So ganz ernst nehmen kann man das Video natürlich nicht, und es wird wohl kaum ernsthaft eine Kaufentscheidung beeinflussen. Doch wenn ausgerechnet ein elektrischer Kompakter, und dann auch noch von einer No-Name-Marke aus China, beim Dragrace einen Lamborghini Gallardo und einen Nissan GT-R versägt, hat das zumindest hohen Unterhaltungswert. Und es sind Underdog-Geschichten wie diese, die ein Auto erst interessant machen. Das war so, als VW vor fast 50 Jahren den ersten GTI auf den Markt gebracht hat und das ist jetzt so beim MG4 XPower, der diese Tradition ins Elektro-Zeitalter übertragen will. Denn während VW mit den GTX-Modellen am Markt vorbei entwickelt und erst jetzt auf der IAA in München mit dem ID2 GTI wieder für Herzrasen gesorgt hat, die Fans aber bis 2027 auf die Folter spannt, gehen die aus China gesteuerten Briten jetzt in Vorlage. Und so ganz nebenbei überholen sie damit gleich auch noch den Hyundai Ioniq5N, der erstens erst im nächsten Jahr kommt und zweitens so ambitioniert entwickelt wurde, dass er fast ein Rennwagen wird und damit auch den Preisrahmen weiter dehnt als es der Kompaktklasse geziemt.
Der MG4 dagegen versteht sich als echter Breitensportler in der Tradition der klassischen Hot-Hatches – nur, dass er dabei nicht auf Turbos setzt oder Drehzahlen, sondern auf einen zweiten E-Motor. Zur 204 PS starken Maschine im Bug kommt deshalb noch eine weitere mit 231 PS an der Hinterachse, so dass am Ende 435 PS im Fahrzeugschein stehen und den XPower zum bislang stärksten Modell in 99 Jahren MG machen. Zugleich klettert das kumulierte Drehmoment auf 600 Nm, die wie immer beim E-Auto sofort anliegen – kein Wunder also, dass der MG4 beim Sprint selbst Supersportwagen stehen lässt. Von 0 auf 50 km/h schafft er es schließlich in 1,7 und auf Tempo 100 in 3,8 Sekunden – und nimmt damit seinen Baureihen-Brüdern runde vier Sekunden ab. Und auch der Bleifuß zeigt hier mehr Wirkung: Wo sonst bei 160 km/h Schluss ist, bekommt der XPower Auslauf bis immerhin 200 km/h. Zu wenig, um an Lambo & Co dranzubleiben, aber allemal genug, um vermeintlichen Kraftmeiern wie einem ID4 GTX oder einem Enyaq RS die kesse Kehrseite zu zeigen.
Der elektrische GTI
Der MG4 XPower will die Tradition der sportlichen Kompaktwagen in die neue Zeit retten. Wir haben ihn schon mal ausprobiert.
Die Energie dafür liefert genau wie im bisherigen Top-Modell ein Akku mit 64 kWh, der dann allerdings nur noch für 385 statt bislang bestenfalls 450 Kilometer reicht. Danach ist durchatmen angesagt und das nasse Hemd am Rücken hat Zeit zu trockenen: Mit maximal 140 kW passt die Ladeperformance nicht so recht zur Eile, die der XPower sonst an den Tag legt.
So sehr der XPower übrigens im Sprint begeistert, darf man von ihm auf der Landstraße keine Wunder erwarten. Klar, Überholen wird zum Kinderspiel und auf der Autobahn fährt man jetzt nur noch links. Wenn ihm der variable Allradantrieb, das Torque-Vectoring und das Sperrdifferential flott um die Kurven helfen, sind Herzrasen und Nervenkitzel garantiert. Und die Batterie ist hier mal kein Ballast, sondern in diesem Fall ein Segen, weil sie den Schwerpunkt senkt. Doch schmale Sparreifen und ein hohes Maß an familienfreundlichem Restkomfort sorgen beim Fahrer des Hot-hatch für eine gewisse Abkühlung.
Flott und forsch ist er ohne Zweifel, aber zum Asphalthobel ist der anglophile Chinese dann doch nicht geboren. Erst recht nicht, weil es den Elektromotoren kaum gelingen mag, ein paar Emotionen zu wecken, und sie ihren Job so still und unauffällig erledigen wie in einem Gabelstapler oder einem ICE. Nicht, dass man sich wirklich irgendeinen Synthie-Sound wünschen würde, aber Sport in aller Stille macht halt weniger Spaß.
Und wo wir gerade dabei sind: Ein Angeber-Auto ist der MG4 Xpower auch nicht. Denn bis auf farbige Bremszangen und die dunkle Kontrastlackierung am Dach gibt es außen keine Änderungen – braucht es aber auch nicht. Schließlich ist schon das Serienmodell so scharf geschnitten und mit seinem ungewöhnlichen Dachspoler so auffällig, dass der MG4 einem Lamborghini Urus optisch näher ist als seinem direkten Konkurrenten ID3.
Scharfes Design, potente Fahrleistungen und trotzdem noch ein Stromer für die ganze Familie – so wird aus dem heißen Hobel der Petrolheads in den 1980en ein vernünftiger Hot-Hatch für die Generation E - und bei allen Einschränkungen ein Auto, das dem Geist des GTI näherkommt, als jedes bisher präsentierte Sportmodell aus der elektrischen VW-Palette und deren Ableger bei Skoda oder Cupra.
Und wer noch nüchterne Argumente braucht, dem sei der Blick in die Preisliste empfohlen. Ja, mit 46.990 Euro kostet der XPower 12.000 Euro mehr als die Einstiegsversion mit 170 PS und 54 kWh oder 5000 Euro mehr als das bisherige Top-Modell, das den großen Akku hat und immerhin 204 PS. Doch solange es weder einen ID3 GTX gibt noch einen ID2 GTI, bleibt im VW-Konzern als erste Referenz der stärkste ID4 – und der bietet zwar ein Drittel weniger Leistung, kostet aber 20 Prozent mehr. Und selbst der wahre GTI ist kaum eine Alternative, weil er nach Abzug der Förderung kaum billiger und kaum mehr als halb so viel Power hat.
Aus dem Datencenter: