Er hat es schon wieder getan. Am vergangenen Montag landete Elon Musk in Berlin. Der Tesla-Chef nahm den Axel Springer Award entgegen und sah auf der Baustelle in Grünheide nach dem Rechten. Erst im November hatte Musk dort persönlich um Mitarbeiter für das neue Werk geworben. Der Star-Unternehmer zieht dafür alle Register. Er führt persönlich Bewerbungsgespräche, gibt Fans Autogramme, lässt Selfies über sich ergehen und antichambriert bei Politik und Medien.
Musks persönlicher Einsatz ist Teil einer ausgedehnten Employer-Branding-Kampagne des Elektroautobauers für die Gigafactory in der brandenburgischen Provinz. Tesla muss im Eiltempo bis zu 7000 Mitarbeiter einstellen, denn schon im Juli 2021 sollen hier die ersten Autos vom Band rollen. Bis Ende 2022 sollen weitere 5000 Mitarbeiter hinzukommen. Doch nach Informationen der Automobilwoche aus Unternehmenskreisen fehlen rund acht Monate vor dem geplanten Produktionsstart noch 5000 der 7000 Werksarbeiter. Zudem muss Tesla noch weit über 100 Ingenieure einstellen. Und die Zeit läuft Tesla davon.
Musk hat sich das einfacher vorgestellt. Überall auf der Welt rennen Kandidaten der Kultfirma die Türen ein. "Alle wollen sie den Tesla-Feenstaub abbekommen", hatte Musk in einem Interview in der Automobilwoche Ende August über Teslas Attraktivität als Arbeitgeber erzählt.
Doch Deutschland tickt anders, wie der 49-Jährige gerade lernt. Die negative Berichterstattung über rüde Umgangsformen, das Hire-and-Fire-System und die Allmacht des Chefs könnten potenzielle Kandidaten abschrecken. Von den Ingenieuren für den Fahrzeugbau ist bisher nur ein Bruchteil an Bord. Was Mitarbeiter aus Grünheide berichten, macht es nicht besser: Das Arbeitsklima sei frostig, die Organisation konfus, an vielen Stellen regiere das Chaos. Täglich würden neue Baustellen aufgemacht. Die Stimmung im Team und bei den beteiligten Firmen befinde sich im Sinkflug.
Der Druck auf die Mitarbeiter ist extrem. "Wichtig, um bei Tesla zu arbeiten, sind vor allem Belastbarkeit und Flexibilität. Ein wichtiges Kriterium ist die Bereitschaft, bei Arbeitsspitzen auch mal eine Extrameile zu gehen", erklärte die zuständige Arbeitsagentur Frankfurt/Oder auf Anfrage der Automobilwoche.
Es geht an die Grenzen – und darüber hinaus. Manager verließen Grünheide bereits fluchtartig oder wurden von Musk geschasst. Vor wenigen Wochen musste Projektleiter Evan Horetsky gehen, weil er Musk in Meetings widersprach. Musk widerspricht man nicht. Auch den Gewerke-Leiter für den Casting Shop (Guss) und den Bauabteilungsleiter hat Tesla bereits wieder verloren. Zehn Ingenieure, die für den Aufbau des Werks eingestellt wurden, haben in der Probezeit freiwillig das Handtuch geworfen. Das erfuhr die Automobilwoche. Mehr als zehnManager stünden außerdem unter persönlicher Beobachtung des Tesla-Chefs.
Sei Musk schlecht drauf, so schrieb das US-Magazin "Wired" einmal, schmeiße er mit Kündigungen nur so um sich. Der Titel der Story: "Dr. Elon and Mr. Musk".
Laut einer Umfrage der Berliner Meinungsforscher Civey für die Automobilwoche halten 36 Prozent der Befragten Tesla für einen attraktiven Arbeitgeber, 32 Prozent denken aber genau das Gegenteil. Ein überraschend hoher Anteil von fast einem Drittel kann sich zu keiner Antwort durchringen.
Auch deshalb hat Tesla die PR-Maschinerie in Deutschland angeworfen. "Großer Andrang aufneue Stellen", jubelt die Presse, ohne Zahlen zu kennen. Selbst dieE-Mail-Adresse, an die Bewerbungen geschickt werden sollen, sowie Tipps für das Vorstellungsgespräch stehen in den Zeitungen. Der Leiter der Arbeitsagentur Frankfurt/Oder weiß zu berichten, die Einstiegsgehälter für Ungelernte seien "ein Kracher".