Frau Wolter, welche Vorteile hat die Festkörper-Technologie?
Anders als die Lithium-Ionen-Zelle verzichtet die Festkörperzelle auf einen flüssigen Elektrolyt. Das hat vor allem bei der Sicherheit Vorteile. Die Zelle ist temperaturstabiler und deutlich schwerer entflammbar. Außerdem hat sie eine wesentlich höhere Energiedichte, sodass ein E-Auto mit einer Ladung statt 400 dann 700 bis 800 Kilometer weit fahren könnte.
Was sind die größten Hürden in der Forschung?
Wir haben Zellen mit polymerem oder anorganischem Elektrolyt entwickelt. Jetzt müssen wir die Alterungsmechanismen der Materialien besser verstehen und Fehlerquellen ausschließen. Bei einem festen Elektrolyt steigt beispielsweise die Gefahr von „Abrissen“ des Aktivmaterials, weil der Elektrolyt weniger gut das Atmen der Zelle ausgleichen kann. Außerdem suchen wir nach kostengünstigen Produktionsverfahren.
Wo steht die deutsche Forschung im internationalen Vergleich?
Ich denke, dass wir gut aufgestellt sind. Neulich hat Samsung auf einem Kongress zwar eine seriennahe Festkörperbatterie vorgestellt. Aber es ist schwer zu überprüfen, wie weit die Entwicklung tatsächlich ist. Wir sehen, dass diese Technologie mit sehr großen Erwartungen aus der Autoindustrie verbunden ist. Ein Teil der Arbeit ist es auch, hier für den nötigen Realismus zu sorgen.
Die Festkörperbatterie wäre ein Weg für einen späteren Einstieg in eine deutsche Zellfertigung.
Ich bin der Meinung, dass ein Einstieg auf Basis der aktuellen Technologie erfolgen muss, um wichtige Erfahrungen zu sammeln, die auch für die Fertigung neuer Zellgenerationen wichtig sind. Wenn sich die Fahrzeugzahlen beim Hochlauf der Elektromobilität wie vorhergesagt entwickeln, dann brauchen wir ohnehin eine Vielzahl von Fabriken und können nicht länger abwarten.
Aber wäre es so nicht leichter, an den Asiaten vorbeizuziehen?
Nein, denn die Fertigungsprozesse sind am Ende nicht so unterschiedlich. Aber um die Risiken bewerten zu können und die Technologie insgesamt zu verstehen, muss ich die Lernkurve mitmachen. Alles, was wir bei der Lithium-Ionen-Zelle nicht verstanden haben, würde uns bei der Festkörper-Technologie fehlen.
Wer sollte eine Industrialisierung übernehmen?
Letztlich braucht es einen Hersteller, der Nischen wie auch den Weltmarkt bedienen kann. Dies werden entweder asiatische Unternehmen mit Erfahrung oder neue Player sein, die einen gewissen „Leidensdruck“ haben. Auch wir als Forschungseinrichtung benötigen diese Partner. Wir können zwar kostengünstige Produktionsverfahren entwickeln, aber es braucht jemanden, der in der Praxis damit arbeitet und seine Erfahrungen an uns zurückspiegelt. Sonst kommen wir nicht weiter. Am Ende entscheidet vermutlich, bei wem der Leidensdruck am größten ist.
Das Interview führte Michael Gerster
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