Ende Oktober ist Verkaufsstart für Ihren ersten batterieelektrischen schweren LKW. Welchen Anteil an der Jahresproduktion wird das Fahrzeug 2024 einnehmen?
Beim Hochlauf dieses Fahrzeugs reden wir nicht über eine Gerade, sondern über eine exponentielle Kurve. Das haben wir auch schon bei unseren vollelektrischen Stadtbussen gesehen. 2020 sind wir gestartet – gerade haben wir den 1000. eBus an unsere Kunden übergeben. 2024 wollen wir die ersten 200 Elektro-Lkw an unsere Kunden übergeben. Schon im folgenden Jahr sollte die Anzahl vierstellig werden und in den Jahren danach rechnen wir mit einem exponentiellen Wachstum – natürlich immer gesetzt den Fall, die entsprechende Ladeinfrastruktur wird auch ausgebaut. Schon 2030 soll die Hälfte unserer abgesetzten Trucks in Europa vollelektrisch sein.
Warum dieser recht langsame Hochlauf zu Beginn?
Sehen Sie: Die Formel für ein CO2-neutrales Transportwesen unterscheidet sich von der bei Pkw-Flotten. Mit dem neuen E-Truck haben wir jetzt erstmal das richtige Fahrzeug für den Markt. Dazu kommt der Multiplikator Ladeinfrastruktur und der Multiplikator CO2-Preis. Deutschland hat bei Letzterem durch die Erhöhung der Maut für Diesel-Lkw bereits einen großen und auch richtigen Schritt getan. Investitionen in Elektro-Lkw werden sich dadurch schneller amortisieren. Aber wenn Sie solche Multiplikatoren brauchen, muss jeder größer als null sein, um zu funktionieren. Bei der Infrastruktur liegt er aber noch bei null. Für Nutzfahrzeuge ist sie in Deutschland praktisch nicht vorhanden. Das ist aktuell unser größtes Problem.
Warum tut sich hier so wenig?
Das müssen Sie vor allem die Politik fragen. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung von Truck-OEMs und öffentlicher Hand, um hier endlich vorwärtszukommen. Johannes Pallasch, der Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, macht hier mit seinem Team einen guten Job. Allerdings verzögert sich die dringende Ausschreibung des Initialnetzes für Nutzfahrzeuge nun bis ins Frühjahr 2024. Es bleibt daher eine massive Herausforderung. Denn schon 2025 kommen die eLkw aller Hersteller in größeren Stückzahlen. Und die werden wir nicht nur in den Depots laden können. Auch hier ist wegen der komplexen Genehmigungsverfahren ein gewaltiger Vorlauf notwendig. Ein Beispiel aus unserem Busgeschäft: Bis ich den Spaten in die Erde stechen kann, um an einem Bus-Depot eine Ladeleistung von zwei oder drei Megawatt für Stadtbusse aufzubauen, vergehen schnell zwei Jahre.
Wirklich zwei Jahre?
Ja, bis sämtliche Genehmigungen dafür vorliegen. Das müssen wir beschleunigen, so etwas kann man locker in einem Viertel der Zeit schaffen, wenn man Standards in den Genehmigungsverfahren schafft und Schnellverfahren in den Kommunen ermöglicht. Und natürlich brauchen diese Kommunen auch Rückendeckung für die Finanzierung ihrer Investitionen. Aus meiner Sicht sollte man auch Drittinvestoren den Zugang zum Bau von Ladeinfrastruktur erleichtern. Das gleiche beschleunigte Verfahren brauchen wir dann auch für das öffentliche Ladenetz entlang der Autobahnen.
Also sollen Anbieter wie Fastned zukünftig auch LKW-Ladesäulen errichten?
Das wäre eine Möglichkeit. Eine Ladesäule mit Megawatt-Charging-Angebot für Lkw wird auch viel schneller ausgelastet sein mit deutlich höheren Strommengen, die abgeben werden, als eine einzelne Ladesäule für Pkw. Das ist also ein sich schnell amortisierendes, tragfähiges Geschäftsmodell auch für private Unternehmen. In der TRATON GROUP haben wir gemeinsam mit Daimler Trucks und der Volvo Group auch deshalb das Joint-Venture Milence gegründet, um mindestens 1700 Hochleistungsladepunkte entlang der europäischen Verkehrsachsen zu errichten.