Bad Homburg. In zahlreichen Zeitungen und auf vielen Websites ist die verstorbene BMW-Großaktionärin Johanna Quandt gewürdigt worden - als Unternehmerin ebenso wie als Stifterin. Die Automobilwoche bietet einen Überblick.
"Frau Quandt war einfach nett"
Bewundert für ihre Bescheidenheit, geachtet für ihr soziales Engagement. Und vor allem verehrt als Unternehmerin für ihren Mut und Weitblick. Johanna Quandt war schon zu Lebzeiten weit mehr als nur die Erbin eines Milliardenimperiums.
Johanna Maria Quandt, so ihr vollständiger Name, war immer die große Dame im Hintergrund. Öffentliches Schaulaufen, Repräsentationsaufgaben oder gar der rote Teppich waren ihr stets fremd. Stattdessen bevorzugte sie lieber das heimische Anwesen am Rande des Bad Homburger Villenviertels.
Wenn sie sprach, war die Bescheidenheit zu spüren, die sie ihr Leben lang auszeichnete. Der Begriff „Milliardärin“ dürfte für sie selbst etwas Abstraktes geblieben sein. Er war für sie in jedem Fall stets mit der Verpflichtung verbunden, dass aus dem Vermögen auch Sinnvolles entstehen möge. Und in der Familie Quandt ist das zwar auch im gesellschaftlichen Sinne gemeint, das Anliegen soll und muss aber vor allem unternehmerisch verstanden werden.
Der Geist der Johanna Quandt ist noch heute bei BMW präsent, er wird es noch lange bleiben. Es ist dieses Unprätentiöse, diese Zurückhaltung, die sie ausstrahlte und die sie stark machte. Wer zu laut ist, wer vor allem auffallen will oder sich in den Vordergrund spielt, der hat keine Zukunft. In einer Welt, in der viele Menschen Industrielle und deren Manager für abgehoben, arrogant und weltfremd halten, lebte sie vor, dass schlichtes Auftreten und Erfolg durchaus zusammenpassen.
In den Neunzigerjahren stand der Konzern wieder am Rand des Abgrunds. BMW hatte 1994 den britischen Autobauer Rover gekauft und wäre daran fast zugrunde gegangen. Johanna Quandt hat dem Abenteuer zugesehen. Das war ein Fehler. Aber bei BMW rechnen sie der Großaktionärin hoch an, dass sie die Ruhe bewahrte, als es ernst wurde und die Konkurrenten sich schon voreilig freuten, den Laden bald billig kaufen zu können. Johanna Quandt versicherte, sie stehe zu dem Unternehmen. Ihr Anteil werde nicht verkauft. Seitdem gilt die Quandt-Familie als Vorbild für langfristige Strategie in Zeiten von Shareholder Value, von Hektik und Vierteljahreshorizonten.
Ferdinand Piëch wäre nie auf die Idee gekommen zu fragen, ob er einen Messestand von VW besuchen dürfe. Seine Besuche waren gefürchtet. Kein Stäubchen durfte auf einem Kotflügel stören. Das war bei Johanna Quandt anders. Hatte sie Lust, sich auf einer Ausstellung die neusten Modelle von BMW anzusehen, meldete sie sich vorher ordentlich an.
Bei BMW wurde Johanna Quandt, die auch eine große Stifterin war, respektiert und bewundert, gar verehrt – aber nicht gefürchtet. Als der langjährige Vorstandschef und Aufsichtsratsvorsitzende Eberhard von Kuenheim, selbst eine legendäre Figur der BMW-Geschichte, 1999 verabschiedet wurde und Johanna Quandt in der Hauptversammlung anerkennende Worte für den Aristokraten fand, stand der damals 71-Jährige in der ersten Reihe im Saal, verlegen wie ein Schuljunge, der ein Lob vom Lehrer bekommt.
Aber Johanna Quandt war nicht nur die scheue Witwe des Industriellen und BMW-Lenkers Herbert Quandt, als die sie zumeist beschrieben wird. Sie war direkt, durchaus nahbar und aufgeschlossen, und sie war immer zur Stelle, wenn wichtige Entscheidungen bei BMW anstanden – um meist diskret aus dem Hintergrund die Fäden zu ziehen.
Der Erfolg der Bayerischen Motorenwerke, die weltweit das Maß für die Automobilbranche sind, ist ohne das Wirken Herbert Quandts und seiner Frau Johanna nicht denkbar.
Als sich ein Schriftsteller an sie wandte, ließ sie ausrichten: "Das Interesse von Frau Quandt, in einem Buch vorzukommen, tendiert gegen null."
"Frau Quandt war einfach nett, man musste sie mögen. Und das ist bei Leuten dieser Liga wirklich nicht selbstverständlich", sagt ein BMW-Manager über die Großaktionärin.
Dass die Großaktionärsfamilie, allen voran Johanna Quandt, äußerst empfindlich reagieren kann, wenn man die Rechte als Eigentümer angetastet sieht, zeigt ihre Rede zum Herbert-Quandt-Medien-Preis 2003. Damals fand sie beim Thema Managergehälter klare Worte: "Ich denke, wir wollen bei den Bezügen keine amerikanischen Verhältnisse … Aber ich bezweifle stark, dass gesetzliche Regelungen in dieser Frage hilfreich sind. Es ist und bleibt ein ordnungspolitisches Armutszeugnis, Fehlentwicklungen mit dem Gesetzbuch bekämpfen zu wollen."
Zusammengetragen von Stefan Wimmelbücker