Chinas Regierung dürfte es kaum gefallen, wenn VW den wichtigen Zukunftsmarkt anführt. Aber letztlich muss Peking zweiZiele abwägen: die Luftverschmutzung in den Megastädten schnell in den Griff zu bekommen und die Pole-Position bei den Stromern einzunehmen. Dass sich die Umweltprobleme mit den heimischen Start-ups in nächster Zeit kaum lösen lassen, wird immer offensichtlicher.
Das zeigt auch eine Episode, die sich auf der Automesse in Schanghai abgespielt hat und in der ein deutscher Manager die Hauptrolle spielt. Der Auftritt des früheren BMW-Managers Carsten Breitfeld war dort erwartet worden. Allerdings am Messestand von Byton, dem hoch gehandelten und mit Milliardenkapital ausgestatteten Start-up, das Breitfeld mitgegründet hat. Zu sehen war Breitfeld dann aber am Stand des Konkurrenten Iconiq Motors. Nicht als Gast, sondern als neuer Chef von Iconiq. So schnell kann es gehen in Chinas Autobranche. Läuft eine Firma nicht, wechselt man kurzerhand zur nächsten.
VW hingegen hat sich über Jahrzehnte als verlässlicher Partner erwiesen. VWs China-Chef Stephan Wöllenstein will schon im nächsten Jahr 400.000 sogenannte New Electric Vehicles verkaufen. Dazu zählen neben reinen Stromern auch Hybridmodelle. Wöllenstein will 2020 bereits 30 entsprechende Modelle anbieten, von denen die Hälfte lokal produziert wird. In Anting und Foshan entstehen gerade zwei Werke für Modelle auf Basis des Modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB).
Wenn VW seinen E-Siegeszug in China wie geplant durchzieht, profitiert davon auch das Land selbst. Denn die Wolfsburger arbeiten in Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Autobauern wie JAC. Gerade haben VW und JAC grünes Licht dafür bekommen, für umgerechnet 700 Millionen Euro ein Werk in Hefei in der Region Ostchina zu bauen. 100.000 Autos sollen dort jährlich vom Band laufen. Mit dem E20X soll noch im laufenden Jahr das erste Modell auf den Markt kommen.
Nachdem China die Joint-Venture-Regeln gelockert hat und ausländische Unternehmen nicht mehr nur die Hälfte der Anteile halten dürfen, sondiert VW Berichten zufolge die Möglichkeit, einen größeren Anteil an JAC zu übernehmen. Bislang halten die Wolfsburger keine Anteile an JAC. VW arbeitet in Joint Ventures auch mit den beiden großen Autobauern FAW und SAIC zusammen.
Sogar Chinas Autobauer könnten von der E-Offensive des Herbert Diess profitieren. Denn in Wolfsburg gibt es Gedankenspiele, bei Stromern zum Auftragsfertiger für die Konkurrenz zu werden. „Unser MEB ist grundsätzlich offen auch für konzernfremde Marken. Eine entsprechende Öffnung unserer Fabriken haben wir derzeit noch nicht alsProjekt vorgesehen, aber es schließt sich nicht aus“, sagte Thomas Ulbrich, Markenvorstand von VW Pkw für E-Mobilität, der Automobilwoche.
Welches chinesische Start-up auch immer die kommenden Jahre überlebt – es wird sich mit VW messen müssen.
Zu diesem Artikel zum Downlaod Datencenter:
Marktanteile der größten Automarken in China 2018
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