Klage über Fachkräftemangel oft unangebracht

Der Fachkräftemangel ist ein Wachstumshemmnis, findet der VDA. Der Automobilverband klagte in einer Pressemeldung vom April dieses Jahres: "Das Fehlen qualifizierter Bewerber aus technischen Berufen trifft vor allem die Industrie." So verzögere sich in einigen Unternehmen die Produktion und Auslieferung. Ein Fünftel lehnten sogar Aufträge ab, weil ihnen die Fachkräfte fehlen. Die Klage ist zu pauschal und spiegelt die Realität nicht wider, stellt die aktuelle Hays-Studie "Fachkräftemangel in Deutschland" heraus. Außerdem verharren gerade Unternehmen der Industrie in der Opferhaltung: Zeigen lieber auf die Versäumnisse der Politik statt die Aufgaben im eigenen Haus zu erledigen.

Der Fachkräftemangel existiert. Allerdings wird er größer geredet als er tatsächlich ist. So konstatieren zwar 58 Prozent der 1000 befragten Führungskräfte für die gesamte Wirtschaft einen Mangel an geeigneten Mitarbeitern. Wenn sie allerdings auf das eigene Unternehmen schauen, sehen lediglich noch 54 Prozent die Lage kritisch und wenn qualifizierte Mitarbeiter für die eigene Abteilung gesucht werden nur noch 52 Prozent. Der Realitätscheck zeigt: Je stärker sich die Befragten mit dem Problem beschäftigen, desto weniger dramatisch ist es.

Nach den Führungskräften aus der Gesundheitsbranche sehen die Maschinen- und Anlagenbauer die Auswirkungen des Fachkräftemangels am kritischsten. 45 Prozent bestätigen, dass Stellen länger unbesetzt bleiben, 37 Prozent sagen, dass sie Positionen nicht optimal besetzen können und rund ein Drittel stellt fest, dass die Arbeitsbelastung ihrer Mitarbeiter steigt. "Überraschend ist, dass die IT-Branche, der man allgemein den größten Fachkräftemangel unterstellt, weit weniger Sorgen haben", sagt Frank Schabel. Der Hays-Marketing-Chef schiebt gleich eine Erklärung nach: Die Informations- und Kommunikationsindustrie ist länger mit dem Fachkräftemangel beschäftigt und hat sich den Herausforderungen des veränderten Arbeitsmarktes gestellt und bessere Antworten entwickelt. Das belegen auch die empirischen Daten.

Denn während die Automotive-Industrie über den demografischen Wandel klagt, das träge Bildungssystem, die rasante technologische Entwicklung und die Globalisierung der Wirtschaft, haben IT-Unternehmen das in die Hand genommen, was in ihrer Verantwortung liegt: etwa ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern, die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter selbst zu entwickeln oder neue Wege der Rekrutierung zu gehen.

"Die Unternehmen nehmen sich selbst zu wenig in die Pflicht", stellt Schabel fest. Beispiel: Employer Branding – sieben von zehn Interviewpartnern glauben, dass die Positionierung des eigenen Unternehmens wichtig ist, um Mitarbeiter zu gewinnen. Davon sind 95 Prozent überzeugt, dass eine moderne Arbeitskultur entwickelt werden sollte, die Selbstorganisation und Agilität unterstützt. Doch nicht mal die Hälfte gehen das Thema an. 92 Prozent glauben, dass flexible Arbeitszeiten und freie Wahl des Arbeitsortes wichtig sind, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Doch nur die Hälfte geht das Thema an. "Die Attraktivität des Arbeitgebers ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Rekrutierung", sagt der Mannheimer, "aber die Unternehmen schaffen es gegenwärtig nicht ihren eigenen Anspruch zu erfüllen."

Gunther Olesch, Personalchef von Phoenix Contact bestätigt: "Die Attraktivität als Arbeitgeber ist entscheidend, um sich als Unternehmen in dem harschen Wettbewerb um die Fachkräfte behaupten zu können. Dies ergibt sich schon allein aus dem Fakt, dass heute 87 Prozent der Bewerber Plattformen wie kununu nutzen, um sich im Vorfeld über die Unternehmen zu informieren." So hat der ostwestfälische Automatisierungsspezialist eine Weiterempfehlungsquote von 87 Prozent. Jährlich erhält das Unternehmen mehr als 12.000 Bewerbungen auf offene Ingenieursstellen. Great Place to Work, Top Arbeitgeber oder Top Job – das Unternehmen gewinnt diese Auszeichnungen als beliebtester Arbeitgeber. Bei einer Studie des Researchers Top Employer für Ingenieure kam Phoenix Contact zweimal auf Platz eins – Kriterien waren: Unternehmenskultur, Vergütung, Work-Life-Balance, Entwicklungsmöglichkeiten, Jobsicherheit und Innovationsmanagement.

Olesch entwickelt ein visionäres und marktgerechtes Personalmanagement. Was macht in Zukunft den Erfolg des Unternehmens aus? Welche Menschen mit welchen Fähigkeiten müssen dafür heute eingestellt werden? Und welche Angestellten müssen heute weiterentwickelt werden, um morgen einen anderen Job zu machen oder ihren Job dann besser zu machen?

Während manche Personalleiter über die Individualität der Generation Y klagen, ist für Olesch selbstverständlich, dass sie bereits in Bewerbungsgesprächen offen nach Freizeit, Stundenausgleich und Vereinbarkeit von Beruf und Familie fragen. Und während viele Personaler sich über diese hedonistische Generation und ihre mangelnde Leistungsorientierung beschweren, hält der Ostwestfale diese Generation für leistungsfähiger, weil ausgeglichener. Wo möglich, können die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit flexibel gestalten und das Homeoffice nutzen. Denn dem Unternehmen geht es letztlich nicht um Anwesenheit, sondern um Ergebnisse, Effizienz und Effektivität. Die qualifizierten Facharbeiter aus technischen Berufen, deren Fehlen der VDA beklagt – Phoenix Contact findet sie, weil sie als attraktiver Arbeitgeber gefunden werden.

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