Der Ruf einer ganzen Branche habe unter dem Diesel-Skandal gelitten, sagt Elmar Degenhart, der als Vorstandsvorsitzender des DAX-Riesen Continental für das Wohl und Wehe von rund 220.000 Mitarbeitern verantwortlich zeichnet. "Es wird nicht mehr differenziert zwischen einzelnen Herstellern oder Zulieferern. Die Branche wird in Summe verhaftet. Das ist keine gute Entwicklung", mahnt er im Interview mit dem Handelsblatt.
Degenhart gilt als Steuermann mit Weitblick. Die Continental-Aktie gehört seit Jahren zu den besten Papieren im Deutschen Aktien Index. Der Chef hat die wichtigen Trends und Strömungen in der Branche früh erkannt - Hybridisierung, Elektrifizierung, Sensorik und optische Systeme für automatisierte Fahrzeuge - Continental spielt auf allen wichtigen Feldern mit und belegt mit einem Umsatz von 32,7 Milliarden Euro 2016 Platz 4 der weltweit größten Automobilzulieferer. (Siehe Ranking der Top 100 Autozulieferer weltweit im Datencenter der Automobilwoche).
Deshalb kann Degenhart auch eine Zukunft, in der der Verbrenner-Motor eine immer kleinere Rollen spielt, nicht schrecken. Während viele kleinere Zulieferer dem Wandel wohl zum Opfer fallen werden, ist der Conti-Chef zuversichtlich. "Das (die Entwicklung zur E-Mobiliät; Anm. d. Red.) macht uns (...) keine Sorge, denn der Markt wird insgesamt größer, weil wir für Elektroautos deutlich werthaltigere Komponenten und Systeme zuliefern können, als es bei heutigen Verbrennern der Fall ist. Unsere Produkte und Systeme dafür sind theoretisch drei- bis viermal mehr wert", erklärt der Chef.
Dass Verbrennungsmotoren von der Politik vielleicht sogar verboten werden könnten, ist für Degenhart ein beunruhigendes Szenario: "Verbote bergen die Gefahr, dass die Industrie gezwungen wird, Technologien auf den Markt zu bringen, die noch zu teuer sind und deshalb nicht erlauben, Gewinne zu erwirtschaften und Wert zu schaffen", so der Conti-Chef. "Dieses Risiko sollte vermieden werden."
Für ähnlich sinnlos hält Degenhart Hardware-Nachrüstungen an Dieselfahrzeugen. Er warnt sogar vor den Folgen einer solchen Aktion. "Man muss bedenken, dass solche Nachrüstungen rückwärtsgerichteten Entwicklungsaufwand bedeuten", erklärt der den Handelsblatt-Redakteuren. Dieses Geld fehle, um an notwendigen Zukunftstechnologien zu arbeiten.
"Zudem ist unseren Schätzungen zufolge weit weniger als die Hälfte der Dieselfahrzeuge im Bestand nachrüstbar, weil für die zusätzliche Technik kein Platz im Auto wäre", sagt Degenhart. Deshalb halte er diese Maßnahme für "bedingt umsetzbar". Degenhart: "Ein hoher Aufwand für eine relativ überschaubare Wirkung."
Für die emotional geführte Debatte um den Diesel habe er durchaus Verständnis. Doch er betont nochmals: "Der moderne Diesel kann einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, wenn er richtig eingesetzt wird". Auf der IAA zeige Conti den „Super Clean Electrified Diesel“. Der soll nicht nur auf dem Prüfstand, sondern im realen Fahrbetrieb den Stickoxid-Grenzwert von 80 Milligramm je Kilometer erfüllen. "Eine weitere Senkung in Richtung 50 Milligramm ist möglich", verspricht Degenhart und bekräftigt: "Der Diesel hat das Potential, super sauber zu sein."
Natürlich bleibt in einem Gespräch mit dem Conti-Chef auch das Thema Autonomes Fahren nicht aus. Ob das ganze nicht ein übertriebener Hype sei, wollen die Journalisten wissen.
"Das sehe ich ganz anders", kontert Degenhart. Automatisiertes Fahren werde nicht nur den Verkehr flüssiger machen und den Schadstoffausstoß reduzieren. Es sorge vor allem für mehr Sicherheit. "Jedes Jahr sterben auf der Welt etwa 1,3 Millionen Menschen durch Verkehrsunfälle – täglich so viele, wie in sieben Großraumflugzeuge passen. Unser Ziel lautet „Vision Zero“, also null Verkehrstote und Verkehrsunfälle. Das ist langfristig machbar."
Lesen Sie auch:
Mercedes Benz: Zetsche will vier Milliarden Euro einsparen
Conti auf der IAA 2017: Lösungen für leichtes Laden
Bosch auf der IAA 2017: Ideen zum Autofahren von morgen - Stressfrei zu den Verkehr
Alles News zur IAA in unserem IAA-Spezial unter automobilwoche.de/iaa