Allerdings: Es sind eben äußere Zeichen. „Es ist ja nicht so, dass man die Krawatte abnimmt und dadurch digitaler wird“, sagt Jan Burgard, geschäftsführender Partner bei der Strategieberatung Berylls. „Nach wie vor kommt es auf den Inhalt an. Und darüber hinaus gibt es Umgangsregeln, die auch etwas mit Respekt zu tun haben.“ Bei Berylls gibt es keine Kleidervorschriften. Allerdings sei auch „keine Anbiederung“ erwünscht, wie Burgard sagt. „Von meinen Kolleginnen und Kollegen erwarte ich, dass die anlassbezogen angezogen sind – und so halte ich es auch selbst.“ Man gehe schließlich auch nicht in Jogginghosen auf eine Hochzeit.
„Bis Ende 2016 galt bei uns der Grundsatz, dass man Krawatte trägt, wenn man zu einem Kunden geht“, sagt Oliver Herkommer, Vorstandschef der Unternehmensberatung Ingenics in Ulm. „Heute ist das sehr viel lockerer geworden.“ Der sogenannte „Business-Casual“-Dresscode, also Hemd und Jacket, gilt zwar noch als Richtschnur. Doch im eigenen Haus darf es auch mal deutlich legerer sein. Wobei: Auch wenn Kapuzenpulli oder Sneakers in einem Beratungsunternehmen auf den ersten Blick auffallen – es sind zugleich auch ziemlich oberflächliche Signale. Herkommer sagt: „Vielleicht sorgt lässige Kleidung manchmal für ein besseres Miteinander, doch für wesentlich entscheidender halte ich die Bürogestaltung.“ Auch deshalb, weil eine attraktive Arbeitsumgebung ein durchaus wichtiges Kriterium für Bewerber ist. Er kenne Unternehmen, berichtet Herkommer, bei denen schon die Büros eine geradezu verkrusteten Eindruck hinterließen. „Da wird es dann schwer, junge Bewerber als neue Mitarbeiter zu rekrutieren.“
Ab dem Jahr 2000 galt bei Ingenics die Devise „Lean Office“. Die Schreibtische wurden von den Mitarbeitern geteilt, das einzige persönliche Element war der Laptop. „Heute erscheint diese radikale Büroordnung als zu kalt und nüchtern, weshalb wir uns da wieder öffnen“, sagt Herkommer. Das geschieht zum Beispiel durch die Einrichtung zahlreicher Kollaborationsflächen und Rückzugsmöglichkeiten. Gefördert werden dadurch die interne Kommunikation und der interdisziplinäre Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Abteilungen. Letztlich soll so eine neue Offenheit und daraus eine größere Kreativität entstehen. Die Autobranche, hat Herkommer beobachtet, habe den Bedarf an einer adäquaten Innenarchitektur und Büroeinrichtung durchaus erkannt. „Da sind einige Firmen Vorreiter, allerdings wirkt manches auch ein bisschen sehr durchgestylt.“
Ob schicker Glasschreibtisch oder Beanie auf dem Kopf – entscheidend ist nach wie vor natürlich die Beratungsleistung selbst – das ist einhelliger Tenor in der Consulting-Branche. Berylls-Mann Burgard etwa sieht die neue, zentrale Herausforderung für Berater darin, immer heterogenere und interdisziplinärere Experten zu einem Team zu formen, in dem dann die Einzelkompetenzen optimal zur Geltung kommen. „Da ist oftpsychologisches Feingefühl
gefragt“, sagt Burgard.
Ingenics-Chef Herkommer, der Hunderte Experten beschäftigt, kann dem nur beipflichten. Denn Digitalisierung bedeute eben auch, dass es für jedes Projekt immer mehr Schnittstellen und Einflussfaktoren gebe. „Früher gab es einen kleinen Projektkern, und alle weiteren Akteure waren an den angedockt. Heute ist die Gemengelage von vornherein sehr viel komplexer, was eben auch sehr viel mehr Integration erfordert.“
Die Projektarbeit soll dem Kunden eine Innovation, eine Prozessverbesserung oder sein neues Produktdetail bringen. Für die Consulting-Unternehmen wiederum fällt dabei eine Fülle an Beratungs-Know-how an. Nicht selten lässt sich dieses so oder so ähnlich auch für weitere Projekte nutzen, doch dazu muss es archiviert werden, um für spätere Anwendungen rasch abrufbar zu sein. Ingenics archiviert derartiges Beratungs-Know-how auf speziellen Laufwerken, von denen die unstrukturierten Daten später durch Systeme der künstlichen Intelligenz wieder verfügbar gemacht werden können. Sozusagen Big-Data-Verwaltung inhouse.