Herr Herrmann, machen in Zukunft Hersteller oder Zulieferer die Komponenten für die E-Mobilität?
Der Kuchen wird erst jetzt verteilt. Viele Akteure haben eigene Komponenten entwickelt und erste Pilotproduktionen aufgebaut, um die Technologien zu verstehen. Ob sie diese auch in Großserie produzieren, ist teils noch offen. Das hängt auch vom jeweiligen Liefernetzwerk ab. Die großen Zulieferer werden auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen.
Wie verändert sich die Lieferkette?
Klar ist, dass die Wertschöpfungsketten der neuen Komponenten nicht mehr so kleinteilig und vielstufig sein werden. Für E-Autos werden weniger Teile benötigt, und diese sind oft weniger komplex. Daher ist mehr Systemkompetenz gefragt. Vor allem kleinere Zulieferer benötigen weniger Expertise für einzelne Bauteile als vielmehr für ganze Module oder Systeme, um in der Lieferkette weiter nach oben zu steigen. Gefahr droht von den größeren Zulieferern, sollten diese weniger Wertschöpfungsumfänge an kleinere Zulieferer vergeben als bisher.
Wo wird der Druck auf die Beschäftigung denn am größten?
Ich würde hier nicht nach Autohersteller oder Zulieferer unterscheiden, sondern eher die Standorte betrachten. Der Druck wird dort am größten, wo bei konventionellen Teilen viele manuelle Tätigkeiten erforderlich sind, wie beispielsweise bei der Herstellung und Montage von Verbrennungs- oder Getriebekomponenten. Wenn ein Unternehmen nicht groß auf andere Komponenten ausweichen kann, dann spitzt sich die Situation für die Beschäftigten zu. Wenn der Standort stärker diversifiziert ist, lässt sich das einfacher ausgleichen.
Welchen Einfluss haben die verschärften CO2-Ziele der EU?
Wissenschaftlich ist das noch nicht genau analysiert. Das Worst-Case-Szenario für die Beschäftigung wäre natürlich, wenn die Hersteller gezwungen sind, nun den Anteil der rein elektrischen Fahrzeuge schneller als geplant nach oben zu treiben. Es besteht aber auch die Möglichkeit, zunächst stärker auf Plug-in-Hybride zu setzen. Da hier der Beschäftigungsanteil wegen der Kombination zweier Antriebe tendenziell höher ist, wären die Auswirkungen nicht so gravierend. Wir sind in unserer Elab-2.0-Studie von einem bundesweiten möglichen Verlust von rund 75.000 Jobs bis 2030 aufgrund von Elektrifizierung und Produktivitätssteigerungen ausgegangen. Die Effekte bedingt durch die Elektrifizierung müssten nach aktuellem Wissensstand voraussichtlich etwas nach oben korrigiert werden.Was müssen Hersteller und Zulieferer beachten, um die Transformation der Industrie möglichst unbeschadet zu überstehen?
Elektromobilität kann ein Beispiel für erfolgreichen Strukturwandel sein, sofern die richtigen politischen Rahmenbedingungen gegeben sind. Betrachtet man die gesamte Volkswirtschaft, sind die Effekte durchaus abzufedern. Jedoch kann es an einzelnen Standorten zu großen Verwerfungen kommen. Wichtig ist, dass Mitarbeiter rechtzeitig umqualifiziert werden, um neue Umfänge beispielsweise in der Herstellung von elektrischen Maschinen oder dem Batteriesystem auch abdecken zu können. Auf der anderen Seite bieten Themen wie das autonome Fahren oder neue Mobilitätsdienste und Services ja Beschäftigungschancen, die noch nicht eingehend untersucht wurden.
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