Wie sich die Autohersteller darauf einstellen

Angesichts der drohenden Quote für Elektroautos in China müssen die deutschen Hersteller ihre Modellpolitik überdenken. Sie setzen dabei vor allem auf die lokale Produktion.

Dienstag, 11. April 2017, 11.44 Uhr

Noch ist nichts beschlossen, aber eines ist klar: Die Zeit ist knapp. Selbst wenn die chinesische Regierung die Quote für Elektroautos erst 2019 einführt, bleibt den Autoherstellern nur eine kurze Frist, eine Elektrostrategie in China umzusetzen. Es wird eine gigantische Aufgabe, auch für die deutschen Autohersteller.

Im September 2016 hatte ein Gesetzentwurf des chinesischen Industrieministeriums Europas Autohersteller in Aufruhr versetzt. Er sah vor, dass der Gesamtabsatz eines Autobauers in China schon 2018 zu acht Prozent aus Elektroautos bestehen muss. 2019 sollten es zehn Prozent sein, 2020 dann zwölf Prozent (siehe Kasten weiter unten). Nicht machbar, trotzte die Autoindustrie. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte sich für eine Verschiebung des Gesetzes ein.

Nun zeichnet sich ab: Das Gesetz wird wohl 2019 in Kraft treten und Änderungen enthalten. "Derzeit gibt es erheblichen Streit zwischen den Ministerien NDRC und MIIT, sodass man nicht genau weiß, wann es weitergeht", sagt Jochen Siebert, Chef des -Beratungsunternehmens JSC, mit Blick auf die Ministerien für Technologie und Landesentwicklung.

BMW sieht sich vorbereitet

Schwierig dürfte es für die Hersteller in jedem Fall werden. Die deutsche Autoindustrie kann preislich nicht mit den chinesischen Herstellern konkurrieren. "Der Markt ist noch nicht dort angekommen, wo die ausländischen Hersteller operieren", sagt Christoph Stürmer, Berater bei PricewaterhouseCoopers. Auch Tesla tue sich schwer. Denn den Elektromarkt dominieren in China einfachste Fahrzeuge von heimischen Herstellern. "Die Elektroautos und Hybride europäischer Hersteller müssen deutlich günstiger werden", meint Siebert.

Sollte sich der Markt zugunsten der europäischen Hersteller drehen, sieht sich BMW vorbereitet. Man könne die lokale Fertigungskapazität auch kurzfristig hochfahren, sagte Produktionsvorstand Oliver Zipse der Automobilwoche. Die Lieferketten habe man bereits, ergänzt Einkaufsvorstand Markus Duesmann. Mit CATL produziert BMW Batterien. Möglich sei, Serienfahrzeuge als E-Autos nur für China anzubieten. Ausgeschlossen haben die Münchner aber ein besonders günstiges Modell für den chinesischen Markt: "Wir werden nicht unser Portfolio stretchen. Wir setzen auf eine Premiumstrategie", so Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich.

Der Gesetzentwurf im Detail

Der im Herbst 2016 von der chinesischen Regierung vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, dass die Autohersteller 2018 eine Quote von acht Prozent Elektrofahrzeugen an allen verkauften Einheiten erfüllen sollen. Bis 2020 sollte diese Quote auf zwölf Prozent ansteigen. Wer die Quote nicht erfüllt, kann entweder die Produktion drosseln, Strafzahlungen in Kauf nehmen oder Kreditpunkte von chinesischen Herstellern abkaufen. Für Plug-in-Hybride soll es zwei Punkte, für reine E-Fahrzeuge vier Punkte geben. Darüber hinaus sollen die verbauten Batterien ausschließlich aus Fabriken mit mehr als acht Megawatt Kapazität stammen. Das schaffen derzeit nur BYD und CATL.

Nach den Einsprüchen der ausländischen, aber auch der chinesischen Hersteller ist nun im Gespräch, das Gesetz um ein Jahr zu verschieben. Darüber hinaus sollen Autobauer, die die Quote nicht erfüllen können, zunächst Minuspunkte sammeln dürfen, die sie dann später, bei Übererfüllen der Quote, wieder ausgleichen können. Ein neuer Gesetzentwurf liegt allerdings noch nicht vor – feste Zusagen existieren also noch nicht. BMW-Chef Harald Krüger rechnet mit einer Entscheidung in den kommenden Wochen.

Im vergangenen Jahr wurden in China rund 507.000 Elektrofahrzeuge verkauft – etwa 257.000 davon waren Pkw und mehr als 150.000 Nutzfahrzeuge. Das Beratungsunternehmen PwC erwartet in den kommenden Jahren einen deutlichen Anstieg. 2017 sollen Elektrofahrzeuge einen Marktanteil von rund drei Prozent erreichen, also etwa 0,7 Prozentpunkte mehr als 2016. Im Jahr 2022 soll der Marktanteil der Prognose zufolge vier Prozent betragen.

Renault will Preisbrecher bringen

Audi setzt ebenfalls auf lokale Produktion. Mit FAW wollen die Ingolstädter innerhalb von fünf Jahren die Produktion von fünf e-tron-Modellen in China starten. Zunächst kommt der Plug-in-Hybrid A6 L e-tron 2017 zu den Händlern. Auch ein rein elektrisches Modell soll es geben. "Bis 2025 wird Audi in jedem Volumensegment mindestens ein elektrifiziertes Auto aus lokaler Fertigung anbieten", heißt es aus Ingolstadt. Um die Lieferketten aufzubauen, befinde man sich in Gesprächen mit lokalen Batteriezellenherstellern.

Daimler hat 2014 gemeinsam mit BYD den Denza entwickelt, von dem es seit vergangenem Jahr eine Neuauflage gibt. Auch der EQ soll in China produziert werden. "Wir investieren in lokale NEVs (New Energy Vehicles) in China, einschließlich Plug-in-Hybride und batterieelektrische Fahrzeuge", erklären die Stuttgarter. Der Bau einer Batteriefabrik sei ebenfalls eine Option.

Auch die Volumenhersteller entwerfen neue Strategien. So will VW neben weiteren elektrischen Modellen mit JAC einen kostengünstigen Stromer auf den Markt bringen. Peugeot plant bis 2022 mit drei Plug-in-Hybriden und zwei reinen Stromern. Renault hat die Entwicklung eines Preisbrechers angekündigt, mit dem man den chinesischen Herstellern Konkurrenz machen will.

Hersteller stehen vor Milliardeninvestitionen

Sicher ist: Investieren müssen alle. Falls der Absatz schnell steigt, müssen Produktionskapazitäten bestehen. "Wenn bei VW zehn Prozent der Fahrzeuge elektrisch sein sollen, brauchen sie eine eigene Fabrik", sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management. Hinzu kommen der Aufbau von Lieferketten und bei einigen Herstellern die Entwicklung von E-Fahrzeugen für den chinesischen Markt. Der Experte rechnet in den kommenden Jahren mit Milliardeninvestitionen.

Vom E-Auto begeistert sind aber auch die Chinesen nicht. Der Anteil an Privatkunden betrug 2016 gerade mal zehn Prozent. Auch Chinas Autoindustrie fragt sich, wie sie die Quoten erfüllen soll. "Alle Hersteller müssen in den ersten Jahren Gewinneinbußen hinnehmen", sagt Siebert. Langfristig könnten sie auf Skaleneffekte hoffen. Auch PwC-Mann Stürmer prognostiziert: "Die Autobauer brauchen einen langen Atem."

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