"Durfte bei Hauptversammlung nicht auf Schlips verzichten"

Daimler-Chef Dieter Zetsche ist für seine Entertainer-Qualitäten bekannt. Vor rund einem Jahr legte er mit seiner humorvollen und selbstironischen Weihnachts-Video-Botschaft für die Mitarbeiter die Mercedes-Server lahm.

Beim Kongress der Automobilwoche scherzte er etwa: "Das Bild vom Offroader habe ich auf dem Parteitag der Grünen lieber aus der Präsentation rausgenommen. Man muss ja nicht unnötig provozieren."

Im Gespräch mit dem "Handelsblatt" setzt er noch einen drauf. Danach gefragt, was ihn auf die Veranstaltung der Grünen verschlagen habe und ob er sie unbeschadet überstanden habe, antwortet Zetsche: "Mir wurde zwar vorher angeraten, einen abwaschbaren Anzug zu tragen, aber diese Warnungen waren unbegründet. Vor Ort gab es - nach einer kurzen Protestphase am Anfang - auch viel Applaus. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte das Gefühl, dass man mir zuhört."

Dass sich Zetsche gerade sehr darum bemüht, den Konzern hipper und jünger aussehen zu lassen, macht sich seit einiger Zeit auch im Outfit des 63-jährigen bemerkbar. Da haken die Kollegen des Wirtschaftsblatt nochmal genauer nach.

Geht Zetsche in diesem eher legeren Outfit auch zur nächsten Hauptversammlung? "Zumindest ohne Schlips", antwortet der Daimler-Chef und setzt mit einem Augenzwinkern nach, "letztes Jahr durfte ich nicht, da haben mir einige Kolleginnen und Kollegen gesagt, die Anleger würden sonst keine Aktien mehr kaufen. Mal schauen, wie es dieses Mal ausgeht."

Der Daimler-Chef ist aber nicht nur im Plauderton unterwegs. Dafür gibt es aktuell zu viele, zu ernste Themen. Der Wandel der Branche durch die Elektromobilität, von dem Arbeitnehmervertreter fürchten, dass er Tausende Jobs kosten könnte. Zetsche beruhigt: "Diese Veränderung wird viele Beschäftigte betreffen. Aber dafür werden neue Aufgaben entstehen. Am Ende werden diese neuen Aufgaben zahlenmäßig eher größer als kleiner."

Auch die wachsende Zahl und Intensität an digitalen Prozessen und Geschäftsmodellen werden die Autoindustrie tüchtig durcheinander wirbeln. Der Daimler-Chef ist sicher der großen Herausforderung bewusst, die vernetztes und autonomes Fahren inklusive aller neuen Dieste mit sich bringt, und glaubt daran, dass seine Vision vom neuen Fahren, Realität wird. "Weil wir (...) das Produkt, unsere Hardware, in den Mittelpunkt stellen. Diese Hardware werden wir jetzt weiterentwickeln mit neuer Software. Wenn wir aber jetzt sagen würden: "Läuft doch, wir machen mit der Hardware fantastische Gewinne", dann kann es sein, dass wir in zehn Jahren nicht mehr existieren. Oder nur in sehr rudimentärer Form. (...) Weil sich am Ende alles beim Kunden entscheidet. Bei Amazon bekomme ich heute ein Buch per Knopfdruck. Aber wenn ich für den Kauf eines neuen Mercedes drei Wochen lang Kataloge wälzen muss, dann wird das auf Dauer nicht funktionieren. Dann erledigt das jemand anderes für uns. Und dann haben wir keinen direkten Kontakt mehr zum Kunden."