Herr Ploss, Innovationen wie e-Mobilität oder autonomes Fahren werden die Preise für Fahrzeuge deutlich steigen lassen. Wie viel machen Chips dabei aus?
Ob die Preise steigen, müssen die Hersteller entscheiden. Was auf jeden Fall steigen wird, ist der Wert der eingesetzten Chips. Wir rechnen damit, dass für ein autonomes Auto noch einmal 500 bis 700 Dollar on top kommen. Das kann in Einzelfällen je nach Fahrzeug bis 1000 Dollar hochgehen. Zurzeit liegen wir im Schnitt bei 330 Dollar pro Fahrzeug.
Und bei Elektroautos?
Um elektrisch fahren zu können, kommen noch einmal Chips im Wert von etwa 300 Dollar im Schnitt hinein. Das gilt sowohl für reine Elektrofahrzeuge als auch für den Hybrid.
Das dürfte den Kostendruck seitens der Kunden auf Infineon deutlich erhöhen.
Ich möchte es einmal so ausdrücken: Einkauf spielte schon immer eine wesentliche Rolle im Automobilsegment. Der Kostendruck war schon immer hoch und wird es bleiben. Wichtig ist, dass wir den Kostendruck nicht nur auf der Komponentenseite versuchen zu lösen, sondern vor allem auf der Systemseite.
Das heißt?
Nehmen wir das Beispiel Radar: Bei der ersten Generation von Radar-Chips mussten diese noch mühsam von unseren Kunden eingebaut werden. Jetzt bietenwir Packages ohne Performanceverlust an, bei denen jeder Zulieferer ersten Ranges seine Chips einfach auf die Leiterplatte löten kann. Der Chip ist zwar teurer, aber für den Kunden wegen des leichteren Einbaus netto billiger. Das ist für mich die Schlüsseltechnologie, um Radar zum Beispiel in den Golf zu bekommen. Dass Siebener, A8 oder S-Klasse Radar haben, ist gut und wichtig. Aber entscheidend sind Passat und Golf, um ins Volumen zu kommen.
Mit welchen Autotrends wachsen sie am schnellsten?
Die Hälfte des prognostizierten Wachstums in unserem Autobereich kommt aus den Bereichen E Mobilität sowie Fahrerassistenzsysteme beziehungsweise autonomes Fahren, hier vor allem vom Radar und von hoch zuverlässigen Mikrocontrollern. Aber vergessen wir nicht, dass auch der Verbrennungsmotor weiter zum Wachstum beiträgt, etwa über Chips für die effizientere Getriebesteuerung. Automotive erwirtschaftet mit gut 40 Prozent einen wichtigen Anteil am Infineon-Umsatz und wächst leicht stärker als die anderen Bereiche. Für das laufende Geschäftsjahr erwarten wir ein Umsatzwachstum von sechs Prozent plus/ minus zwei Prozentpunkte.
Infineon hatdie US-FirmenWolfsfeldundInternationalRectifier übernommen. Wie weit sind sie da?
Die Integration von International Rectifier ist weitgehend abgeschlossen, wir waren sogar ein Jahr schneller als geplant. Mit dem Unternehmen haben wir unsere Präsenz im Silicon Valley als wichtigem Zentrum für Innovationen verstärkt und unser Angebot bei Leistungshalbleitern ergänzt. Bei Wolfspeed erwarten wir das Closing Anfang des Jahres. Wolfspeed ist Spezialist für Siliziumkarbid. Verbindungshalbleiter sind sehr interessant für Elektromobilität. Damit können Inverter sehr viel kompakter gebaut werden, das spart wertvollen Raum. Außerdem kann der Wirkungsgrad im elektrischen Antriebsstrang erhöht werden. Und: Verbindungshalbleiter sind wesentliche Voraussetzung für 5G, den Mobil-funkstandard der Zukunft.
Infineon wird von Analysten immer wieder selbst als Übernahmekandidat gehandelt.
Das ist Storytelling, man schreibt halt gerne darüber. Und nachdem jeder jeden übernimmt, lässt es sich da gut spekulieren. Ich kann versichern: Das Unternehmen steht als eigenständige Einheit sehr gut da.
Auch Ihre Konkurrenten fusionieren und werden bedrohlich groß. Sie könnten überholt werden.
Da mache ich mir keine Sorgen.Wir stecken im Herzen des Autos. Die Motorsteuerung, die Steuerung der Lenkung, die Steuerung der Bremse sind weiterhin extrem relevant im Auto. Das ist unsere Domäne. Ein Wettbewerber wie Intel will das Gehirn des autonomen Autos entwickeln, mit neuronalen Halbleitern. Das wollen wir nicht. Wir sind überzeugt, dass zum Beispiel Bremsen und Lenken immer eigene Einheiten sein werden, daher treffen wir uns mit unseren Wettbewerbern im zentralen Steuerungsgerät und ergänzen uns dort. Gehirn ist gut und schön. Aber ohne Augen und Gliedmaßen bringt das nichts – und die kommen von uns.
Es gibt neben dem zentralen Steuerungsgerät also weiterhin elektronische Nebenschauplätze?
Eines der größten Risiken beim autonomen Fahren ist doch, dass bei den Steuergeräten der Strom ausfällt. Es braucht eine zweite Versorgungsquelle. Sie können nicht einfach sagen, ich habe einen Kurzschluss. Sie müssen den Teil, der nicht mehr funktioniert, rausschalten können, während der Rest weiter funktioniert. Sichere Stromversorgung: Das machen wir. Ein neuronaler Netzwerkprozessor kann das nicht, und er wird sich darauf verlassen, dass wir das liefern.