Diesel-Skandal, Streit mit chinesischen Händlern, Absatzrückgang – bei Audi läuft es derzeit nicht rund. Im April hat der Hersteller zum fünften Mal in Folge weniger Autos verkauft als im Vorjahresmonat. 156.000 Neuzulassungen waren fünf Prozent weniger als im April 2016. Von dem Ziel, bis 2020 größter Premiumhersteller der Welt zu werden, ist die Marke derzeit ziemlich weit entfernt, dem Zweikampf zwischen Mercedes und BMW kann sie nur zusehen. Seit Januar hat der rekordverwöhnte BMW- und Daimler-Rivale 578.750 Autos verkauft, das waren 6,7 Prozent weniger als zwischen Januar und April 2016. Das ist allerdings nicht das einzige Problem.
Kampf an mehreren Fronten
Am 15. März hatte Audi zur Bilanzpressekonferenz geladen. Die Nachricht des Tages waren aber nicht die Geschäftszahlen des vergangenen Jahres, sondern die Durchsuchung der Zentrale des Autobauers inklusive des Büros von Audi-Chef Rupert Stadler. Die Behörden zweifelten offenbar an der Kooperationsbereitschaft der Ingolstädter, denn nach mehr als anderthalb Jahren ist immer noch nicht bekannt, wie es zu der Manipulation der Abgasreinigung kommen konnte. Es mehren sich aber die Anzeichen, dass die "Akustik-Funktion" von Audi-Ingenieuren entwickelt wurde, die sie später zu VW mitgenommen haben. Auf der Hauptversammlung von Konzernmutter VW gab es Diskussionen um den Bericht von Jones Day, der die Antworten auf viele Fragen geben könnte und den der Konzern entgegen früherer Ankündigungen nicht veröffentlichen will. Ob das auch bei Audi eine Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten.
Dass es darüber hinaus noch Ärger mit China gab, weil umstrittene Regionen wie Tibet nicht auf der Landkarte erschienen, passte ins Bild eines schwarzen Tags für die Marke. Die Zahlen an sich waren gar nicht so schlecht: Auslieferungen und Umsatz sind 2016 gestiegen, der Gewinn allerdings ist um 5,6 Prozent gesunken.
Während in den USA inzwischen auch der Vergleich mit den Käufern der von Audi entwickelten Drei-Liter-Dieseln unter Dach und Fach ist, laufen sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern noch zahlreiche Prozesse um die manipulierten Abgaswerte von Dieselfahrzeugen. Der Skandal ist für Audi noch nicht ausgestanden, zumal noch nicht alle Autos umgerüstet sind.
Noch völlig unklar ist, wie sich die Diskussion um die drohenden Fahrverbote auswirken wird. Ebenso wie die anderen Premiumhersteller verkauft Audi die Mehrzahl seiner Autos mit Dieselmotoren. Im vergangenen Jahr hatten knapp zwei Drittel aller in Deutschland neu zugelassenen Audi einen Diesel unter der Haube. Egal, ob diese künftig aus den Innenstädten ausgesperrt werden oder ob die Hersteller eine Möglichkeit zur Nachrüstung finden und sich an den Kosten beteiligen – Audi hat jedenfalls ein weiteres Problem.
Die zweite große Baustelle ist momentan ausgerechnet China, wo es für Audi lange Zeit wie geschmiert lief. Auf dem größten Automarkt der Welt ist Audi, was die Marke im Rest der Welt gern wäre: der größte Premiumhersteller. Doch in den vergangenen Monaten sind die Verkaufszahlen eingebrochen, weil Audi es sich mit seinen Händlern verscherzt hat. Der Hersteller hatte angekündigt, neben FAW künftig auch mit SAIC zusammenarbeiten zu wollen. Die Händler befürchten nun, dass dabei auch ein zweites Vertriebsnetz aufgebaut werden soll, was ihren Geschäften schaden würde. Als Reaktion nahmen sie keine importierten Autos mehr an, was den Absatz auf dem wichtigsten Markt einbrechen ließ. Allein im April gingen die Verkaufszahlen um sieben Prozent zurück. Vertriebschef Dietmar Voggenreiter sprach von einer "anspruchsvollen Phase". Die Beschwichtigungsversuche des Audi-Vorstands blieben bislang erfolglos. Das ist umso bitterer, als Mercedes seit einem guten Jahr seine langjährige China-Schwäche überwunden hat und dort rasant wächst.
"Vorsprung durch Technik" lautet der Slogan der Ingolstädter. In den 80er Jahren füllte der damalige Audi-Chef Ferdinand Piech den Claim mit Leben, indem er Innovationen wie den TDI-Motor, die Alukarosserie oder den permanenten Allradantrieb quattro einführte. Schon vor dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals wurde allerdings bemängelt, dass es damit in letzter Zeit nicht mehr allzu weit her war. Die Technik-Vorstände kamen und gingen, die Elektro-Version des R8 wurde erst entwickelt und dann wieder gestoppt, wirkliche Neuerungen ließen auf sich warten. Während BMW mit den Elektroautos der Submarke i zwar kein Geld verdient, aber immerhin sein Image als innovativer Hersteller pflegt, und Tesla vormacht, wie man begehrenswerte Elektroautos baut, beschränkten sich die Audi-Innovationen in letzter Zeit oft auf Ankündigungen sowie auf Kleinigkeiten wie die ersten serienmäßigen LED-Scheinwerfer – wobei es auch dazu eine Auseinandersetzung mit BMW gab, weil die Münchener diese Pionierleistung ebenfalls für sich beanspruchen. Zwar lässt Audi publikumswirksam in den USA selbstfahrende Autos durch die Lande fahren, das können andere Hersteller aber auch.
Für Unruhe bei Audi sorgt auch die Ungewissheit, wie es mit Vorstandschef Stadler weitergeht. Im Februar gab es Gerüchte, der Manager habe schon früher als bisher behauptet vom Abgas-Skandal gewusst. Das ging soweit, dass der Aufsichtsrat ihm offiziell das Vertrauen aussprechen musste. Doch je nachdem, was noch bekannt wird, könnte es für Stadler gefährlich werden. Der von den US-Behörden eingesetzte Monitor Larry D. Thomson soll auch ihn beaufsichtigen.
Zusätzlich wächst intern der Druck. Stadler soll den Diesel-Skandal aufklären und dafür sorgen, dass die Marke technisch wieder nach vorn kommt. Der Aufsichtsrat hat die Entlastung des Vorstands vorgeschlagen. Es bleibt abzuwarten, wie die Aktionäre darauf reagieren werden.
Audi ist nach wie vor ein erfolgreiches Unternehmen. Die Autos sind gefragt, Absatz und Umsatz sollen in diesem Jahr leicht steigen. Auch der Gewinn dürfte wieder höher ausfallen. Aber Rupert Stadler und seine Mitarbeiter haben viel Arbeit vor sich, wenn sie weiterhin erfolgreich bleiben wollen. Um mit BMW und Mercedes zu konkurrieren, reicht es nicht aus, einfach nur gute Autos zu bauen.
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