Auf den Parkplätzen von Walmart im Vorort Chandler bei Phoenix/Arizona stehen seit Juli vermehrt weiße Autos mit einem kleinen schwarzen Hütchen aufdem Dach. Waymo-Autos. Denn Kunden der Einkaufskette Walmart, die das „Early-Rider-Programm“ von Waymo nutzen, können online ihre Lebensmittel bestellen, sich mit Waymo fahrerlos zu Walmart chauffieren lassen und die Waren abholen.
Es ist ein kleiner Schritt mit großer Wirkung. Denn Waymo ist auf dem besten Weg, sich im Leben der Kunden unentbehrlich zu
machen mit einem Geschäftsmodell, das weitestgehend unabhängig von der Automarke ist und das Potenzial hat, die horrenden Entwicklungssummen, die das autonome Fahren mit sich bringt, wieder einzuspielen. Der fahrbare Untersatz muss lediglich bequem und sicher sein.Eine Entwicklung, die Konzernchefs wie Harald Krüger, Herbert Diess und Dieter Zetsche mit wachsender Besorgnis beobachten. Denn ihr bisheriges Geschäftsmodell ist darauf ausgelegt, Kunden mit ihrer Hardware und damit verbunden Design, Emotion und Fahrspaß an sich zu binden. Kriterien, die für einen Shuttleservice im Stile Walmart-Waymos weitestgehend irrelevant sind.
Waymo-Chef John Krafcik hat sich auf die Fahne geschrieben, die Welt mobil zu machen, und zwar mit Roboterautos, die ohne Pedal undLenkrad auskommen. Ein Shuttleservice innerhalb oder auch zwischen Städten für Personen oder auch Waren. Krafcik sieht überall Potenzial. Bleiben die Hardware-Lieferanten dabei auf der Strecke?
Wolfgang Bernhart, Automotive-Experte und Partner bei der internationalen Strategieberatung Roland Berger, zieht den Vergleich zur Luftfahrtbranche: Kein einziger Flugzeugbauer unterhält noch eine eigene Airline: „Die Geschäftsfelder haben sich komplett voneinander entkoppelt. Eine ähnliche Entwicklung droht auch den Autoherstellern, wenn sie jetzt nicht gegensteuern.“
Doch womit? Waymo ist in doppelter Hinsicht voraus. Zum einen im Zusammenspiel von Sensorik und künstlicher Intelligenz. Bernhart sieht Waymo in puncto Funktionalität rund drei Jahre weiter als die Autobranche. „Das einzuholen, wird eine Herausforderung.“
Zum anderen zeigt Waymo den „Blechbiegern“ auch an derer Stelle, wie's geht: Mit Kooperationen wie mit Walmart demonstriert der Tech-Player, wie man an Kunden kommt. Uber heckt Ähnliches aus, denkt über den Kauf des Essen-Lieferdiensts Deliveroo nach. Ziel: den Markt für Stadtfahrten komplett zu besetzen – egal ob Personen oder Waren an Bord sind. Innerstädtische Lieferdienste – „ein Riesenmarkt“, bescheinigt auch Bernhart, der prophezeit: „Der Güter- und Personenverkehr wächst mit dem autonomen Fahren zusammen.“
Die Strategieberatung McKinsey geht davon aus, dass der Markt für „Shared Autonomous Mobility“ – zu dem auch innerstädtischer Personen- und Güterverkehr zählt – 2030 weltweit rund zwei Billionen Dollar schwer ist. Die Wertschöpfung entwickelt sich damit eindeutig weg vom Produkt Auto.