Herr Kübel, beim Einstieg in den Job oder beim ersten Jobwechsel stehen Jungakademiker oft vor der Entscheidung sich für einen Direkteinstieg oder für ein Traineeprogramm zu bewerben. Was empfehlen Sie jungen Menschen?
Bosch bietet die Möglichkeit, über eine Führungs-, eine Fach- oder eine Projektlaufbahn ins Unternehmen einzusteigen. Alle drei Ansätze ermöglichen grundsätzlich die gleiche Weiterentwicklung, auch Wechsel zwischen den Laufbahnen sind möglich und werden von uns unterstützt. Beim Junior Managers Program – unserem Traineeprogramm – steht klar die Entwicklung von Führungskräften im Fokus. Innerhalb von acht Jahren sollen die jungen Talente bei uns eine Abteilung führen können. Wer also bereits früh erkennbar über Führungspotenzial verfügt, der sollte sich als Trainee konsequent auf eine Führungsaufgabe vorbereiten. Wer sich zunächst fachlich orientieren will, für den eignet sich eher ein Direkteinstieg.
Also eine Art Elite-Einstieg ...
Für uns ist es eher eine hochwertige Ausbildung zur Führungskraft, die sehr gefragt ist. Für das Junior Managers Program, das wir auch JMP nennen, erhalten wir in jedem Jahr viele tausend Bewerbungen, in Deutschland sind es etwa 100 pro Stelle. 2016 bieten wir weltweit 280 Stellen an. 65 davon entfallen auf Deutschland, der zweitgrößte Block mit 41 Stellen entfällt auf China. Und da wir in diesen jungen Menschen unsere zukünftigen Führungskräfte sehen, wählen wir unter den Bewerbern natürlich sehr gezielt aus.
Was muss ein künftiger Bosch-Trainee mitbringen?
Wir wollen Führungspersönlichkeiten entwickeln, die unsere Bosch-Werte verinnerlichen und leben. Dieses Potenzial muss im Auswahlverfahren erkennbar werden. Wir achten ganz besonders darauf, dass wir Chefs entwickeln und ausbilden, die Navigatoren und Leuchttürme sind, die motivieren und sinnstiftende Aufgaben vermitteln können. Denn unseren Anspruch „Technik fürs Leben“ verstehen wir so, dass wir mit unseren Produkten die Lebensqualität der Menschen verbessern und Umweltressourcen schonen wollen. Und natürlich sollen die Kandidatinnen und Kandidaten auch Unternehmerkompetenz mitbringen, für eine Sache brennen und diese auch umsetzen.
Sind eher Spezialisten oder Generalisten als Bosch-Trainee geeignet?
Wir suchen eine Kombination aus beiden: Die Kandidaten sollten in einem für Bosch relevanten Fachgebiet herausragend qualifiziert sein – und sich durch zusätzliche Erfahrungen auszeichnen. Das kann beispielsweise ein zweiter Studiengang sein, Auslandserfahrung, eine Promotion oder ergänzende Berufserfahrung.
Was erwartet die Trainees bei Bosch?
Sie durchlaufen meist in 18 bis 24 Monaten vier bis sechs Stationen in unserem Unternehmen, davon sechs Monate im Ausland. Wie das konkret aussieht, wird für jeden Trainee individuell geplant. Unser Ziel ist, dass die jungen Menschen sowohl unsere Werke als auch unsere Geschäftsbereiche wie unsere Zentrale kennenlernen. Sie erhalten Fortbildungen und werden von einem persönlichen Mentor betreut, der aus dem oberen Management kommt. Sehr wichtig ist auch, dass sie auf ihren verschiedenen Stationen und durch regelmäßige Treffen aller Trainees ein möglichst großes Netzwerk aufbauen.
Bosch hat seit über 30 Jahren ein Traineeprogramm. Dabei investieren Sie viel in Auswahl, Betreuung, Förderung der jungen Leute – erfüllen die Trainees im späteren Berufsleben Ihre Hoffnungen? Lässt sich der Erfolg des Programms messen?
Ja. Dazu beobachten wir, welchen Weg die ehemaligen Trainees nehmen. Ein Beleg für den Erfolg ist, dass von den aktuell zehn Bosch-Geschäftsführern vier aus dem JMP hervorgegangen sind. Ich bin ebenfalls durch dieses Programm zu Bosch gekommen. Auch sehr viele der Bereichsvorstände haben unser Traineeprogramm absolviert. Wir fühlen uns auch dadurch bestätigt, dass wir bei JMP-Absolventen so gut wie keine Fluktuation haben. Und wenn jemand ausscheidet, dann fast immer aus privaten Gründen.
Was unterscheidet ein gutes von einem schlechten Traineeprogramm?
Ein gutes Traineeprogramm erlaubt es, einen sehr umfassenden Überblick über ein Unternehmen und seine Bereiche zu gewinnen. Als Qualitätskriterium sehe ich ebenfalls die Internationalität. Dritter wichtiger Punkt ist die Qualität der Aus- und Weiterbildung, die im Rahmen des Programms stattfindet.
Internationalität ist für Sie ein Schlüsselthema. Aber Umfragen zeigen immer wieder eine relativ geringe räumliche Flexibilität bei Jungakademikern. Spüren sie diesen Trend auch?
Nein, im Gegenteil. Die jungen Leute bewerben sich auch bei uns, weil wir ihnen die Chance bieten, international tätig zu sein. Auch wenn sich die Generation Y natürlich sehr stark von den Babyboomern unterscheidet, zu denen ich zähle, Mobilität und Leistungsbereitschaft sind ungebrochen.
Zieht das Trainee-Programm eher Männer oder Frauen an?
Der Anteil der Kandidatinnen ist zwar noch nicht so hoch, wie wir es uns wünschen, aber die Verteilung hat sich schon deutlich in Richtung Frauen verschoben. 2014 lag ihr Anteil unter den Trainees im kaufmännischen Bereich weltweit bei 39 Prozent, im technischen bei 25 Prozent. Die Zahlen für 2015 werden derzeit noch ermittelt; doch der Frauenanteil dürfte weiter gestiegen sein. Unser Ziel lautet, auf 50 Prozent im kaufmännischen und 30 Prozent im technischen Bereich zu kommen. Um das zu erreichen stellen wir jeweils 20 Prozent mehr Frauen ein, als es ihrem Anteil im jeweiligen Studiengang entspricht.
Wie lief Ihr eigenes Traineeprogramm ab?
Ich bin im Dezember 1986 eingestiegen und habe das Programm schon zwölf Monate später beendet. Auch das belegt die Flexibilität des Programms. Bei mir war es so, dass ein Werkleiter mich fragte, ob ich die Umsetzung eines Programms koordinieren wolle, das sich damals aus einem Revisionsbericht ergeben hatte. Diese Chance habe ich genutzt.
War das Traineeprogramm ihre erste Erwerbstätigkeit?
Ja, es war der erste „richtige“ Job nach dem BWL-Studium. Ich hatte allerdings zuvor zwölf Monate lang in New York parallel zum Studium schon bei einer Versicherung gearbeitet und erste Erfahrungen gesammelt.