Herr Senger, alles spricht über Elektroautos, auf der Straße sind sie aber nicht zu sehen. In welcher Phase der Elektromobilität befinden wir uns gerade?
Wir sind in der Marktvorbereitungsphase. 2016 war für VW der Zeitpunkt, um Strategien in konkrete Umsetzungspläne zu verwandeln. Die haben wir jetzt. 2017 wird das Jahr der großen Operative. Wir binden Zulieferer jetzt verbindlich ein und planen den Werksausbau im Detail, damit im Jahr 2020 eine neue Generation von Volkswagen-Autos an den Start gehen kann.
Mancher Zulieferer wünscht sich, dass er bei den Werkzeugkosten nicht in so kurzer Zeit in Vorleistung gehen müsste ...
Wir gehen in kürzere Entwicklungszeiten, denn E-Fahrzeuge sind weniger komplex. Wir müssen unser Time-to-Market in der Elektromobilität verkürzen, damit wir näher am Kunden sind. Dafür müssen wir unsere Partner qualifizieren, dafür müssen wir uns selbst qualifizieren. Und das alles sehr sehr schnell.
Der MEB, der Modulare Elektrifizierungsbaukasten, ist Ihr Baby. Was macht ihn aus?
Der MEB stellt das wertvollste Teil ins Zentrum: die Batterie. Deshalb werden wir die Autos auf dem MEB mit langen Radständen und kurzen Überhängen bauen, weil wir zwischen den Rädern den maximalen Raum für die Batterie schaffen wollen. Die Flachbodenbatterie hat einfache Geometrien und ist in der Lage, jedes Zellformat eines jeden Zulieferers einzusetzen.
Wer wird die Batterien liefern?
Die Gesamtsystembildung der Batterie liegt bei Volkswagen. Für den MEB sind wir noch in Abwägungen, wer zuliefert. Es gibt keine Entscheidungen zu vermelden.
Was machen Autos des MEB aus?
Der MEB ist kein Auto ohne Auspuff. Es ist eher ein Tablet auf Rädern, ein fahrendes, elektrisches Device. Wir sind in der Lage, Software-Updates zu machen, wie es sonst nur für hochpreisige Fahrzeuge gedacht ist. Und Sie werden auch sehen, dass hier plötzlich große Innenräume entstehen. Der VW I.D. zum Beispiel ist kürzer als ein Golf, hat aber mehr Innenraum als ein Passat.
Dann gehen Sie in den Heckantrieb, wie Tesla?
Das ist einfache Physik. Wenn Sie die Batterie, das schwerste Bauteil, in die Mitte des Autos legen, dann ist auch der Masse-Schwerpunkt exakt in der Mitte. Sie bekommen die 60 Prozent Vorderachslast nicht mehr hin. Mit Heckantrieb sind wir bei 50:50.
Welche Konzernmarken können noch auf dem MEB laufen?
Der MEB ist eindeutig ein Konzern-Baukasten. Ganz sicher werden Audi, Škoda und Seat frühzeitig mit drauf sein.
VW hat angekündigt, schnell Marktführer werden zu wollen. Da reicht ein e-Golf nicht aus.
Wir kommen von 2020 an in einen realen Markt. Dann wird es spannend. Wer mit seinen Investitionen früh gestartet ist, hat sich vielleicht den Pionier erkauft, aber nicht den Markterfolg. Wir haben jetzt den E-Golf und den E-Up, zudem haben wir den VW I.D. vorgestellt, der schon sehr realistisch ist. Wir werden zudem weitere Fahrzeugvarianten bringen. SUVs und auch das Segment der Limousinen sind auf Basis des MEB denkbar. Wir werden mit dem Startschuss des I.D. ein schnelles Ausrollen der Varianten haben.
Aber der Kunde muss mitspielen ...
Unser Rezept ist eigentlich einfach: Alle Verhinderungsgründe eliminieren. Warum kauft derKunde kein Elektroauto? Die Antwort: zu geringe Reichweite, zu hoher Einstiegspreis, zu wenig Ladeinfrastruktur. Das müssen wir abschaffen. Und wenn Sie als Kunde beim Händler stehen und sehen, dass im Elektroauto deutlich mehr Innenraum vorhanden ist und es unzählige Funktionen über die Software-Updates gibt, dann kann das überzeugen. Wir rechnen damit, dass sich ab 2020 jeder fünfte Golf-Kunde für einen I.D. entscheidet. Und wir werden auch aus dem Wettbewerb Kunden zu uns holen.
Will VW Batteriezellen produzieren oder lieber in Asien billig einkaufen?
Als Autohersteller brauchen wir die detaillierteste Expertise der kompletten Batterie-Wertschöpfungskette. Das größte Einkaufsvolumen an Komponenten machen künftig Batterien aus. Und wenn Sie da nur um ein Prozent falschliegen, ist der Betrag gleich sehr hoch. Jetzt stellen wir uns die Frage: Wie weit muss ich in die Zelle hinein? Das wird möglicherweise nur über Kooperationen möglich sein. Wir werden bei Volkswagen in acht Jahren Batterien mit mehr Kilowattstunden brauchen, als es 2015 weltweit für alle Anwendungsarten gab.
Christian Senger wird am 15. Februar 2017 auf der Automobilwoche Konferenz in München sprechen. Anmeldung unter: www.automobilwoche-konferenz.de