Seat hat eine Wende geschafft, die noch vor wenigen Jahren kaum denkbar war. Heute gilt die Marke als cool und ist die am schnellsten wachsende innerhalb des Volkswagen-Konzerns. Und Geld verdient wird auch. Ein Interview mit Vertriebs- und Marketingvorstand Wayne Griffiths.
Herr Griffiths, wie wu¨rden Sie denn den typischen Seat-Fahrer beschreiben?
Der Seat-Fahrer ist im Schnitt deutlich jünger als der von anderen Konzernmarken. Wir reden hier von einem Unterschied von zehn Jahren. Das gilt für Frauen wie für Männer. Für viele ist es sogar das erste Auto, wenn sie den Führerschein gemacht haben. Außerdem legen sie großen Wert auf das Design eines Autos sowie das Infotainment. Sie hören gerne Musik, sind cool und sehr städtisch.
Wo sehen Sie die Positionierung von Seat zwischen Škoda und VW?
Die Marke Seat wächst am dynamischsten und hat mit 73 Prozent die höchste Eroberungsrate. Während VW für die qualitative Spitze des Volumenmarkts steht und Škoda bei Privatkunden für sein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis geschätzt wird, steht Seat für urbane Coolness und Emotionalität. Damit haben wir in den vergangenen Jahren sehr gut Erfahrungen gemacht. Seat ist enorm gewachsen in den vergangenen Jahren.
Was sind die Hauptgründe für den Erfolg? Allein im vergangenen Jahr konnten wir unsere Verkäufe um fast elf Prozent auf 574.100 Fahrzeuge steigern. Die Basis für das Wachstum haben wir durch unsere SUV-Offensive gelegt. Inzwischen entfallen rund 44 Prozent des Absatzes auf die Modelle Arona, Ateca und Tarraco. Fast jedes fünfte verkaufte Auto von Seat ist ein Arona. Mit rund 150.000 Stück bleibt aber der Leon der Bestseller der Marke. Wir profitieren also vom allgemeinen SUV-Boom, können aber auch innerhalb des Segments nochmals deutlich stärker zulegen als der Gesamtmarkt.
Welches sind die wichtigsten Märkte für Seat?
Wir sind die am schnellsten wachsende Marke in ganz Europa. Inzwischen ist Deutschland zum stärksten Markt für Seat avanciert. Hier erreichen wir einen Marktanteil von vier Prozent und auch die höchste Profitabilität. Danach kommt unser Heimatmarkt Spanien, wo beinahe jedes zehnte verkaufte Auto ein Seat ist. Wo sehen Sie noch Chancen für Wachstum? Die Globalisierung der Marke ist ein wichtiger Teil unserer Strategie. Wir sehen in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern ein starkes Wachstum und viel weiteres Potenzial. Deshalb wollen wir dort auch in Kolumbien oder Peru expandieren. Auch in nordafrikanischen Staaten wie Algerien oder Marokko sind wir stark und längst nicht am Ende angelangt. In Osteuropa dagegen hat Škoda eine gewisse Vormachtstellung, und wir sehen genügend andere Märkte mit Wachstumspotenzial.
Seat hat vor geraumer Zeit angekündigt, auch auf den chinesischen Markt gehen zu wollen. Wie weit sind die Pläne?
Der chinesische Markt ist in den letzten zwei Jahren geschrumpft, und kleinere Marken im Volumensegment haben darunter gelitten. Die Corona-Krise ist jetzt noch dazugekommen. Vor diesem Hintergrund hat Seat seine Anfangspläne geändert und beschlossen, den Eintritt in den chinesischen Markt auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Das Unternehmen wird dem JACVolkswagen- Joint-Venture nicht beitreten. Seat wird aber weiterhin mit dem Joint Venture in Design- Projekten sowie bei Forschung und Entwicklung zusammenarbeiten.
Inwiefern hat zum Erfolg in vielen Märkten auch der Ausbau des Händlernetzes beigetragen?
Wir haben aktuell rund 1700 Seat- Händler in 75 Märkten weltweit. Das hat sich in den vergangenen Jahren gar nicht so sehr geändert. Statt auf Quantität legen wir mehr Wert auf die Qualität und wollen vor allem die Profitabilität erhöhen. Das ist uns auch ganz gut gelungen. Gerade in Deutschland haben viele unserer Handelspartner in ein attraktives Erscheinungsbild der Marke investiert.
Welche Rolle soll dabei die Sportmarke Cupra spielen? Für Cupra haben wir derzeit 200 spezielle Markenshops bei Seat- Händlern installiert. Ich könnte mir vorstellen, dass es Ende nächsten Jahres etwa doppelt so viele sind. Hier folgt der Aufbau der Markteinführung des Cupra Formentor, des ersten eigenständigen Modells, von dem wir uns einen großen Schub für die nächsten Jahre erhoffen. Weitere Cupra-Modelle werden folgen. Die Marke ist nicht zuletzt von großer Bedeutung für Seat, weil wir damit auch die Profitabilität deutlich verbessern können.
Wie unterscheidet sich Cupra von den Sportmarken wie R von VW oder RS von Audi?
Wir befinden uns mit Cupra auf einer großartigen Reise. Bereits im ersten vollen Jahr nach Gründung haben wir 24.000 Einheiten verkauft, vor allem in Deutschland. Cupra ist insofern etwas Besonderes, als es sich um eine völlig eigenständige Marke mit 100 Prozent eigener DNA handelt und nicht nur um eine Ausstattungslinie. Nach dem Cupra Formentor, der bei den Kunden bereits jetzt fantastische Resonanz erfährt, werden wir weitere Cupra-Modelle auf den Markt bringen. Auf diese Weise wollen wir erreichen, dass die Marke in einigen Jahren einen Umsatz von einer Milliarde Euro erreicht, was rund zehn Prozent des Gesamtumsatzes entspricht.
Welche Rolle spielen für Sie digitale Kanäle im Verkauf? Sie werden für uns immer wichtiger. Allerdings glaube ich nicht, dass Seat-Kunden künftig Autos für 30.000 Euro oder mehr ausschließlich online erwerben wollen. Dagegen ist dies bei einem Leasing von monatlich 200 bis 300 Euro sehr viel wahrscheinlicher. Deshalb wollen wir unser Flottenmanagement ausbauen und über ein Agenturmodell mit wenigen Klicks das Abschließen solcher Verträge ermöglichen. Auch unser Flatrate-Angebot in einigen Ländern, bei dem man sich für eine bestimmte Rate jeden Monat ein anderes Modell aussuchen kann, kommt sehr gut an.
Mit dem Mii Electric haben Sie bereits ein rein batterieelektrisches Modell am Start. Wie geht es hier weiter?
Wir wollen Ende des Jahres mit dem El-Born unser erstes Modell auf Basis des Elektrobaukastens aus dem Volkswagen-Konzern präsentieren. 2020 wird daher ein Meilenstein in der Elektrifizierungsstrategie. Mit dem Tarraco, dem Cupra und Seat Leon sowie dem Cupra Formentor haben wir zudem vier Modelle mit Plug-in- Varianten am Start. Damit glauben wir, für die Erreichung der CO2- Ziele der Europäischen Union gut gerüstet zu sein. Wo sehen Sie die Marke Seat in fu¨nf Jahren? Es geht darum, eine relevante Größe innerhalb des Volkswagen- Konzerns zu werden und eine coole Marke für junge Menschen. Um dies zu erreichen, sind wir auf dem richtigen Weg.
Das Interview führte Michael Gerster.
Dieser Artikel stammt aus der "edition 70 Jahre Seat". Das Heft können Sie jetzt im Shop bestellen.
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