Nach starken Jahren geht die AVAG ihren Wachstumskurs etwas langsamer an. Die Augsburger Handelsgruppe erwartet herausfordernde Zeiten. Die Vorstandssprecher Roman und Albert C. Still äußern sich im Automobilwoche-Interview zu Dieseln und CO2-Grenzwerten sowie Eigenzulassungen.
In den vergangenen vier Jahren ist dieAVAG sehr stark gewachsen. Jetzt treten Sie auf die Bremse. Warum?
Roman Still: Sie müssen jedes Wachstum erst mal verarbeiten. Man muss die Organisation anpassen, schauen, dass alles profitabel genug ist. Nicht jede Investition blüht sofort. Aber man kann sie zum Blühen bringen. Damit haben wir gut zu tun, und wir wachsen ja auch weiterhin organisch. Das reicht.
An welche Investition, die nicht sofort geblüht hat, haben Sie jetzt gedacht?
Albert C. Still: Das ist allgemein so. Wir übernehmen ja in den seltensten Fällen die super laufenden Betriebe. Und wenn Betriebe schon Probleme haben, gibt es noch mehr Probleme bei einer Übernahme. Da muss man erst mal rauskommen.
Die Rendite hatte unter dem Wachstum nicht gelitten.
Roman Still: Das stimmt. Aber sie ist mit 1,7 Prozent auch nicht da, wo wir sie gerne hätten.
Wo wollen Sie sie haben?
Roman Still: Die zwei Prozent sind ein Klassiker in der Branche. Wenn wir die haben, sind wir sehr zufrieden. Und die hatten wir ja auch schon vor zwei Jahren.
Wie lange soll die Stabilisierungsphase dauern?
Roman Still: 2020 wird das erste Jahr mit CO2-Vorgaben und Strafzahlungen. Warten wir mal ab, was dann so passiert – auch in Sachen Elektromobilität – und wie sich das auf die Verkäufe auswirkt.
Welche Auswirkungen erwarten Sie? Die Strafen treffen ja nicht den Handel.
Albert C. Still: Letztlich treffen sie den Kunden, denn die Hersteller werden sie im Preis weitergeben müssen. Da ist vieles noch in der Schwebe, und wir wollen nicht irgendwann sagen müssen: "Oh, schade, jetzt kommt der große Sturm und wir haben gerade die Fenster offen."
Roman Still: Wenn er denn kommt.
Albert C. Still: Ja. Vielleicht bleibt der Himmel auch klar, dann können wir die Fenster wieder aufmachen.
Erwarten Sie einen Absatzeinbruch?
Roman Still: Nein.
Opel hat schwierige Jahre hinter sich. Konnten Sie sich entkoppeln?
Roman Still: Wir sind nie entkoppelt von Opel. Das sind 60 Prozent unseres Gesamtvolumens. Aber da wir Opel verstehen, konnten wir gut damit umgehen und haben gerade mit Opel sehr gutes Wachstum erzielt. Auch mit der PSA-Gruppe kommen wir gut zurecht.
Opel setzt sehr stark auf Eigenzulassungen. Wie sehen Sie das?
Roman Still: Wir sehen dieses Mittel sehr positiv. Es ist ein Bestandteil der Vertriebspolitik – auch um Lagerverkäufe zu forcieren.
Macht es nicht die Preise kaputt?
Roman Still: Wir bekommen ja Geld dafür, dass wir die Autos zulassen, und damit können wir die Preise senken. Wenn der Preis stimmt und ich das Auto verkaufen kann, ist die Welt in Ordnung. Ob das dann eine Tageszulassung oder ein Neuwagen ist, ist mir persönlich egal.
Die Marke Peugeot haben Sie an zwei Standorten. Sollen es mehr werden?
Roman Still: Das wird sich automatisch so ergeben. Die Technik im Hintergrund läuft ja auch zusammen.
Sind Standorte mit den drei Marken Opel, Peugeot und Citroën möglich?
Roman Still: Für uns ist das denkbar. Die Frage ist, ob wir Standorte haben, wo alle drei hineinpassen – und ob der Hersteller dort Bedarf hat, denn er hat jaschon ein Netz. Über ein, zwei Orte sprechen wir gerade, aber da muss man noch schauen. Grundsätzlich sind wir offen.
Der Mercedes-Einstieg in Österreich war der größte Kauf 2018. Wie läuft es?
Albert C. Still: Inzwischen klappt alles, aber anfangs war es sehr schwer, denn wir haben ohne Verwaltung übernommen – ohne Buchhaltung, ohne Disposition. Da merkt man, wie schwierig das ist. Für Mercedes Österreich war es das erste Mal seit ewigen Zeiten, einen ganz neuen Händler, der noch nie etwas mit der Marke zu tun hatte, einzusetzen. Denen war oft gar nicht bewusst, was wir alles nicht wissen.
Zum Beispiel?
