München. Der Meister teilt für seine Schicht in der Fertigung das Personal ein, er ist der zentrale Ansprechpartner in der Produktion. Freie Tage werden den Mitarbeitern maschinell zugeteilt und die Abwesenheit zentral gesteuert. Viele erledigen Tag für Tag dieselben monotonen Handgriffe. Eigene Ideen einzubringen, ist nahezu unmöglich. Heute ist das alles nahezu unvorstellbar. Aber bevor Audi vor 20 Jahren in der Fertigung die Gruppenarbeit einführte, sah so die Realität aus.
Heute organisiert die Gruppe sich und ihre Arbeitsaufgaben selbst, löst Probleme rasch eigenständig. Ihre Mitglieder teilen eigenverantwortlich ein, wer wann welche Tätigkeit erledigt. Und sie bringen Ideen ein, wie Prozesse verbessert und Arbeitsplätze ergonomischer gestaltet werden können. Jeder Mitarbeiter beherrscht viele Aufgaben und wechselt daher während einer Schicht nach rund zwei Stunden an den nächsten Arbeitsplatz. Das sorgt für Abwechslung und vermeidet einseitige Belastung.Für Audi hat sich das Konzept der Gruppenarbeit bewährt und ist an den verschiedenen Produktionsstandorten längst gelebter Arbeitsalltag. In fast allen Bereichen der Produktion sind die Mitarbeiter in kleine Teams eingeteilt, in denen je acht bis zwölf Mitarbeiter eng zusammenarbeiten. Derzeit sind insgesamt 2794 Gruppen an den Audi-Standorten Ingolstadt, Neckarsulm, Gyor und Brüssel im Einsatz – 1227 davon in Ingolstadt und 777 in Neckarsulm.„Die Gruppenarbeit ist eine ideale Arbeitsorganisation, in der unsere Mitarbeiter den Arbeitsprozess kreativ mitgestalten können“, betont Audi-Produktionsvorstand Frank Dreves. Gruppenarbeit sorge für eine höhere Zufriedenheit von Mitarbeitern, betrieblichen Vorgesetzten und Führungskräften und sei eine wichtige Basis für Fortschritte in Qualität und Produktivität.20 Jahre Gruppenarbeit
Effizientes Team statt starrer Hierarchie
20 Jahre nach dem Start ist Audi zufrieden: Gruppenarbeit bringe höhere Zufriedenheit von Mitarbeitern und Vorgesetzten – und steigere Qualität sowie Produktivität.
Unterstützung durch neue Medien
Eine besondere Funktion hat der Gruppensprecher, bei ihm laufen alle Informationen zusammen: Er kümmert sich darum, dass bei Schichtbeginn alle Arbeitsplätze besetzt sind, führt alle zwei Wochen Gruppengespräche, hilft, wenn jemand Unterstützung an der Linie braucht.
Rudolf Heinzlmeier beispielsweise hat die Anfänge der neuen Organisationsform hautnah miterlebt. Er war bereits 15 Jahre in der A4-Montage tätig, als die Gruppenarbeit eingeführt wurde und ist seither Gruppensprecher. „Als wir vor 20 Jahren die Gruppenarbeit eingeführt haben, war das eine riesige Umstellung“, sagt Heinzlmeier. „Dass die Mitarbeiter entscheiden, war für viele anfangs ungewohnt.“ Neu waren auch die Gruppenecken, in die sich die Audianer seither während ihrer drei Pausen pro Schicht zurückziehen können. Dort finden auch ihre Gruppengespräche statt.Ein weiteres positives Resultat der Gruppenarbeit: Ältere Mitarbeiter und solche mit gesundheitlichen Einschränkungen werden in die Gruppe integriert, sie sind vollwertige Mitglieder. Aufgaben, die sie zum Beispiel aufgrund einer Einschränkung nicht ausführen können, kompensieren ihre Kollegen. „Wenn jemand eine bestimmte Aufgabe nicht übernehmen kann, dann besprechen wir das. Wir entscheiden gemeinsam, und das macht die Leute zufriedener“, sagt Heinzlmeier.Audi will die Gruppenarbeit beibehalten und weiterentwickeln. So soll noch stärker auf die individuelle Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitarbeiters eingegangen werden. Erarbeitet werden für die Gruppenarbeit intelligente Rotationskonzepte und verbesserte Trainingsansätze. Zudem denkt das Unternehmen bereits intensiv über moderne Standards der Gruppenarbeit nach, beispielsweise über innovative Konzepte zu Gruppenecken und die Integration neuer Medien.
Lesen Sie auch: