Herr Tauscher, wird Lueg in 50 Jahren zum 200. Geburtstag sein Geld noch hauptsächlich mit dem Autohandel machen?
Wir werden definitiv unser Geld in 50 Jahren nicht nur mit dem Autohandel verdienen, weil wir es heute schon nicht mehr tun. Der Anteil wird sicherlich ein geringerer werden. Weil die Dienstleistung rund um das Thema Mobilität einen höheren Anteil haben wird.
Sie sind selbst auch zum Jahresende zehn Jahre an der Spitze. Was hat sich aus Ihrer Sicht im Rückblick im Verhältnis Hersteller zu Händler geändert?
Im Verhältnis Händler-Hersteller hat sich nichts Gravierendes verändert. Wir haben traditionell eine ausgezeichnete Zusammenarbeit. Das Geschäftsmodell verändert sich von Jahr zu Jahr. Aber damit ändert sich nicht das Verhältnis miteinander. Es ist immer noch ein partnerschaftliches, stabiles Verhältnis. Wir sind sehr sicher, dass das auch so bleiben kann. Natürlich wird der Anteil der Dienstleitungen rund um das reine Autoverkaufen immer größer. Wir haben heute eine Finanzierungs- und Leasingquote von 80 Prozent. Die hatten wir vor zehn Jahren noch nicht.
Und wie hat sich das Verhältnis zum Kunden in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?
Das Verhältnis zum Kunden hat sich auch gewandelt, weil der Kunden heute viel mehr Dienstleistungen von uns in Anspruch nimmt. Vor zehn Jahren hat er uns nur als Autohändler und Servicebetrieb gesehen. Heute nimmt er uns darüber hinaus mit einem bunten Strauß an Mobilitätsangeboten wahr. Und die Verbindung zum Kunden übers Netz ist etwas, worüber wir vor zehn Jahren nicht nachgedacht hätten. Wir haben jeden Monat auf unser eigenen Webseite deutlich mehr Kontakte, als wir im persönlichen Umgang mit Menschen haben könnten.
Das Internet ist also eher Segen als Fluch?
Auf jeden Fall. Wobei es hier nicht nur um Internethandel geht, sondern um Internetkontakte, die natürlich auch zum Handel führen müssen, aber auch zu Dienstleistungen.
Ist es für Sie wichtiger, an bestehenden Standorten Zusatzgeschäfte rund um den Autohandel aufzubauen, als neue Standorte zu eröffnen oder zu übernehmen?
Es ist sicher wichtiger, wobei das eine das andere nicht ausschließt. Aber wir werden das Geschäftsmodell auf jeden Fall mehr auf die Dienstleistungen rund um das Automobilgeschäft verlagern.
Sie waren lange Deutschlands größter Mercedes-Händler. Bald dürfte dieser Titel aber der Lei-Shing-Hong-Tochter Stern Auto gebühren. Hat das für Ihr Unternehmen eine Bedeutung?
Überhaupt keine. Wir sind glücklicherweise in diesem Prozess nicht kleiner, sondern auch größer geworden. Dass uns ein anderer Händler durch einen Zukauf überholt, ist völlig okay. Wer weiß, was morgen ist? Vielleicht überholen dann wir. Aber wir werden niemals der schieren Größe wegen wachsen. Auch wenn Wachstum zu unseren strategischen Zielen gehört, werden wir nur dann zukaufen, wenn es wirtschaftlich Sinn ergibt.
Den einen oder anderen Zukauf haben Sie schon im Blick?
Wir haben immer etwas im Blick. Aber es ist noch nicht so konkret, dass ich sagen muss: Im Jubiläumsjahr werden wir noch explodieren. Akquisitionen sind definitiv ein Teil der Strategie, aber es gab ja gerade im Mercedes-Netz in den vergangenen drei Jahren sehr viele, die zugekauft haben. Da waren wir auch an vielen Prozessen beteiligt, aber wir wollten nicht um jeden Preis wachsen.
Waren die Angebote nicht attraktiv genug?
Oder die Preise. Es geht bei uns nur um die Wirtschaftlichkeit. Wir haben bereits die für die Zukunft notwendige Größe.
Woran machen Sie das Erreichen dieser Größe fest?
