsfähigen Gestaltung der Produktion würden gemeinsam mit dem Betriebsrat eine neue Arbeitsorganisation und neue Arbeitszeitmodelle entwickelt. In diesem Zusammenhang werde derzeit bereits ein Modell für flexible Einsatzkräfte, ein sogenannter Personaleinsatzpool (PEP) erprobt. Damit können Wünsche von Mitarbeitern in Bezug auf den Einsatzplan, abhängig von der persönlichen Situation, künftig besser berücksichtigt werden, um somit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. "Denkbar ist, dass die Mitarbeiter eines Tages per App ihre Arbeitszeiten wählen können", so der Hersteller.
Die „Factory 56“ wird bereits bei Inbetriebnahme CO2-neutral mit Energie versorgt. Auf dem Dach befindet sich eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage). Zirka 40 Prozent der Dachfläche werden extensiv begrünt. Damit wird neben einem Ausgleich versiegelter Bodenflächen und einer Regenwasserrückhaltung auch eine Verbesserung des Raumklimas in der Halle erreicht.