Bosch ist der größte Zulieferer der Welt. Damit das so bleibt, muss das Unternehmen "bisherige Stärken bewahren und gleichzeitig neue entwickeln", sagt Geschäftsführer Rolf Bulander im Interview mit der Automobilwoche.
Herr Bulander, mit Zündkerzen, ESP und Common-Rail wurde Bosch einst zum weltgrößten Autozulieferer. Wie schaffen Sie es, das auch zu bleiben?
Um unsere Stellung als größter Zulieferer zu halten, werden wir Bestehendes mit Neuem verbinden. Das Bestehende ist beispielsweise die Großserienproduktion von Hardware und Sensorik, das Neue ist eine Start-up-Mentalität in Bereichen wie Software und Services. Wir müssen also unsere bisherigen Stärken bewahren und gleichzeitig neue entwickeln.
Wird Bosch damit zum Start-up?
Das ist bereits passiert. Aber auch hier gilt es, einen Spagat zu schaffen: In der Großserienproduktion müssen wir über viele Jahre ein verlässlicher Partner sein. Hier lautet die Zielsetzung "null Fehler". Wenn wir aber schnell agieren wollen, müssen wir bereit sein, auch mal Fehler zu machen. Ich vergleiche das mit kleinen Pflänzchen, die man hegt und pflegt. Um sie wachsen zu lassen, haben wir eine eigene Start-up-Plattform, unser Inkubator für Geschäftsideen. Trotz aller Mühe geht dennoch mal ein Pflänzchen ein. Andere gedeihen hingegen prächtig. Unser eBike-Bereich zum Beispiel. Dieses Bosch-eigene Start-up ist innerhalb weniger Jahre schnell gewachsen.
Was zeigt Bosch auf der IAA?
Wir werden das Automated Valet Parking präsentieren. Eine Funktion, bei der das Auto den Parkplatz selbstständig findet – und zwar ohne dass ein Fahrer im Auto sitzt oder das Fahrzeug den Weg vorher gelernt hat. Dadurch passen wesentlich mehr Autos in ein Parkhaus und gleichzeitig wird das Einparken komfortabler. Dieses System haben wir bereits mit Daimler im Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums gestartet. Ab 2018 kann das dort jeder ausprobieren.
Inwiefern entwickelt sich Bosch damit vom Systemzulieferanten hin zum Mobilitätsdienstleister?
Das Pfiffige an der Geschichte ist doch, genau die Verbindung aus beiden Bereichen zu schaffen. Sie brauchen für das Automated-Valet Parking beispielsweise ein intelligentes Parkhaus und ein intelligentes Auto mit entsprechend vernetzter Sensorik. Es geht also nicht um ein Entweder-oder, sondern um die Verbindung von Hard- und Software. Und genau darin liegt die Stärke von Bosch. Dadurch werden wir natürlich auch ein Stück weit zum Mobilitätsanbieter. Aber wir bekennen uns auch ganz klar zu unserer Herkunft als Zulieferer, das ist unser Hauptgeschäft.
Welcher wird künftig der wichtigste Geschäftsbereich werden?
Das kann ich nicht so eindeutig sagen, denn die Zukunft der Mobilität wird automatisiert, vernetzt und elektrifiziert sein – diese drei Dinge gehören zusammen. Das ist wie beim Triathlon, bei dem man in drei Disziplinen gut sein muss, um zu gewinnen.
Blicken wir ins Jahr 2025. Welche Schlüsselkomponenten kommen dann von Bosch?
Ein wichtiger Baustein wird der elektrische Antriebsstrang sein, der in Verbindung mit einem klassischen Verbrenner höchste Effizienz und Reichweite bietet. Weitere Bausteine sind automatisiertes Fahren und Vernetzung. Da denken wir deutlich über die Motorhaube hinaus. Das Auto wird mit dem Haus vernetzt sein, rechtzeitig einen bevorstehenden Stau erkennen und mit dem eBike-Verleih kommunizieren, damit der Fahrer aufs Rad umsteigen kann.
Was bedeutet dieser Wandel für die Automarken?
Für viele Menschen werden auch in Zukunft Automarken ganz wichtig sein – für andere wiederum nicht. Es wird auch hier kein Entweder-oder geben, sondern nur ein Auch. Einige wollen in dem jeweils individuellen Fahrzeug von A nach B fahren. Andere bevorzugen dafür die günstigste oder schnellste Möglichkeit.
Welche Gruppe wird überwiegen?
Ich denke, ohne das wirklich belegen zu können, dass die klassischen Autobesitzer 2025 noch stark in der Mehrheit sein werden.
Wie treibt Bosch die E-Mobilität voran?
Die E-Mobilität gestalten wir seit mehr als einem Jahrzehnt mit und investieren pro Jahr rund 400 Millionen Euro. Jetzt ernten wir die Früchte. Auf der IAA zeigen wir unsere neue eAchse, die -Motor, Elektronik und Getriebe in einem Bauteil vereint. Das macht es einfach, diesen Antrieb in verschiedene Fahrzeuge einzubauen. Das gilt auch für Start-ups: Unsere Achse ist auch für einen Hersteller interessant und bezahlbar, der nur 30.000 Autos jährlich baut. Die Flexibilität des Systems kann E-Mobilität in der Breite möglich machen.
Welche Rolle spielen künftig noch Diesel- und Benzinmotoren?
Im Jahr 2025 sehen wir einen Anteil von 20 Millionen E-Autos und Hybriden an insgesamt 105 Millionen Fahrzeugen weltweit. Es bleiben also noch immer 85 Millionen Autos mit reinem Verbrennungsmotor. Deshalb müssen wir zweigleisig fahren: einerseits die E-Mobilität vorantreiben, andererseits die Verbrenner noch effizienter und sauberer machen.
Sie sprachen in Bezug auf die zunehmende Urbanisierung mal von "Mobilitätspragmatismus". Was meinen Sie damit?
Ein Beispiel: Wenn ich meine Tochter in London besuche, überlege ich mir genau, ob ich ein Taxi, Bus, Leihfahrrad oder das Auto nehme. Das jeweils vorteilhafteste Fortbewegungsmittel nutzen, das ist für mich Pragmatismus. Damit das problemlos funktioniert, müssen wir die Systeme miteinander vernetzen. Darin liegt auch der Beitrag von Bosch: Wir wollen ein Verkehrsangebot entwickeln, das es ermöglicht, nahtlos und unkompliziert vom Bus aufs Fahrrad und ins Auto umzusteigen. Ich bin sicher, dass wir das innerhalb der nächsten fünf Jahre schaffen.
Wie kommen Sie in zehn Jahren ins Büro und welchen Anteil hat Bosch daran?
Entweder ich fahre mit einem geliehenen und automatisierten Fahrzeug entspannt ins Büro. Ich kann mich natürlich auch auf mein eBike mit Bosch-Antrieb schwingen und radle die schöne Strecke durch den Wald. Oder – die dritte Möglichkeit – ich lasse mich von meinem Fahrer abholen, mit dem ich mich gerne über neue Urlaubserfahrungen austausche. Das ist meist sehr amüsant. Sie sehen, Bosch hat an allen drei Möglichkeiten einen großen Anteil (lacht).
Das Interview führte Christian Frahm.
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