Herr Müller-Ötvös, warum braucht die Welt Rolls-Royce?
Weil die Welt Dinge braucht, die die Seele erfreuen. Die Schönheit zum Ausdruck bringen, die handwerkliche Kunst zelebrieren. Deshalb ist es schön, Rolls-Royce zu haben. Luxus zu haben. Es dauert über 800 Stunden, bis ein Fahrzeug fertig ist. Das ist pure Handwerkskunst.
Aber wir sprechen schon noch von Autos?
Keiner unserer Kunden braucht einen Rolls-Royce, um von A nach B zu kommen. Wir sind eigentlich gar nicht im Automobilgeschäft, wir sind im Luxusgütergeschäft. Diese Kunden sagen nicht „Oh, mein Leasingvertrag läuft aus, was soll ich denn jetzt nehmen?“ So etwas existiert bei uns nicht.
Die Klientel scheint da zu sein. Rolls-Royce hat 2018 mit 4107 Einheiten einen Rekord geschafft.
Der neue Phantom hat extrem gut eingeschlagen. Auch 2019 sind wir gut unterwegs, weil der Cullinan seit Weihnachten 2018 verfügbar ist. Er hilft uns, dass wir erneut ein Rekordjahr schaffen sollten.
Was peilen Sie an?
Bei Verkaufszahlen sind wir sehr schmallippig. Das Letzte, was Kunden hören wollen, ist Volumen. Luxus ist Reduktion. Im Unternehmen definieren wir uns nicht über Volumen. Ich werde von der BMW Group über Profit-Ziele geführt. Und wir sind erfreulich profitabel.
Gibt es eine Volumen-Grenze, wo Luxus nicht mehr Luxus ist?
Wir haben eine andere Grenze: den Preis. Sie werden von uns nie erleben, dass wir ein Modell unterhalb des Ghost anbieten (vor Steuern ab 250.000 Euro, Anm. d. Red.). Beim Phantom mit ein paar Extras sind Sie schnell bei einer Million Euro. Die häufig mit uns verglichene Marke ist in einem anderen Preissegment unterwegs, und das ist auch gut so.
Stichwort Cullinan: Rolls-Royce und SUV – das klingt nach einer spannenden Wette.
Da haben Sie recht. Damals haben wir quasi vor einem weißen Blatt Papier gesessen und uns gefragt, ob das geht. Heute zeigt sich der Erfolg. Und der Cullinan sorgt auch für eine weitere Verjüngung der Marke. Unser Durchschnittsalter liegt bei 43 Jahren. Vor zehn Jahren waren es 56 Jahre.
Von 2040 an will Rolls-Royce nur noch elektrifizierte Fahrzeuge anbieten…
…was auch zusammenpasst. Rolls-Royce ist sehr leise in der Fortbewegung und definiert sich nicht über lautstarkes Motorengeräusch.
Wann kommt der erste elektrifizierte Rolls-Royce in der Geschichte des Unternehmens?
Wir arbeiten daran. Es wird im nächsten Jahrzehnt passieren.
Sie produzieren ausschließlich im südenglischen Goodwood. Was bedeutet für Sie der Brexit?
Die Frage ist leider noch immer aktuell. Rolls-Royce gehört zu England. Wir sind Teil der britischen Industrie-Kronjuwelen. Der Erfolg der Marke liegt darin, echt britisch zu sein. Wir sind so gutes geht vorbereitet, wir waren auch schon im März gut vorbereitet. Meine größte Sorge ist die Reglementierung des freien Handels. Der freie Fluss von Gütern und Menschen muss klappen. Nur zehn Prozent unserer Zulieferer sind aus England, 90 Prozent sind international. Wenn nur ein Teil fehlt, kann ich das Auto nicht bauen.
Marken wie Aston Martin und Ferrari sind an die Börse gegangen. Ist das eine Option für Sie?
Nein, das ist keine Option. Es gibt keine Pläne, die mir bekannt sind, an die Börse zu gehen. Ich glaube, dass die BMW Group glücklich ist mit Rolls-Royce. Und sicherlich auch ein bisschen stolz, was da gelungen ist. Sie erinnern sich, in den 1990er-Jahren war Rolls-Royce in einem denkbar desolaten Zustand. Die BMW Group hat die Marke völlig relauncht und zurück an die Spitze des Automobilbaus gebracht.
Sie sind seit fast zehn Jahren in England Vorstandschef von Rolls-Royce. Ist das ein Zeitpunkt für Sie, etwas zu ändern?
Es ist unverändert eine Ehre, für diese Marke zu arbeiten. Von mir aus kann es gern noch weitergehen. Aber das müssen Sie andere fragen.
Das Interview führte Burkhard Riering
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