Der Super-Diesel von Mercedes

Stuttgart. Dem Diesel-Motor geht es schlecht. Der VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte hat sein Image ramponiert. Kritiker wie die Deutsche Umwelthilfe lassen keine Gelegenheit aus, die Antriebstechnologie als umweltschädlich und von gestern darzustellen. Neue Testverfahren zur Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte auch unter realen Bedingungen des Straßenverkehrs machen ihm in Zukunft das Leben schwer.

Doch die Hersteller lassen den Diesel nicht fallen. Für die neue E-Klasse hat etwa Daimler eine Motorenfamilie entwickelt, die alles besser machen soll. "Die neuen Premium-Diesel sind sparsamer und stärker, leichter und kompakter – und sie sind darauf ausgelegt, alle künftigen Abgasvorschriften weltweit zu erfüllen", verspricht Daimler-Entwicklungschef Thomas Weber.

Der neue Super-Diesel trägt den Namen OM 654, hat 195 PS und soll als erstes in der E-Klasse 220d zum Einsatz kommen, die im Frühjahr bei den Händlern steht. Mit einem Verbrauch von im Schnitt 3,9 Litern auf 100 Kilometern und einem CO2-Ausstoß von 102 Gramm/Kilometer setzt das Aggregat neue Bestmarken bei Mercedes. Das sind rund 13 Prozent weniger als der Vorgänger. Nach dem Willen der EU sollen Autos von 2020 an im Schnitt sogar nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen.

2,6 Milliarden Euro hat die Entwicklung der neuen Motorenfamilie gekostet, sagte Motorenchefentwickler Bernhard Heil jüngst vor Journalisten. Damit sich die Investition lohnt, muss der Motor möglichst breit ausgerollt werden. Er soll von der A-Klasse bis zum Sprinter in einer Vielzahl von Pkw-Modellen und Transportern eingesetzt werden. Geplant sind außerdem mehrere Leistungsstufen. Die modulare Bauweise macht den Längs- und Quereinbau in Fahrzeugen mit Front-, Heck- und Allradantrieb möglich. Damit ist sein Einfluss auf den Flottenverbrauch groß.

Die gesteigerte Effizienz und Sauberkeit wird durch mehrere Neuerungen erreicht. So ist der Motor erstmals aus Vollaluminium und mit 168 Kilogramm fast 35 Kilogramm leichter als sein Vorgänger. Die Reibung der Zylinder wurde durch eine neuartige Beschichtung verbessert. Der Hubraum wurde von 2,15 Liter auf zwei Liter reduziert.

Bei der Entwicklung hatten die Daimler-Ingenieure bereits die neuen Testverfahren der Europäischen Union im Blick, die von 2017 an gelten sollen. Dann erfolgt die Typgenehmigung auf dem Prüfstand über das WLTP-Verfahren, das deutlich realistischer ist als der Vorgänger NEFZ. Außerdem müssen die Autos auch im Straßenverkehr beim RDE-Test beweisen, dass sie die Grenzwerte einhalten können. In einem ersten Schritt sind jedoch Abweichungen um den Faktor zwei erlaubt, später sinkt dieser Wert auf 1,5.

Auf den Prüfständen der Motorenentwicklung wurden deshalb in wechselnden Klimaverhältnissen alle möglichen Straßen- und Fahrsituationen nachgestellt. Bisher offenbarte sich bei vielen Diesel-Motoren eine große Diskrepanz zwischen Labortest und Einsatz auf der Straße. Die Deutsche Umwelthilfe hatte deshalb jüngst sogar den Entzug der Typgenehmigung für eine C-Klasse 220 CDI der Vorgängergeneration des aktuellen Modells beim Kraftfahrtbundesamt beantragt. Diese hatte die Stickoxid-Grenzwerte von 80 Gramm pro Kilometer um das bis zu 28-fache übertroffen.

Der neue Motor ist daher vollgestopft mit modernster Abgasreinigung, die den Ausstoß von Stickoxiden gegenüber dem Vorgänger-Motor um bis zu 80 Prozent reduzieren. Dazu zählen etwa Mehrwege-Abgasrückführung, Diesel-Oxidationskatalysator, Partikelfilter und SCR-Katalysator mit AdBlue-Technologie. Um spezifischen Länderanforderungen einfacher gerecht werden zu können, ist die Abgasreinigung erstmals am Motor selbst angeordnet. Aufwendige Änderungen am Fahrzeug entfallen damit.

Trotz aller Kritik bleibt der Diesel für Daimler ein wesentlicher Teil der Antriebs-Strategie. "Aus unserer Sicht sind Dieselmotoren in Lkw und Pkw unverzichtbar, wenn der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß weiter sinken soll", so Weber. Während der Diesel in den USA kaum eine Rolle spielt, sind in Europa 53 Prozent aller Autos mit Selbstzündern ausgestattet. Experten gehen jedoch davon aus, dass der Anteil als Folge des Abgas-Skandals bei VW und der steigenden Kosten für die Entwicklung wegen schärferer Grenzwerte in Zukunft abnehmen dürfte.