Bei einem Grundlagenpapier sind grundsätzlich zwei Varianten denkbar: Entweder handelt es sich um eine rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen Unternehmen und Betriebsrat, mit dem die Parteien gegenseitige Rechte und Pflichten begründen wollten. Oder es handelt sich um eine bloße Absichtserklärung, die lediglich dazu dient, zum Beispiel Teilverhandlungsergebnisse festzuhalten und die Bedeutung des geplanten Handelns zu unterstreichen. Eine abschließende Bewertung, was hier der Fall ist, hängt vom Inhalt des Papiers und von den einzelnen Umständen ab, unter denen es zustande gekommen ist.
"Causa Conti": Thesen eines neutralen Experten
Unter Berufung auf eine Absichtserklärung könnten grundsätzlich weder der Betriebsrat noch die Arbeitnehmer erfolgversprechend gegen die geplante Werksschließung vorgehen. Eine solche Absichtserklärung entfaltet nämlich regelmäßig keinerlei Bindungswirkung für die Parteien. Erst aus einer rechtsverbindliche Vereinbarung können unmittelbar Rechte für den Betriebsrat und gegebenenfalls auch für die Arbeitnehmer entstehen, die notfalls auch vor den Arbeitsgerichten durchgesetzt werden können.
Sollte es noch gar nicht zu einer Einigung zwischen Unternehmen und Betriebsrat gekommen sein, weil die Verhandlungen etwa wegen des dramatischen Markteinbruchs abgebrochen wurden und etwaige bis dahin verhandelte Vereinbarungsentwürfe von den Parteien noch gar nicht unterzeichnet wurden, läge noch gar kein Grundlagenpapier vor. Aus einem Entwurf könnten weder das Unternehmen noch der Betriebsrat oder die Arbeitnehmer irgendwelche Rechte herleiten.
Grundsätzlich muss man wissen, dass es für eine Betriebsvereinbarung nur auf den Inhalt der Vereinbarung ankommt und nicht darauf, wie die Parteien die Vereinbarung bezeichnen. Käme man nach den Umständen zu dem Ergebnis, dass eine Betriebsvereinbarung vorliegt, so könnte der Betriebsrat in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren den Arbeitgeber auf Durchführung bzw. Einhaltung der Betriebsvereinbarung und auf Unterlassung entgegenstehender Handlungen verklagen. Auch die Arbeitnehmer selbst könnten vor den Arbeitsgerichten klagen, denn eine Betriebsvereinbarung gilt unmittelbar und zwingend für die Arbeitnehmer und entfaltet somit im Betrieb eine Wirkung wie ein Gesetz. Verzichtet ein Unternehmen etwa in einer Betriebsvereinbarung wirksam auf betriebsbedingte Kündigungen, können gekündigte Arbeitnehmer sich darauf berufen.
Sollte es sich zwar um eine rechtsverbindliche Vereinbarung, aber nicht um eine Betriebsvereinbarung handeln, würde man von einer Betriebsabsprache oder Regelungsabrede sprechen. Diese gilt aber nur zwischen den Parteien, also Arbeitgeber und Betriebsrat; Arbeitnehmer können aus einer Betriebsabsprache keine eigenen Rechte herleiten.
Angenommen, es ließe sich das Grundlagenpapier als rechtsverbindlich einstufen, wäre ein Ausstieg in der Tat dann möglich, wenn sich die Umstände oder die wesentlichen Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändern oder sich als falsch herausstellen. Und wenn man sagen würde, die Parteien hätten den Vertrag, hätten sie die Veränderungen vorausgesehen, nicht oder nicht so abgeschlossen. Wenn eine Anpassung der Vertrages an die neue Situation nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann jede Partei den Vertrag mit Wirkung für die Zukunft kündigen.