Herr Stratmann, Mahle hat Einsparungen angekündigt. Wann hat sich die Notwendigkeit dazu ergeben?
Schon in der zweiten Jahreshälfte 2018 hatten wir eine leichte Abkühlung der Märkte beobachtet, die sich dann im letzten Quartal nochmals verstärkt hat, sodass wir gegen Ende des Jahres unsere eigenen Prognosen für 2018 bei der Umsatz- und Ergebnisentwicklung leicht korrigieren mussten. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres und auch im Ausblick sehen wir einen weiteren Rückgang. Diese Abkühlung betrifft verschiedene Märkte und ist stärker als ursprünglich prognostiziert, sodass wir entsprechend agieren müssen. Der Rückgang betrifft aber nicht nur Mahle, sondern die gesamte Automobilindustrie. Zugleich müssen wir die hohen Aufwendungen für die Transformation stemmen, das ist anspruchsvoll.
Was bedeutet das für Mahle?
Die Effizienzprogramme, die wir 2018 bei Mahle ohnehin bereits installiert haben, müssen wir um ein weiteres Element ergänzen und das ist ein Kostenoptimierungs- und Sparprogramm. Innerhalb dieses Programms schauen wir uns die verschiedenen Kostenkategorien an. Beispielsweise die Sachkosten, wie Reise- und Meetingkosten. Die wollen wir entsprechend reduzieren. Zudem prüfen wir den Materialbereich mit direktem und indirektem Material, aber wir schauen uns auch unsere Strukturen und unsere Personalkosten an. Im Prinzip werden alle Bereiche überprüft, bei denen wir einen weiteren Optimierungsbedarf identifizieren können. Das ist ein ergebnisoffener Prozess, den wir gerade in Gang gesetzt haben. Zum derzeitigen Zeitpunkt kann ich daher noch keine Größenordnung in puncto Kosteneinsparungen und Personalanpassungen nennen.
Wann können Sie konkreter werden?
Das werden die Analysen und auch die Diskussionen in den nächsten Wochen zeigen. Wir wollen zügig reagieren und agieren. Ein genaues Zeitfenster ist im Moment schwierig zu benennen. Aber in ein paar Wochen sollten wir mehr wissen.
Wollen Sie sich von Teilen Ihres Portfolios trennen?
Wir schauen immer, welche Produkte zu unserer strategischen Ausrichtung passen. So haben wir uns in der Vergangenheit von unseren Schmiedeaktivitäten oder auch von der Industriefiltration getrennt. Zurzeit haben wir aber keine Pläne, uns von einzelnen Produkten oder Produktgruppen zu trennen.
Verfolgt Mahle weiter eine duale Strategie mit Produkten und Systemen für Verbrennungs- und Elektromotoren?
Ja, wir wollen sowohl neue Antriebsformen vorantreiben, als auch unsere Position im Bereich der Verbrennungsmotoren weiter stärken. Dahinter steht eine pragmatische Sichtweise: Die Automobilindustrie ist in puncto künftiger Antriebstechnologien von einer großen Unsicherheit geprägt und steht vor sehr großen Herausforderungen. Ich wünsche mir, dass wir in Summe eine größere Versachlichung der Diskussion bekommen. Dazu gehört auch eine klare Technologieoffenheit. Für eine umweltverträgliche und umweltkonforme Mobilität müssen wir den individuellen Mobilitätsbedarf der Menschen deutlich stärker berücksichtigen. So hängt es ganz stark vom Einsatzzweck und vom Fahrprofil ab, welches Fahrzeug mit welcher Antriebstechnologie im Sinne der Umweltverträglichkeit das Richtige ist.
Welche Antriebsarten umfasst das?
Auf der einen Seite muss die Elektromobilität vorangetrieben werden – mit allem, was dazu gehört. Dazu zählen nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die notwendige Infrastruktur. Aber wir sollten auch andere Technologien wie den Verbrenner mit alternativen Kraftstoffen, die Hybridtechnologie und die Brennstoffzelle verfolgen.
Wie abhängig ist Mahle vom Verbrenner?
Im Pkw-Bereich liegen wir mittlerweile deutlich unter 50 Prozent. Wir haben sehr viele Produkte, die sowohl im Verbrenner als auch im Hybrid oder in rein elektrischen Fahrzeugen eingesetzt werden.
Welche Produkte sind das?
Dazu zählen viele Filtrations- und Thermoprodukte, die Batterietemperierung, aber auch die klassische Klimaanlage sowohl mit mechanischem als auch mit elektrischem Kompressor. Und natürlich auch Produkte wie Traktionsmotoren aus unserem neuen Geschäftsfeld Mechatronik sowie die Leistungselektronik.
Sollte die E-Mobilität von staatlicher Seite subventioniert werden?
