Welche Rolle spielt Industrie 4.0, um die Vorreiterrolle der deutschen Automobilindustrie abzusichern?
Henning Kagermann, Präsident von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften:
Automobilindustrie im Bereich der Industrie 4.0 zeigen, dass das Thema ernst genommen wird. Unsere Hersteller haben einen Ruf zu verteidigen, Fahrzeuge auf Spitzenniveau mit modernsten Methoden herzustellen. Industrie 4.0 wird von der Produktion und mit Blick auf intelligente Produkte gedacht – eine wichtige Perspektive der Digitalisierung. Aus der Perspektive der Nutzer werden individuelle Pakete aus Produkten, Diensten und Dienstleistungen immer wichtiger – Smart Services. Wenn etwa vernetzte Autos in einem vernetzten Verkehrssystem Teil einer intermodalen Mobilität werden und Kunden integrierte Mobilitätsdienstleistungen nachfragen. Die Automobilindustrie wird die digitale Veredelung ihrer Geschäftsmodelle mit Hochdruck angehen, weil andernfalls Intermediäre die Schnittstelle zum Kunden besetzen.
Markus Schäfer, Vorstand Produktion und Supply Chain Management, Mercedes- Benz Pkw:
Unter Industrie 4.0 verstehen wir bei Daimler die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette. Ein Fokus ist die Produktion. Die Digitalisierung wird die industrielle Fertigung grundlegend verändern und ein Erfolgsfaktor im globalen Wettbewerb sein. Drei Aspekte sind für uns maßgeblich: die digitale Produktentstehung inklusive Planung und Abbildung des Fertigungsprozesses; die digital vernetzte, wandlungsfähige Fabrik mit intelligenter Verbindung von Mensch und Technik, beispielsweise Mensch- Roboter-Kooperation; die digitale Vernetzung von Fertigung und Kunde für ein begeisterndes Produkterlebnis. Die Digitalisierung trägt dazu bei, unsere Produkte individueller und die Produktion flexibler zu gestalten. Denn die Herausforderung ist, langfristig zu planen und kurzfristig auf Kundenwünsche und Marktschwankungen reagieren zu können. Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt. An seine Flexibilität und sein Herzblut kommt keine Maschine heran!
Thomas Ulbrich, Vorstand für Produktion und Logistik, Marke Volkswagen:
Schon heute statten wir Anlagen mit eigenen Steuer- und Kommunikationskomponenten aus, die im Verbund arbeiten und miteinander kommunizieren. Auch durchgängige Daten- und Informationsprozesse gehören zum Alltag. Produktionsanlagen werden digital geplant, simuliert und virtuell in Betrieb genommen, bevor sie physisch umgesetzt werden. Dieses Vorgehen hilft bereits heute, unser Wachstum und unsere große Produktvielfalt an weltweit verteilten Produktionsstandorten im Konzern sicher realisieren zu können. Diesen eingeschlagenen Weg führen wir konsequent fort. Moderne Konzepte unterstützen die Automobilfertigung in allen Prozessen – von den Lieferanten bis zum Endkunden.
Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung Bosch:
Industrie 4.0 bietet dem Industriestandort Deutschland insgesamt die große Chance, seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Bosch nutzt die intelligent vernetzte Produktion zum Beispiel bei der Herstellung von Diesel- Einspritzdüsen. Allein in der Logistik wurde dabei ein Produktivitätsfortschritt von zehn Prozent erzielt, die Lagerhaltung ließ sich um fast ein Drittel verringern. Bei anderen Teilen werden während der Produktion Informationen über jedes einzelne Bauteil gesammelt. Die Auswertung im Rechner ergibt dann Hinweise auf den nötigen Umfang der Endkontrolle, die sich in einigen Fällen verkürzen lässt. Aber auch mit der vorausschauenden Instandhaltung der Produktionsmaschinen mithilfe von Sensoren und Software steigern Bosch und andere Unternehmen ihre Effizienz. Maßgeblich für den Erfolg sind dabei die Kundenorientierung und der Kundennutzen – nicht das Produkt oder die Technik.
Reinhard Clemens, Vorstand Deutsche Telekom und Chef von T-Systems:
Automobilhersteller, Händler und Werkstattbetriebe stehen vor der Herausforderung, auf die Entwicklungen einer digitalisierten Welt zu reagieren. Industrie 4.0 befähigt die Akteure, die Interaktion in Richtung Kunde neu zu denken. Denn Kundenbindung ist heutzutage nur über ein Kundenerlebnis möglich, das individuell zugeschnitten ist. Die Kunden wollen mobil, interaktiv und unabhängig von Öffnungszeiten betreut und beraten werden. Dabei können CRM-Lösungen (Customer-Relationship- Management) helfen, um Daten intelligent auszuwerten und eine gezielte Kundenansprache zu ermöglichen. Wir sind davon überzeugt, wer in der herstellenden Industrie weiter vorne mitspielen will, muss digitalisieren – oder ist weg vom Fenster.
Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands von Siemens:
Industrie 4.0 betrifft alle Aspekte des industriellen Wertschöpfungsprozesses in der Automobilindustrie. Weltweit verschärft sich der Wettbewerb. Die Kunden verlangen in immer kürzeren Zeitabständen nach neuen, qualitativ hochwertigen Produkten und einem individualisierten Angebot. Zudem gilt es, die Produktivität kontinuierlich zu steigern. Und nur wer mit weniger Energie und Ressourcen auskommt, steigert weiter seine Wettbewerbsfähigkeit. Diese Herausforderungen lassen sich bewältigen. Die Lösung: die Verschmelzung der virtuellen und der realen Produktionswelt. Dafür braucht man innovative Software – vom Design über den Produktionsprozess bis hin zum Service –, und zwar auf Basis einer durchgängigen Datenplattform wie unser Teamcenter. So verkürzen sich Markteinführungszeiten, die Produktion wird effizienter und flexibler – und die Automobilunternehmen behalten im Wettbewerb die Nase vorn.