Ein wichtiger Aspekt des autonomen Fahrens ist noch nicht geklärt: Wie können Hersteller gewährleisten, dass sich Robo-Autos im Straßenverkehr "richtig" verhalten?
Denn "richtig" bedeutet nicht zwangsläufig regelkonform. Darüber sprach Emilio Frazzoli, Chef-Wissenschaftler bei Aptiv Autonomous Mobility auf der IAA.
Zunächst gelte natürlich die Straßenverkehrsordnung. Im Idealfall befolgen alle Verkehrsteilnehmer alle relevanten Regeln ohne untereinander in Konflikte zu geraten. Beispielsweise fährt ein Auto bei einer grünen Ampel in der Regel weiter und vermeidet einen Spurwechsel bei einem durchgehenden Fahrbahnstreifen.
"Unter realen Bedingungen kommt es jedoch häufig vor, dass sich bestimmte Regeln widersprechen, insbesondere in Städten", gibt Frazzoli zu bedenken.
So muss ein Fahrzeug mitunter bei grünem Licht anhalten, weil es sonst einen unachtsamen Fußgänger überfahren würde. Oder ein Lastwagen, der in der zweiten Reihe parkt, macht es erforderlich kurzzeitig auf die Gegenspur auszuweichen. "In solchen Situationen folgt man üblicherweise dem "gesunden Menschenverstand" und ordnet andere Regeln unter", so Frazzoli.
Wie aber sollen sich autonome Fahrzeuge also in einem Fall verhalten, in dem sie sich nicht einfach auf die Straßenverkehrsordnung verlassen können – wenn Sicherheitsaspekte, die gängige Praxis, kulturelle Normen oder ethische Entscheidungen ihr zuwiderlaufen? Frazzolis Antwort: "Genauso wie ein umsichtiger menschlicher Fahrer."
Dafür habe Aptiv den Ansatz Structured AI entwickelt. Dabei handelt es sich um ein stringentes System zur mathematischen Kodierung von logischen Beschreibungen der Straßenregeln und Fahrpräferenzen sowie deren Beziehungen untereinander.
Dafür hat der Konzern ein Regelwerk entworfen, das auf einem komplexen Algorithmus. "Das Regelwerk legt fest, wie Vorschriften, gängige Verhaltensweisen und die Bedürfnisse der Verkehrsteilnehmer priorisiert werden", erklärt Frazzoli. Ziel: die Sicherheit und den Komfort der Passagiere gewährleisten.
"Das System von Aptiv ermöglicht es einem autonomen Fahrzeug, das sicherste Vorgehen zu ermitteln – auch in Szenarien, in denen gegen Straßenverkehrsregeln verstoßen werden muss, um die Sicherheit zu garantieren. Das Regelwerk lässt sich an länderspezifische Gegebenheiten anpassen, so dass Entwickler es für Fahrzeuge weltweit einsetzen können, ohne Entscheidungssysteme neu zu schreiben", so Emilio Frazzoli.
Die vom Aptiv-Team definierten und mathematisch abgeleiteten Grundregeln könnten auch als Leitfaden für Beamte und Gremien bei der Entwicklung von Sicherheitsregularien dienen, so der Wunsch des Chef-Wissenschaftlers.
Die Standardisierung der Fahrprinzipien von autonomen Fahrzeugen sei "dringend erforderlich". Was nicht heiße, dass jede Zeile Code gleichförmig sein muss. "Der „Fahrstil“ von autonomen Fahrzeugen variiert je nach Hersteller, ähnlich wie bei menschlichen Fahrweisen", so Frazzoli. Es gehe darum, dass sich selbstfahrende Autos jedoch an eine Reihe von vereinbarten, priorisierten Leitprinzipien halten müssten. Vor kurzem veröffentlichte das Team von Aptiv Autonomous Mobility eine wissenschaftliche Arbeit über Verantwortung, Ethik und kulturbewusstem Verhalten beim Einsatz von Regelwerken für das autonome Fahren. (ree)
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