Insbesondere bei der Infrastruktur sollte der Staat unterstützen. So könnte er durch eine Forschungsförderung entsprechende Rahmenbedingungen setzen und Anreize schaffen. Das würde ich mir auch verstärkt für die Brennstoffzellentechnologie wünschen.
Darum auch ihr Engagement bei der Ladeinfrastruktur?
Wir beschäftigen uns seit drei Jahren intensiv mit dem Thema Induktives Laden. In der Magnetresonanz-Technologie sehen wir einen zusätzlichen Türöffner für die E-Mobilität, da sie einen hohen Komfortfaktor mit sich bringt. Unser System kann zudem bidirektional ausgelegt werden. Das heißt, im Prinzip können wir elektrische Energie puffern und wieder abgeben – das ist vor allem attraktiv, um regenerativ erzeugten Strom besser zu nutzen.
Wie groß ist das Interesse der Kunden?
Einige Fahrzeughersteller zeigen sehr großes Interesse, weil sie für die Technologie ein entsprechendes Marktpotenzial sehen. Mit chargeBig haben wir bei der Ladeinfrastruktur noch ein zweites Thema, mit dem wir eine Lösung für Langzeitparker anbieten wollen. Ziel dabei ist es nicht, möglichst schnell zu laden, sondern eine Ladeinfrastruktur für möglichst viele Fahrzeuge zu nutzen. ChargeBig eignet sich besonders für Parkhäuser. Mit dem Stuttgarter Flughafen haben wir einen ersten externen Partner überzeugen können; außerdem installieren wir gerade rund 140 Ladestationen in unseren eigenen Parkhäusern hier in Stuttgart.
Wann rechnen Sie mit serienreifen Lösungen bei der Magnetresonanz-Technologie?
Das hängt ja nicht nur von uns ab, sondern wie schnell wir gemeinsam mit unseren Kunden in der Entwicklung vorankommen. Technisch wären wir in einigen Jahren soweit.
Mahle ist Partner beim Brennstoffzellentruck Nikola Two, der 2021 in Serie gehen soll. Wie wichtig ist dieses Projekt für Mahle?
Auf jeden Fall ist es eines unserer Leuchtturmprojekte. Wir sind bei Nikola der Partner für das gesamte Thermomanagement inklusive der Klimatisierung. Das betrifft sowohl die Entwicklung als auch die Serienbelieferung. Auf der Fernstrecke ist die Brennstoffzelle wahrscheinlich die beste Lösung, insbesondere wenn sich der Wasserstoff mit regenerativer Energie herstellen lässt. Wenn es das Ziel sein soll, mit Fernverkehrs-Lkw emissionsfrei zu fahren, drängt sich die Brennstoffzelle förmlich auf.
Was muss Ihrer Ansicht nach geschehen, um der Brennstoffzellentechnologie zum Durchbruch zu verhelfen?
An der Brennstoffzelle wurde schon viele Jahre entwickelt. Zum einen muss das jetzt einfach mal umgesetzt und industrialisiert werden. Zum anderen müssen wir etwas für die Infrastruktur tun. Wir dürfen uns nicht rein auf die elektrische Infrastruktur konzentrieren, sondern wir müssen auch die Wasserstoffinfrastruktur ausbauen. Wir sollten nach Einsatzzweck und Fahrprofil entscheiden, welche Technologie eingesetzt wird. Das gilt für den Pkw wie auch für das Nutzfahrzeug. Zudem ist zu bedenken, dass die Grenzwerte immer nur am Auspuff gemessen werden.
Was würden Sie gerne ändern?
Wenn über den Lebenszyklus eines Fahrzeugs auch die Kraftstoff-, Fahrzeug- und Batterieproduktion berücksichtigt wird, zeigt sich, dass vor allem die Batterieproduktion sehr energieintensiv ist und dementsprechend viel CO2 emittiert wird. In diese Diskussion müssen wir sehr bald kommen, um wirklich im Sinne der CO2-Ziele zu handeln.
Könnte von Mahle perspektivisch auch ein Rolling Chassis kommen?
Vorstellbar ist vieles. Das Konzept eines Rolling Chassis ist sicherlich interessant und könnte eine Perspektive haben. Für uns ist das zum jetzigen Zeitpunkt aber deutlich zu früh.
Gibt es bei Mahle noch Spielraum für Akquisitionen?
Derzeit liegt unser Fokus darauf, uns organisch zu entwickeln und unsere Produkte und Innovationen voranzutreiben. Selbstverständlich beobachten wir den Markt. Wenn sich Gelegenheiten ergeben, werden wir das auch genauer untersuchen. Aber im Moment ist nichts Konkretes geplant.
Welche wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereiten Ihnen die größten Sorgen?
Die Summe der Unsicherheiten. Es gibt den drohenden Brexit, einen Handelskonflikt zwischen den USA und China, bei dem unklar ist, wie er am Ende gelöst wird und es gibt die rückläufige Konjunktur in einigen wichtigen Märkten.
Vielen Dank für das Gespräch!
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