Herr Waltl, wie sieht die Fabrik der Zukunft aus?
Die Automobilfertigung wird einen deutlichen Wandel erleben. Ich glaube, es wird irgendwann keine Bandfertigung mehr geben, sondern stattdessen hochflexible Montageprozesse mit fahrerlosen Transportsystemen, die die Karosserien durch die Werkhallen steuern. Fest steht: Im Zuge der Digitalisierung wird sich eine Fabrik entwickeln, die noch deutlich stärker in sich vernetzt sein wird als dies heute schon der Fall ist. Es wird aber auch mit der Beschaffung, den Lieferanten und dem Vertrieb einen permanenten automatisierten Datenaustausch geben. Durch die konsequente Vernetzung werden Fertigungsprozesse noch effizienter und intelligenter, sodass ein noch höheres Produktivitäts- und Qualitätsniveau möglich sein wird. Darum nennen wir bei Audi diese umfassende Entwicklung auch Smart Factory.
Wie kommunizieren Ihre Werke denn miteinander?
Um ein Beispiel herauszugreifen: Wir haben im Werk Ingolstadt eine Fernwartung. Wenn einer unserer mexikanischen Mitarbeiter an seiner Schweißanlage ein Problem hat, ruft er seinen Kollegen in Deutschland an. Der loggt sich ins System ein, analysiert die Sache genau und kann dann schnell und unkompliziert fachliche Unterstützung geben.
Worauf ist Ihre Smart Factory ausgerichtet?
Unsere Autos noch flexibler und schneller bauen und das bei zunehmender Produktvielfalt und Fertigungskomplexität - das muss unser Ziel sein. Dabei wird der Blick auch immer auf unsere Mitarbeiter gerichtet sein. Wir dürfen sie mit komplexer werdenden Prozessen nicht überfordern, sondern müssen ihnen stattdessen mit intelligenten Lösungen assistieren. Die Mensch-Roboter-Kooperation ist hier beispielgebend. Ich bin überzeugt, dass sie zunehmend in den Fabriken Einzug halten wird, denn diese neue Robotertechnologie erlaubt uns, unsere Mitarbeiter zu entlasten, ob beim Tragen schwerer Komponenten oder bei monotonen Arbeitsabläufen. Wir nehmen beim Thema Ergonomie schon seit vielen Jahren eine Führungsrolle ein und wollen auch weiterhin deutliche Fortschritte machen.
Wie stellen Sie Ihre Fabriken auf neue Antriebstechnologien ein?
Für mich steht fest: Die Fabrik der Zukunft wird auch abhängig davon sein, welche Technologien sich durchsetzen werden. Wir sind heute in der Lage, verschiedene Antriebsstränge - konventionell oder alternativ - in unsere Automobile zu integrieren. Außerdem sind unsere Werke so flexibel, dass wir diese Produkte in die reguläre Montage integrieren können, ohne dafür eine Sonderfertigung aufzubauen. Die Frage ist, wie entwickeln sich die Antriebsstränge, kommt beispielsweise die Brennstoffzelle? Das müssen wir bei der Fabrikplanung immer mit berücksichtigen, auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis sich dieser Antrieb durchsetzt.
Werden Sie in Ihrem geplanten Werk in Mexiko auch schon auf die Mensch-Roboter-Kooperation setzen?
Wir konzentrieren uns in Mexiko zunächst auf den Fabrikanlauf im kommenden Jahr. Bis dahin werden wir weitere wertvolle Erfahrungen mit Mensch-Roboter-Kooperationen in bereits bestehenden Werken sammeln. Im nächsten Schritt wollen wir dann auch im Werk Mexiko den direkten Schulterschluss zwischen Mensch und Maschine umsetzen.
Mexiko ist der erste Audi-Standort, der komplett digital geplant wurde. Welche Vorteile verschafft Ihnen das?
Ein wichtiger Punkt ist der Faktor Zeit, denn dank der Simulation können wir das Werk innerhalb von nur zwei Jahren aufbauen. Und zugleich legen wir - noch bevor die ersten Bagger anrollen - die Basis, dass später in den Fertigungsabläufen alle Rädchen perfekt ineinandergreifen. Wenn Sie heute unsere Fabrik in Mexiko betreten, sehen Sie ein ganzes Bataillon an Robotern. Die müssen jetzt einjustiert und dann programmiert werden. Weil ihr Einsatz vorher virtuell geplant worden ist, können wir dieses Vorhaben in hoher Geschwindigkeit umsetzen.
Hilft Ihnen die digitale Planung des Werks auch später in der Produktion?
Selbstverständlich. Auch wenn das Werk bereits läuft, lassen sich immer wieder die Grunddaten heranziehen und darauf aufbauend weiterführende Prozesse simulieren. Eine Automobilfabrik wird quasi wie ein Flughafen von einem Tower aus gesteuert. Die Menschen darin überwachen an riesigen Monitoren, welche Autos aufgelegt werden, welche Stoßfänger und welche Karosserie in welcher Farbe zum Zeitpunkt X am Bandabschnitt X zur Montage verfügbar sein muss. Das ist ein hochkomplexer Prozess.
Wie hoch sind denn Ihre Sparpotenziale durch die Digitalisierung einer Fabrik?
Wir sehen ganz klare finanzielle Vorteile, aber das ist nicht alles. Fakt ist: Ohne diese Technologie können wir heute nicht mehr schnell, effizient und präzise genug arbeiten. Klar ist aber auch, dass sich die Durchlaufzeit für die Automobilfertigung durch die Digitalisierung drastisch reduziert hat.
Gibt es auch Synergieeffekte bei der Zulieferung?
Ja, aber wie hoch die sind, hängt davon ab, wie der Lieferant ausgestattet ist und mit den von uns gelieferten Daten umgehen kann. Das ist auch von Bauteil zu Bauteil sehr unterschiedlich. Mit Hilfe der Digitalisierung lassen sich Konstruktionsabweichungen erheblich schneller erkennen. Das wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Ich erinnere mich noch gut an eine Zeit, in der wir Werkzeuge gebaut und beim ersten Zusammenfügen der Teile festgestellt haben, dass sie gar nicht zusammenpassen. Das wurde erst sichtbar, als beispielsweise das Blech fertig war. Heute legen Sie Daten virtuell übereinander und wissen sofort, ob es eine Abweichung gibt. Das ist eine enorme Zeitersparnis.
Audi hat ein Effizienzprogramm aufgelegt, in welchem Maße trägt die Produktion dazu bei?
Jeder Geschäftsbereich leistet dazu seinen Beitrag. Wir in der Produktion haben beispielsweise beschlossen, die Sparten Presswerk und Karosseriebau zusammenzulegen, weil wir dadurch Synergieeffekte heben können. Aktuell sind wir dabei, den Zusammenschluss an weltweit allen Audi-Standorten umzusetzen.
Konnten Sie im vergangenen Jahr die Produktivität in der Fertigung steigern?
Unser Ziel ist, dass wir die Produktivität über alle Standorte hinweg jedes Jahr zwischen drei bis fünf Prozent steigern. Und das haben wir auch 2014 geschafft.