"Wir brauchen mehr Dynamik"

Herr Schwarzenbauer, Sie haben mit Mini ein erfolgreiches Jahr beendet. Was erwarten Sie für 2017?

Wir haben unsere komplette Modellreihe überarbeitet, jetzt fehlt nur noch ein Volumenmodell, der Countryman. Er kommt im Februar auf den Markt. Von ihm erwarten wir uns nochmal einen Schub. Daher gehen wir für 2017 von Wachstum aus.

Können Sie das beziffern?

Das ist schwieriger als sonst. Ich habe noch nie ein Budget für ein Jahr gemacht, das weltweit von so vielen Unsicherheiten geprägt ist. Die Turbulenzen kommen zwar eher aus der politischen Ecke, das wirkt sich aber immer irgendwann auch auf die Wirtschaft aus. Insofern – und sonst bin ich da mutiger – möchte ich das nicht weiter beziffern.

Sie bringen 2019 den E-Mini auf den Markt. Wird das der von Ihnen angekündigte fünfte Superhero?

Das Auto wird so spannend, dass man ihn durchaus als fünften Superhero bezeichnen kann. Damit ist die Modellpalette dann komplett.

Was erwarten Sie sich von dem Modell?

Prognosen, wie die E-Mobilität 2019 funktionieren wird, sind schwierig. Wir haben jetzt gelernt, dass die Entwicklung zwar stetig, aber doch etwas langsamer ist, als wir das vor ein paar Jahren angenommen haben. Der Absatz von elektrifizierten Fahrzeugen nimmt bei der BMW Group deutlich zu. Ich glaube aber, die Jahre zwischen 2020 und 2025 werden die wichtigsten für die E-Mobilität werden. Ich erwarte deshalb, dass die Absatzzahlen des E-Minis ab dann ein größeres Volumen erreichen werden.

Wird der elektrische Mini deutlich von den anderen zu unterscheiden sein?

Er wird nicht ganz anders als die bisherigen Modelle aussehen, wird sich also als Familienmitglied einreihen. Man wird aber erkennen, dass es sich um ein Elektrofahrzeug handelt.

Ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass sich E-Autos optisch unterscheiden?

In der Übergangsphase, in der wir uns derzeit befinden, ist das wichtig. Die Menschen, die sich jetzt für Elektromobilität entscheiden, wollen auch zeigen, dass sie elektrisch fahren.

Die Zielgruppe von Mini ist jung und urban. Wird ein Elektrofahrzeug deshalb vielleicht sogar besser angenommen als bei der Kernmarke BMW?

Ich denke schon, dass die Zielgruppe von Mini für das Thema prädestiniert ist. Mini-Käufer bewegen sich ja zu 90 Prozent in der Stadt oder in dem Umfeld. Für den Nutzer ist elektrisches Fahren dort natürlich ideal und MINI und Elektromobilität passen einfach zusammen.

Welchen Kernmarkt fokussieren Sie für den elektrischen Mini?

Mini ist eine globale Marke und wird daher überall Anklang finden. Sicherlich vor allem auch in den USA. Gerade in Kalifornien sieht man, dass die Menschen sehr offen für E-Mobilität sind. Ich gehe davon aus, dass ein Großteil an der Westküste in den USA passieren wird.

Auf die Westküste der USA setzen Sie jetzt auch mit BMW i Ventures. Kommen von dort immer noch die interessantesten Start-ups?

Seit etwa fünf Jahren beschäftigt sich gefühlt jedes zweite Start-up im Silicon Valley mit Mobilität der Zukunft. Dort ist eine unglaubliche Dynamik entstanden. Daher haben wir uns entschieden, das Headquarter dorthin zu verlegen. Zugleich wollen wir i Ventures geografisch breiter aufstellen. In China habe ich mehrere Städte besucht. Die Start-up-Szene dort ist mindestens genauso spannend, wenn nicht sogar noch spannender als im Silicon Valley. Auch in Israel existiert ein interessanter Markt.

Was ist mit Deutschland?

Die deutsche Startups-Szene ist erst am Anfang. Die Größenordnung an Investitionen ist ein Bruchteil von dem, was im Silicon Valley an Geld fließt. Wir haben hier in Deutschland noch keine lokalen Heroes. Aber gerade wenn es in Richtung HighTech geht, sind die Start-ups hier ganz weit vorne. Wir brauchen aber mehr Dynamik.

Auch bei Ihrem Carsharing-Angebot ReachNow arbeitet ein Start-up mit. Sie testen einige Dienste, etwa das Ridesharing. Wie werden die Dienste denn angenommen?

Wir haben für unsere Pilotprojekte jetzt erst einmal eine geschlossene Gruppe gegründet. Wir verfolgen einen anderen Ansatz, als die anderen Ridesharing-Firmen und haben beispielsweise die Fahrer ausgesucht und ausgebildet. Wir testen jetzt, was am besten funktioniert. Wir erreichen noch einmal eine ganz andere Zielgruppe, wenn die Leute merken, dass sie kein eigenes Auto brauchen.

Es ist gerade bei Freefloating-Modellen schwierig Geld zu verdienen. Lässt sich mit Mobilitätsdienstleistungen in Zukunft ähnlich viel Geld verdienen wie mit dem Verkauf von Fahrzeugen?

Das ist die Kernfrage und zugleich eine Glaubensfrage in der Autoindustrie. Ich sehe dafür gewaltige Chancen. Wenn die Leute in zehn Jahren ihre Mobilität im Minutentakt bekommen und keine große Investition mehr dafür nötig ist, dann ist das eine riesige Chance für Premium- und Luxusprodukte. Das eröffnet uns eine viel größere Kundschaft. Das künftige Geschäftsmodell könnte sogar besser sein als das heutige.

Was wird dann über die Marktführerschaft in zehn Jahren entscheiden?

Ich glaube, dass wir irgendwann messen, wie viele Kilometer die Kunden in Produkten unsere Marken zurückgelegt haben.

Neue Mobilitätsdienstleistungen sind also eher eine Chance für die Autoindustrie?

Es gibt ja keine Hinweise darauf, dass die gefahrenen Kilometer in Zukunft abnehmen werden. Ganz im Gegenteil: Alle Studien zeigen, dass sie weiterhin zunehmen. Wir brauchen Mobilität. Solange wir nicht beamen können, muss das in irgendeiner Art von Gefährt stattfinden. Die Chancen für die Autoindustrie sind deutlich größer als die Risiken, die momentan aufgezeigt werden.