Wie kann ein Unternehmen seine hierarchischen Strukturen aufbrechen und künftig demokratischer, aber vor allem schneller und agiler arbeiten? Autor Jens Gieseler hat mit Unternehmern gesprochen, die den Wandel bereits erfolgreich vollzogen haben.
1. Es wird erstmal schlechter, bevor es besser wird
Wie bei jedem Change-Prozess wird die Arbeit zunächst anders und schwieriger. „Betriebswirtschaftlich hätte es vor fünf Jahren sicherlich erfolgreichere Wege gegeben“, sagt Dominik Jauch,Chef von Spinner Automation, einem Sondermaschinenbauer für Automobilzulieferer im schwäbischen Markgrönningen. Der 38-jährige Ingenieur hat die Strukturen in seinem Unternehmen 2012 geändert. Die Einsicht war damals, dass die Kundenwünsche zu komplex für hierarchische Strukturen sind. Es war eine strategische Entscheidung und Investition in eine neue Arbeitsform, die sich in aller Regel nach zwei bis vier Jahren auszahlt. Jörg Preußig, Autor des Buches "Agiles Projektmanagement" sagt: „Agile Teams finden vor allem adäquatere Lösungen und sparen Zeit, indem sie viele Umwege nicht nehmen.“ Preußig, selbst promovierter Ingenieur, berät Firmen zu Themen wie Projektmanagement und Softskills und spricht daher aus Erfahrung.
2. Agilität fördert Innovation
„Kompliziert ist einfach“, sagt Dominik Jauch. Letztlich geht es in der Serienfertigung um lineare Probleme, die zwar schwierig oder kompliziert sein mögen, grundsätzlich jedoch reduzierbar und beherrschbar sind, so der Chef von Spinner Automation. Doch das Potenzial der deutschen Industrie liegt in komplexen Problemen und deren individuellen Lösungen. Je stärker Kreativität und Innovation gefragt sind, desto eher finden unterschiedliche Wissensarbeiter im hierarchiefreien Zusammenspiel passende Lösungen. „Wer individuell produziert, sollte sich mit agilem Management beschäftigen“, findet Jauch.
3. Es braucht viel Kommunikation und Selbstreflexion
Der Wechsel von hierarchischer Führung zu agilen Methoden ist ein grundlegender Systemwechsel. Deshalb ist ein klares Bekenntnis der Führung notwendig, sagt Jauch, denn Chefs und Mitarbeiter müssen sich in neuen Rollen einfinden: Auf Augenhöhe. "Alle benötigen eine Haltung, die echtes Interesse an den Kollegen beinhaltet, an deren Stärken und Schwächen", so das Ergebnis einer Studie des Personaldienstleister Hays, der sich mit flexiblen Strukturen in der digitalisierten Arbeitswelt auseinandergesetzt hat. Zudem sei eine gehörige Portion Selbstreflexion notwendig, um die eigenen blinden Flecken zu finden und mit ihnen umzugehen. "Konflikte, die in einer Linienstruktur im Zweifelsfall die nächste Führungskraft klären musste, werden in agilen Strukturen miteinander gelöst", so die Experten von Hays.
4. Den Übergang moderieren
Wissensarbeitern, auch der Generation Y werden gerne höheres Verantwortungsbewusstsein, Ergebnisorientierung und intrinsische Motivation unterstellt. Die Umstellung auf agile Arbeitsstrukturen ist die Nagelprobe, ob diese These grundsätzlich so stimmt. „Um möglichst alle Mitarbeiter mitzunehmen, ist es notwendig, diesen Prozess zu moderieren“, sagt Frank Schabel von der Personalberatung Hays. Doch die Erfahrung ist, dass nicht alle Mitarbeiter diesen Weg zu einem erwachsenen Arbeiten mitgehen wollen und können. Auch Maschinenbauer Spinner Automation musste sich von ein paar Mitarbeitern trennen, erzählt Jauch. Eine fachliche und methodische Begleitung ist auch wichtig, weil sich Rollen und Verhalten stark verändern.
5. Zwischen Agil und Linie vermitteln
Während KMUs oft gleich das gesamte Unternehmen umstellen, werden in Konzernen lediglich Abteilungen oder Projektgruppen in agilen Strukturen arbeiten. Damit entstehen Konflikte an den Schnittstellen oder wenn einzelne Personen gleichzeitig in agiler Projektarbeit und hierarchischer Linie arbeiten. Der Abstimmungsaufwand an diesen Stellen steigt, so Hays-Sprecher Schabel, allerdings entwickelt sich auch ein Verstehen für die andere Arbeitsweise, denn letztlich sei keine besser, sondern lediglich passender. ITDesign aus Tübingen hat sich genau für diesen Weg entschieden. Nur eine Abteilung hat auf agiles Management umgestellt, der Rest blieb hierarchisch organisiert. Bei ITDesign macht man bessere Erfahrungen damit, dass „Linien-Mitarbeiter“ eine Rolle in der agilen Abteilung übernehmen statt umgekehrt „agile Mitarbeiter“ in der Außenwelt agieren. „Es ist wichtig, dass Personaler oder Financer verstehen, was wir machen und im Außenkontakt dann handeln“, so Prokurist Christoph Adamczyk.
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