Albert C. Still: Da geht es um Details: Man beantragt den Zugang für einen Verkäufer für das Kalkulationssystem, damit er ein Auto konfigurieren kann, und stellt fest: Das dauert drei Wochen. Das hat uns keiner gesagt.
Bereuen Sie den Einstieg?
Roman Still: Nein, das war ein guter und richtiger Schritt. Dazugekommen ist außerdem, dass wir bei Mercedes in Österreich ein Dealer-Management-System einsetzen, das wir neu programmiert haben. Da haben wir eine Zusatzerschwernis eingebaut, um die Aufgabe noch herausfordernder zu gestalten (lacht).
Wollen Sie das neue DMS auf die ganze Gruppe ausrollen?
Roman Still: Grundsätzlich ja – aber wir müssen uns noch in Details mit dem Anbieter Incadea einig werden.
Wäre Mercedes in Deutschland auch etwas für Sie?
Albert C. Still: Dazu gab es bisher keine Gespräche. Es liegt aber nicht an uns, wir sind da immer offen.
Roman Still: Es ist eine Marke, die wir vertreiben. Warum also nicht?
Kann der Handel heute in Zeiten alternativer Vertriebskonzepte und City-Stores noch so groß bauen wie früher?
Roman Still: Manche Marken senken die Standards. Opel verlangt 20 Quadratmeter weniger Ausstellungsfläche: 480 statt 500. Ob es das rausreißt, weiß ich nicht. Die Produktvielfalt ist groß wie nie, sodass man eine gewisse Grundgröße braucht. Und bei digitalen City-Stores muss man fragen: "Wie voll sind sie denn?"
Also keine City-Stores?
Roman Still: Es kann durchaus sein, dass das irgendwo funktioniert. Aber wenn ich etwas nur noch digital sehe, gehe ich dann noch in einen Laden oder suche ich es mir gleich am Computer heraus? Ich glaube, dass die Menschen nach wie vor echte Autos anschauen und anfassen wollen. Und einen Gebrauchten kann ich nicht digitalisieren. Als Ergänzung können digitale Modelle aber sinnvoll sein – wenn ich beispielsweise ein Fahrzeug nicht da habe.
Albert C. Still: Die Erfahrung zeigt, dass diese City-Stores für den wirklichen Verkauf nicht viel bringen. Als Werbung ja, für den Verkauf eher nicht.
In Stuttgart haben Sie den City-Store Cayu getestet und wieder eingestellt. Sind andere Stores geplant?
Roman Still: Nein. Wir haben für uns gelernt, dass es so nicht funktioniert. Die perfekte Lage ist extrem teuer. Da kommt schnell so viel Miete zusammen wie in einem mittelgroßen Autohaus. Und auch Shopping-Malls haben nicht durchgehend riesige Kundenströme. Vielleicht ist es besser, regelmäßig mit Ständen oder Werbung für ein, zwei Wochen in verschiedene Malls zu gehen.
Sie sagen, einen Gebrauchten könne man nicht digitalisieren. Bleiben Gebrauchte also Vor-Ort-Geschäft?
Albert C. Still: Das kann sich natürlich irgendwann ändern, aber aktuell ist es so, dass die Kunden sich zwar im Internet informieren, aber nicht einmal zehn Prozent schreiben uns auch online an. Stattdessen kommen sie persönlich vorbei und schauen sich das Auto an.
Welche Onlinebörsen nutzen Sie?
Roman Still: Alle gängigen.
Wie stehen Sie zur Preispolitik der beiden großen etablierten Börsen?
Roman Still: Die Preiserhöhungen gefallen uns natürlich nicht. Im Augenblick gehen wir sie noch mit – auch gezwungenermaßen. Aber es wird irgendwann einen Punkt geben, wo sie aufpassen müssen, dass nicht andere Börsen überhandnehmen. Auch wegen der Art und Weise, wie die Angebote präsentiert werden – von gekauften Plätzen bis zum Preisvergleich. Und es wird noch mehr Konkurrenz geben. Da gibt es noch den ein oder anderen, der auf den Markt kommen will.
Sie bauen derzeit Ihre Business Development Center aus. Was erwarten Sie davon?
Roman Still: Im Moment gibt es in der Branche fast alles, von der "Hausfrauentelefonie“ bis zum professionellen Callcenter. Ein richtiges BDC ist aber noch mehr. Es macht Zusatzverkauf, bringt Zusatznutzen in jedem Telefonat. So weit sind wir im Moment noch nicht, aber wir arbeiten daran.
Was fehlt noch?
Albert C. Still: Es kommt auf die Prozesse an. Der häufigste Anruf bei uns ist: "Ist mein Auto fertig?" Da brauchen Sie einen Prozess, bei dem die Dame im BDC direkt sehen kann: Ist das Auto fertig oder wie lange braucht es noch – und stimmt das mit der Vereinbarung mit dem Kunden überein?
Sollen die BDCs marken- und gebietsübergreifend arbeiten?
