Im 5. Stock brennt noch Licht. Karlheinz Blessing ist gerade aus Berlin in sein Wolfsburger Büro zurückgekommen. In der Hauptstadt hat sich der VW-Vorstand für Personal, Organisation und IT über Start-ups aus dem Personalbereich informiert. Er wollte wissen, wie andere Unternehmen Transformationsprozesse bewältigen. Davon stehen der Automobilindustrie einige bevor.
Herr Blessing, Elektromobilität, Digitalisierung, autonomes Fahren, Mobilitätsdienstleistungen, Sharing, branchenfremde Wettbewerber – was bedeutet das für die Arbeitswelt von VW?
Die Arbeitswelt in der Automobilindustrie und damit auch bei Volkswagen wird sich erheblich verändern. Aber der Wandel kommt nicht schlagartig. Deshalb bleibt uns Zeit, uns auf den Technologiewandel einzustellen und die Transformation sinnvoll und sozial fair zu gestalten. Damit haben wir bereits begonnen.
Die Elektromobilität wird als große Gefahr für die Arbeitsplätze in der Produktion gesehen – wie reagieren Sie darauf?
Tatsächlich gibt es Studien, wonach die Fertigung eines Elektrofahrzeugs 30 bis 50 Prozent weniger Zeit erfordert als die Fertigung eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor. Aber auch die Elektromobilität kommt nicht schlagartig. Es werden noch viele Jahre lang Autos mit Verbrennungsmotoren gefertigt werden. Diese Zeit nutzen wir, um den Wandel abzufedern. Wir entwickeln alle Standorte weiter und bauen an jedem ein Zukunftsfeld auf.Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Produktion und Produkt aus?
Es wird Tätigkeiten geben, bei denen der Mensch von Robotern unterstützt wird. Er kann dann produktiver und gesundheitsschonender arbeiten. Es wird auch Aufgaben geben, die man komplett Maschinen oder Programmen überlässt. Aber auch hier gilt: Es wird keinen großen Knall geben, vielmehr erleben wir einen Prozess, den wir gestalten können – vorausgesetzt, wir fangen frühzeitig damit an. Das tun wir. Und wir sollten nicht vergessen, dass Digitalisierung auch neue Aufgaben und Arbeitsplätze schafft. Beispielsweise werden Software-Experten neue Programme entwickeln. Facharbeiter werden sich stärker auf Instandhaltung und Kontrolle von Maschinen und Prozessen konzentrieren. Mit Blick auf das Produkt: Neue Funktionen im Fahrzeug ermöglichen neue Dienstleistungen, neue Geschäftsfelder. Und das schafft Arbeitsplätze.
Daneben entstehen neue Mobilitätsformen wie Ridesharing oder Ride-Hailing, bei denen die Trends von neuen Wettbewerbern gesetzt werden. Hier sehe ich Volkswagen gut aufgestellt. Mit unserem Unternehmen Moia entwickeln und bieten wir neue Mobilitätsdienstleistungen an.Wie werden sich die Qualifikationsanforderungen ändern?
Industrie 4.0 wird helfen, ergonomisch ungünstige, körperlich anstrengende und monotone Arbeiten zu ersetzen. Zugleich wird der Anteil qualifizierter Tätigkeiten weiter steigen. Zunehmend gefragt sind Mitarbeiter mit Kenntnissen in Elektronik, Batterietechnik, Programmierung oder Software-Entwicklung. Das stellt hohe Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung. Damit die Transformation gelingt, müssen die Beschäftigten veränderungsbereit sein, und das Unternehmen muss für die passgenaue Qualifizierung sorgen.