Ein Beispiel: Als wir 2009 in neue IT zwölf Millionen Euro investiert haben, konnten wir das auf 25.000 verkaufte Autos im Jahr umlegen. Der durchschnittliche Markenhändler in Deutschland ist nur ein Zehntel so groß. Selbst wenn er nur acht Millionen in die IT investieren muss, geht das bei einem Zehntel des Umsatzes nicht. Das ist für mich die relevante Größe. Wir sind groß genug, um die Investitionen der Zukunft stemmen zu können.
Welche Größe braucht ein Autohändler in Deutschland, um zukunftsfähig zu sein?
Es fällt mir schwer, mich auf eine exakte Größenordnung festzulegen. Aber es wird irgendwo in dem Bereich von 10.000 Fahrzeugen sein. Ich würde nicht ausschließen, dass es einer auch mit 7000 Autos stemmt. Aber es kann auch sein, dass ein Händler mit 15.000 Autos nach drei Jahren schon in Schwierigkeiten kommt.
Ist der Wettbewerb für Sie schwerer auszurechnen, weil mit Stern Auto der größte Konkurrent nun aus dem Ausland kommt?
Nein, weil man die handelnden Personen kennt. Da ist ja nur im Hintergrund ein Finanzier aus dem Ausland. Die Geschäftsführung von Stern Auto besteht aus Kollegen, die man schon 20 Jahre lang kennt. Solange der ausländische Investor Interesse an einem wirtschaftlich nachvollziehbaren Betrieb in Deutschland hat, und nicht daran, irgendetwas zu zerschlagen, gibt es da keinen Unterschied.
Lueg ist eine AG, eine Beteiligung von Daimler wäre also einfach möglich. Wäre das für Sie attraktiv?
Die Gesellschafter haben das Unternehmen seit 150 Jahren in Unternehmerhand, das ist reiner Familienbesitz. Es gibt überhaupt keinen Ansatz von unserem Haus, einen Teil des Unternehmens oder das Ganze zu verkaufen.
Und Ihrerseits bei den zum Verkauf stehenden Mercedes-Niederlassungen zuzuschlagen, dafür waren die Preise zu hoch?
Die Preise zu hoch oder unsere Einschätzung des potenziellen Geschäfts zu niedrig. Es geht ja nicht nur um den absoluten Preis. Wir errechnen, was wir in den nächsten sieben bis zehn Jahren mit dem Unternehmen verdienen können. Davon hängt ab, was wir bezahlen. Und bei allen von uns betrachteten Niederlassungen haben wir gesagt, den letzten Schritt gehen wir nicht mit. Es gab immer jemanden, dem es ein paar Millionen mehr wert war. Solange das so ist, kann ich nur gratulieren. Das ist jetzt drei Jahre her. Wir haben vielleicht zu sehr gepokert. Wenn ich gewusst hätte, wie die Konjunktur 2016, 2017 und 2018 läuft, hätten wir vielleicht ein bisschen mehr Mut beweisen sollen. Haben wir nicht. Ob das richtig oder falsch war, wissen wir in zehn Jahren, nicht heute.
Lueg verkauft nicht nur Mercedes, sondern auch Volvo, Opel und sogar Ferrari. Sind auch hier Zukäufe geplant?
Es gibt bei mehreren Marken Überlegungen. Ich will nicht sagen bei allen, da gehe ich aber nicht tiefer drauf ein. Grundsätzlich sind wir bereit, auch in anderen Marken zu wachsen. Aber ich sage auch ganz klar: Unser Schwerpunkt wird Mercedes bleiben.
Sie haben den Vergleich zwischen den Vertriebssystemen. Was ist für den Händler angenehmer: Daimlers Vertreter-Modell oder das klassische Händlersysteme?
Wir sind A-Vertreter und damit auch derjenige, der die Produkte vom Hersteller kauft, bezahlt und im eigenen Namen weiterverkauft. Da sind wir Exot, zusammen mit der Firma S&G Karlsruhe. Alle anderen deutschen Händler sind B-Vertreter und damit Handelsvertreter und verkaufen im Namen und auf Rechnung der Daimler AG. Wir sind Händler. Trotzdem ist in diesem grundsätzlichen Handelsvertreterverhältnis, das der Hersteller in Deutschland mit dem Handel pflegt, natürlich die partnerschaftliche Zusammenarbeit deutlich leichter. Weil die Bestände der nichtverkauften Fahrzeuge weiter in Herstellerhand sind. Und so besser greifbar für alle Händler, nicht nur für einen. Damit können Sie ein Netz viel besser abdecken und professioneller betreiben als im reinen Autohandel. Der Nachteil für den Hersteller ist natürlich, dass der Verkaufsdruck der Ware, die im Hof steht, nicht so groß ist. Was aber wiederum dem Preis hilft.