Albert C. Still: Ein Mitarbeiter kann nicht beim Abheben "Citroën" sagen und beim nächsten "Mercedes". Das funktioniert nicht, weil sich die Systeme zu sehr unterscheiden und man spezifisches Wissen über das Fabrikat braucht.
Roman Still: Man kann aber ein BDC mit mehreren Teams machen, die dann jeweils nur für eine Marke zuständig sind – auch gebietsübergreifend.
Lohnt sich das?
Roman Still: Für ein kleines Haus nicht. Es kostet ja Geld, Sie brauchen Profis.
Wie viel?
Roman Still: Da ist man schnell allein beim Personal bei 250.000 bis 300.000 Euro für ein Center. Man muss sehr genau rechnen, ob es sich lohnt.
Mit dem Autohaus Staiger sind Sie in Stuttgart am Hotspot der Dieselfahrverbote. Wie stark ist das Geschäft dort betroffen?
Roman Still: In Stuttgart bevorzugen Neuwagenkunden jetzt einen Benziner – wenn er für sie passt. Vielfahrer bleiben beim Diesel, Flottenkunden auch. Im Gebrauchtwagengeschäft merkt man es bedingt. Bisher ist noch kein Diesel bei uns auf dem Hof stehengeblieben. Einen finanziellen Schaden haben wir sicher erlitten – aber er hat uns nicht umgeworfen.
Wie sehr drücken Leasingrückläufer?
Roman Still: Inzwischen kommt nichts mehr zurück, was nicht Euro 6 ist, und die sind im Verkauf unproblematisch. Aber wir sind von vielem schon überrascht worden, wo man gesagt hat, es ist unproblematisch, und dann war es das doch nicht. Ich glaube, der VW-Konzern kann davon ein Lied singen.
Sind Sie derzeit froh, keine VW-Marken zu haben?
Albert C. Still: Ein bisschen schon.
Roman Still: Wir haben auch Hersteller mit relativ geringen Diesel-Anteilen: Opel, Ford – Toyota hat praktisch gar keine Diesel.
Wird das Thema in absehbarer Zeit erledigt sein?
Roman Still: Ich glaube, ja. Weil jetzt alle Motoren, die kommen, mit Euro 6d-temp praktisch keine Stickoxide mehr ausstoßen. Wir brauchen den Diesel, um die CO2-Ziele zu erreichen.
Albert C. Still: Da gibt es nichts mehr, was gegen einen Diesel spricht.
Hat Sie das WLTP-Chaos getroffen?
Roman Still: Das war bei unseren Herstellern kein Problem. Es hat sogar der ein oder andere Gewerbeverkauf stattgefunden, weil wir – im Gegensatz zu anderen – liefern konnten.
Die Elektromobilität wird Einbußen im Werkstattgeschäft bringen. Wie dick wird es aus Ihrer Sicht kommen?
Albert C. Still: Im Jahr 2025 sollen rund 25Prozent des Verkaufsvolumens Elektroautos sein. Das sind etwa hälftig Plug-in-Hybride und reine Stromer. Plug-in bringt sogar mehr Werkstattumsatz. Das heißt, ich verliere ab 2025 für 12,5 Prozent meines Neuwagengeschäfts zwei Drittel des Werkstattumsatzes. Das sind acht Prozent. Aber es streckt sich auf zehn Jahre, bis es im Bestand angekommen ist. Darauf können wir uns einstellen. Und weil es einen Konzentrationsprozess gibt, wird man es am einzelnen Standort gar nicht so merken – wenn man nicht der ist, der verschwindet.
Und das werden nicht Sie sein.
Roman Still: Davon gehen wir aus.
Albert C. Still: Und man kann ja schauen, ob man Geschäftsfelder zurückholt.
Roman Still: Einen Anbieter wie Carglass gibt es ja auch nur, weil sich der Vertragshandel nicht um das Thema gekümmert hat. Aber Carglass kann schnell Probleme bekommen, wenn der Handel wieder Lust auf das Thema hat.
Geht das so einfach, gerade bei einer so bekannten Marke?
Albert C. Still: Ich muss mich eben kümmern und Autos, die hereinkommen, konsequent auf Steinschläge untersuchen. In den ersten Jahren kommen die Kunden lieber dahin zurück, wo sie das Auto gekauft haben. Das können wir mit Bindungssystemen bis zu Fahrzeugen mit sechs oder sieben Jahren ausdehnen.
Denken Sie da an Paketangebote oder günstigere Service-Linien für ältere Autos?
Roman Still: Ich glaube, Sie können nicht zu einem Kunden sagen: "Wenn Dein Auto drei Jahre alt ist, musst Du ein teures Teil kaufen, wenn es vier Jahre alt ist, gebe ich Dir ein günstigeres." Das kann ich ihm nicht erklären. Ich muss dem Kunden den Service bereits zum Auslieferungszeitpunkt mitverkaufen, dann kommt er zu mir. Wir machen das sehr konsequent, und das schlägt sich auch in höheren Rückkehrquoten bei Neu- und Gebrauchtwagenkunden nieder.
Das Interview führte Christof Rührmair