Der kritische Satz findet sich auf Folie 22: Es gebe ein „Commitment der deutschen Automobilhersteller auf Vorstandsebene“, künftig kleine AdBlue-Tanks zu verwenden. Der Satz findet sich in einer Audi-Präsentation des Technischen Steuerungskreises vom 1. April 2010, aus dem die Wirtschaftszeitung Handelsblatt zitiert.
Wie das Blatt berichtet, ist das Papier nach den Razzien der Staatsanwaltschaft München II bei Audi über Umwege nach Brüssel zu den dortigen Wettbewerbsbehörden gelangt. Nun befassten sich gleich vier Mitarbeiter mit dem Sachverhalt.
Denn das Papier weist auf einen schon lange bekannten, höchstkritischen Sachverhalten in der gesamten Dieselaffäre hin. Bekanntermaßen konnten Dieselfahrzeuge von VW und Audi die strengen Abgasnormen nur auf dem Prüfstand erreichen, wenn die Schummelsoftware aktiv war und die Abgasnachbehandlung effizient funktionierte. Damit das der Fall war mussten große Mengen von AdBlue eingespritzt werden. Die Harnstofflösung neutralisiert Schadstoffe, die bei der Verbrennung anfallen.
Im Alltagsbetrieb aber wurde nur eine Minimalstmenge AdBlue zugeführt, so dass die Diesel zu viele Schadstoffe ausstießen. Die Hersteller berechneten aber die Nachfüllintervalle - das Nachfüllen sollte ausschließlich in der Werkstatt und durch Fachpersonal ausgeführt werden - viel zu großzügig, setzt man das korrekte Verhältnis von Harnstoff zu Kraftstoff an. Ergo: Allein die Größe der Tanks und die angegebenen Nachfüllintervalle hätte die Behörden schon aufmerksam machen müssen.
Ein Beispiel: Sollte AdBlue den Stickstoff-Ausstoß ordnungsgemäß drosseln, wären die Tanks je nach Modell schon nach 5000 Kilometern leer. Audi gab den US-Kunden jedoch an, erst nach 30.000 Kilometern nachfüllen lassen zu müssen. Nach einer Studie der niederländischen Wissenschaftsorganisation TNO über die die WirtschaftsWoche bereits im März 2016 berichtet hat, waren die Adblue-Tanks der untersuchten Fahrzeuge „um 40 bis zu 80 Prozent zu klein“.
Das Audi-Dokument vom 1. April 2010 ist für die Brüsseler Wettbewerbsbehörde nun besonders spannend. "Die Verfasser rechneten genau vor, wie der Konzern durch den Verbau kleinerer Tanks nicht nur Platz und Gewicht, sondern auch Geld sparte", schreibt das Handelsblatt. So brächte ein 12-Liter-Tank gegenüber einem 24-Liter-Tank einen Vorteil von 100 Euro und 20 Kilogramm.
Ob es nun tatsächlich zu einer Absprache gekommen ist - wie das Dokument nahe legt - oder ob die Konzerne lediglich darüber nachdachten, ist bisher nicht bewiesen. Die Wettbewerbshüter gehen der Sache weiter nach. Sollte sich der Verdacht erhärten, müssten die deutschen Hersteller mit hohen Strafen und rechnen.
Einem neuen Bericht des Nachrichtenmagazin Spiegel zufolge, sollen die Absprachen noch viel weitergegangen sein. Die Rede ist von jahrzehntelangen Absprachen in geheimen Arbeitskreisen.
Die aktuellsten Entwicklungen lesen Sie hier: Autokartell soll sich über Jahre abgesprochen haben
Lesen Sie auch:
Nach Dieselumrüstung: Einige VW, Seat und Audi werden mehr AdBlue schlucken