Ihnen sind gute Prozesse wichtig, ähnlich wie auch PSA-Chef Carlos Tavares. Als potenzieller PSA-Händler würden mir Sie einfallen. Ist das abwegig?
Dass wir Ihnen einfallen, ist vielleicht nicht abwegig. Aber ob wir das dann tun werden, würde ich infrage stellen.
Die Situation bei Opel ist also immer noch schwierig?
Eindeutig. Das ist keine Marke, die im Moment richtig Spaß macht.
Opel wird auf Ihrer Website auch zurückhaltender als alle anderen Marken präsentiert, man muss schon danach suchen. Ist das der Grund?
Könnte man so unterstellen. Wir sind ja vor 14 Jahren in den Mehrmarkenvertrieb eingestiegen, und das ist sicherlich die Akquisition, die am wenigsten Freude bereitet, das muss man klar sagen.
Wie schätzen Sie Opels Zukunftschancen mit PSA ein?
Ich kann es nicht einschätzen, ichhabe überhaupt kein Gefühl fürdas, was in Rüsselsheim noch geschieht.
Sie erweitern kontinuierlich Ihr Angebot abseits des Autoverkaufs. Gerade haben Sie ein Fahrzeug-Diagnosezentrum aufgebaut. Ab welcher Fuhrparkgröße lohnt es sich, die Zelte vor Ort beim Kunden aufzuschlagen?
Das können wir noch nicht sagen. Wir fangen da gerade erst an. Mit der Daimler AG haben wir diesen Piloten für die Dienstleister von Amazon vor Ort in Bochum gestartet. Dabei geht es aber nicht um Amazon selbst.
Um wie viele Autos kümmern Sie sich vor Ort?
200 bis 250. Wir starten mit vier Mitarbeitern vor Ort. Aber das können morgen auch 20 sein. Die Idee ist: Das Auto wird beim Hereinfahren auf den Parkplatz gescannt und alles kontrolliert. Dann können wir sagen, was repariert werden muss. Dann wird entschieden, was vor Ort erledigt werden kann und wann das Auto doch in die Werkstatt kommen muss.
Auch für das neue Angebot Mercedes me Flexperience ist Lueg einer von zwei Pilotbetrieben. Was versprechen Sie sich von diesem variablen Fahrzeugwechsel?
Wir suchen händeringend nach Mobilitätsangeboten, die über den heutigen Standard hinausgehen. Da kommt natürlich die Möglichkeit eines Piloten mit dem Hersteller wie gerufen, um auszuprobieren, ob das für die Zukunft der richtige Weg ist.
Wie waren die Reaktionen Ihrer Kunden auf die Ankündigung von Flexperience?
Wir hatten nach der Veröffentlichung in Genf viele Anfragen dazu. Jetzt müssen wir schauen, ob die Anfragen mehr oder weniger werden, wenn die Konditionen stehen. Aber ich bin sicher, dass wir von derlei Ergänzungsmodellen noch zehn andere brauchen.
Wie sieht das Angebot konkret aus?
Der Kunde wählt eine Fahrzeugkategorie, zum Beispiel C-Klasse. Dafür zahlt er einen gewissen Betrag. Wenn er dann dreimal im Jahr S-Klasse fahren will, zahlt er pro Tag einen Aufpreis. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Zukunft haben wird. Man muss nur wissen, dass es mehr als ein Leasingvertrag kosten muss, weil Wartung, Reifen und mehr Kilometer dabei sind. Es wird so weit gehen, dass wir dem Kunden sogar anbieten, jederzeit auszusteigen. Das kostet Geld.
Bleibt bei Ihnen letztlich auch mehr hängen?
Nein, es ist ein zusätzlicher Baustein.
Der Kunde, der den Neuwagen kauft und zum Service kommt, istIhnen also immer noch am liebsten?
Definitiv. Aber eins ist doch klar: Wenn Sixt das anbietet, habe ich gar nichts. Also mache ich es lieber selbst.
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